Erni Mangold
SAGEN SIE, WAS SIE DENKEN
MEIN LEBEN IN BILDERN
Aufgeschrieben von Doris Priesching
208 Seiten, Molden Verlag in der Verlagsgruppe Styria, 2021
Für Erni Mangold, geboren am 26. Jänner 1927, nähert sich nächstens wieder ein runder Geburtstag, der 95. Und sie war noch bis vor wenigen Jahren in ihrem Schauspieler-Beruf aktiv. Das heißt, dass Generationen von Theaterbesuchern (und zuletzt auch Fernseh-Zusehern) sie kennen. 2011 hat sie sich erstmals zu „Memoiren“ entschlossen, unter dem etwas unwirschen Titel „Lassen Sie mich in Ruhe“. Zum 90er wurde das Buch neu aufgelegt, und nun hat sie – wiederum mit Hilfe der Journalistin Doris Priesching – ihr Leben „in Bildern“ vorgelegt.
Vor der Bilderflut gibt es Grundsätzliches von der bald erneuten Jubilarin, die sich nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Dass man im Alter nicht automatisch „bescheuert“ sei, hält sie fest (weil alte Leute von jüngeren gern so behandelt werden). Aber auch zur Politik äußert sie sich mit gewohnter Scharfzüngigkeit, wenn sie ihre Überzeugung kund tut, dass wir uns schon lange auf dem Weg in eine neue Diktatur befinden. „Die Ähnlichkeit mit den Nazis ist evident“, sagt sie. Auch die Worthülsen, die hinter Modeworten stecken, erregen sie, etwa „Handlungsbedarf“ oder „Nachhaltigkeit“. Sie hasst Schwätzer.
Dann folgt der riesige Bildteil, der allerdings nicht die strenge Chronologie einhält. Zu Anfang, gewiss, mit Kinderbildern, Familienfotos, Orten der Jugend. Es war keine freudvolle Kindheit, eine Mutter, die ihr Kind mit Affenliebe quälte, ein Malervater, der sie oftmals porträtierte (in seiner „Rembrandt-Periode“ auch mit einem Barett).
Die Bilder werden von Erni Mangold kommentiert, fügen sich zu Mosaiksteinen ihrer Biographie. Auch diese Kommentare beschönigen nichts, sie sagt ohne Umschweife, wenn sie Leute nicht mochte, sie kritisiert (das Theater, das Gründgens machte, war ihr zu konservativ), sie rüttelt auch an „Ikonen“ (über Elfriede Ott heißt es: „Sie lebte in den Kammerspielen ihr Theaterleben und bekam von der Welt draußen gar nichts mit.“), und wer eine Nazi-Vergangenheit hatte, den mochte sie gar nicht (wie etwa Paula Wessely). Aber wenn sie liebte, den Qualtinger etwa, tat sie es ganz. Der Gatte Heinz Reincke, mit dem sie immerhin 20 Jahre lang, von 1958 bis 1978, verheiratet war, kommt eher nebenbei vor.
Man kennt ihre Anfänge als „Sexerl“, in manchem österreichischen Film der fünfziger Jahre war sie, leicht bekleidet, der Gegenpol zu den braven Mäderln. Später, im Interview mit Doris Priesching, erzählt sie, wie die Situation damals war: „Ich wurde nie vergewaltigt, aber sexuell belästigt, bedrängt und bedroht, jahrelang. Gesprochen hat niemand darüber, niemand wollte es sehen, geschweige denn hören. Mein Nein verstanden die Männer nie. Es ging so weit, dass manche einfach behaupteten, ich hätte mit ihnen geschlafen. Das fand ich besonders grausig.“
Der Weg durch die Bilder eines Lebens erfolgt nach Schwerpunkten: „Freunde, Tiere, Weggefährten“, Bilder aus ihrer Schauspielerinnen-Zeit (das Foto auf Seite 101 zeigt übrigens nicht Vilma Degischer, sondern Marion Degler),, da wandert man durch ein Gesicht, vom flotten Mäderl in der Josefstadt bis zu der oft schaurigen Alten, die etwa unvergleichlich die böse Großmutter in den „Geschichten aus dem Wiener Wald“ spielte (und dabei persönliches Verständnis für die Haltung dieser Frau aufbrachte!) oder in der Titelrolle von Nestroys „Lumpazivagabundus“ Gänsehaut erzeugte.
Lobeshymnen werden natürlich eingestreut, von Elfriede Jelinek („Das macht Erni Mangold aus, diese Mischung aus Schönheit und völliger Normalität, Sachlichkeit, aus Realismus und dem Unfassbaren.“) bis zu Michael Schottenberg, in dessen Volkstheater-Ära sie immer wieder auf der Bühne stand.
Sie zeigt ihre Lieblingsfotos von sich, sie präsentiert sich auch bei Ehrungen, sie liebte Fußball und Autofahren, ging gerne auf Bälle und tanzte die Nacht durch, und neben dem Waldviertel, wo sie lebt, ist Wasser ihr Lebenselixier – zu allem gibt es viele Bilder. Für Theaterfans ist es ein Stück Theatergeschichte. Für Erni-Fans ist es ein Mangold-Buch.
Renate Wagner