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ERL/ Tiroler Festspiele: SIEGFRIED. Tenorale Durchhaltekraft wurde nicht belohnt

01.08.2015 | Allgemein, Oper

Tiroler Festspiele Erl, Siegfried, 1. August 2015. Tenorale Durchhaltekraft wurde nicht belohnt

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Copyright Tiroler Festspiele Erl / APA-Fotoservice / Xiomara Bender

 Zäumen wir einmal das Pferd von hinten auf und beginnen wir mit dem Schlussapplaus nach Richard Wagners Siegfried bei den Tiroler Festspielen Erl. Denn da ließ es das Publikum an Fachkenntnis und Fingerspitzengefühl mangeln, als Michael Baba in der Titelrolle bestenfalls einen Gefälligkeitsapplaus erhielt. Dabei hatte der in Potsdam geborene Sänger in zahlreichen Wagner’schen Tenor-Schlachten gemeinsam mit Gustav Kuhn seinen Mann und Helden gestanden – und auch diesmal hielt er in dieser mörderischen Partie bravourös durch. Nicht nur das, im zweiten Akt gelangen ihm sogar wunderbare lyrische Passagen und die Stimme wechselte mühelos ins piano nach dem strahlenden forte im Wettstreit des ersten Aktes mit Mime. Natürlich, ein allzu charismatischer Sänger ist der in Mannheim unter Vertrag stehende Baba nicht, aber man sah schon berühmtere Tenöre in dieser Rolle „eingehen“.

 Wie überhaupt der Siegfried die bisher wohl beste Gesangsensembleleistung bei diesem Ring brachte. Symptomatisch dafür die erste Szene des zweiten Aktes, als man sich an drei satten tiefen Männerstimmen erfreuen konnte: Werner van Mechelen gab diesmal nicht nur einen stimmlich dunklen, sondern auch szenisch stets im Finsteren agierenden Alberich, Thomas Gazheli sang mit aller Kraft und Fortune einen akzentuierten Wotan und Andrea Silvestrellis kohlrabenschwarzer Bass hätte als Wurm Fafner gar keine Trichterverstärkung notwendig gehabt. Wolfram Wittekinds Mime zeigte sich hier von der eher seriösen, intellektuellen Seite, der Witz und das typische Charaktertenor-Timbre fehlte ein wenig, was man aber weniger dem Sänger, als dem Besetzungschef (wohl der Maestro himself) vorwerfen konnte.

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  Copyright Tiroler Festspiele Erl / APA-Fotoservice / Xiomara Bender

 Da in Erl die Besetzungen immer wieder wechseln und kaum Stimmen während des ganzen Rings in derselben Rolle durchgängig zu hören sind, erlebte man im Siegfried nach Bettine Kampp Nancy Weißbach als strahlende Brünnhilde mit metallenem Kern in der wunderbar phrasierenden Stimme und als Erda hatte Rena Kleifeld nur mit der Schleppe ihres wunderschönen Kleides zu kämpfen, sowohl die vielen tiefen, als auch die wenigen hohen Töne kamen lupenrein. Lyrischer hätte man sich den Waldvogel gewünscht, Joo-Anne Bitter versuchte Sanftheit durch Lautstärke zu ersetzen, was leider ein wenig schrill wirkte.

 Nun ein paar Worte zum Orchester der Tiroler Festspiele Erl, das in physischer und psychischer Hinsicht hier Schwerarbeit zu verrichten hat. Mit der entschuldbaren Ausnahme des Hornrufes spielten die Damen und Herren wiederum ganz ausgezeichnet. Eine Besonderheit, die sich durch die treppenartige Platzierung des Orchesters im Hintergrund der Bühne ergibt, ist die enorme Transparenz, die immer wieder ungewohnte neue Hörerlebnisse beschert. Gustav Kuhn ist ein Meister darin, mit solchen Effekten auch zu spielen und scheut auch vor Generalpausen nicht, die dramaturgisch Sinn machen. Übrigens, Kuhns Accademia di Montegral wird im Herbst einer Einladung nach China folgen und die Festspielproduktionen Tristan und Isolde sowie Die Meistersinger von Nürnberg in Peking und den 24-Stunden-Ring in Shanghai aufführen.

 Über das Szenische sei diesmal der Mantel des Schweigens gebreitet, da Minimalismus übertrieben werden kann und Siegfried ohnedies als Regiehorrorszenario gilt. Die Drachenszene ist wahrscheinlich heute ohne Videoprojektion unspielbar, aber auch andere Details wie der Papiervogel und das An-der-Rampe-Singen (besser eigentlich Auf-dem-Podest-Stehen-und-Singen) im Finale wirkten doch ziemlich hanebüchern. Die fackeltragenden Kinder beim Walkürefelsen seien hingegen positive erwähnt, ebenso die Lehrschmiede vor dem Opernhaus, wo sich die Zuseher in den Pausen in die Schmiedekunst einführen lassen konnten.

Ernst Kopica

 

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