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ERL/ Tiroler Festspiele: AIDA

13.07.2019 | Allgemein, Oper

 

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Foto: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele

Tiroler Festspiele Erl  12.07. 2019: „AIDA“

Nach vielen Jahren hab ich es wieder mal ins schöne Erl geschafft und zum ersten Mal das “neue” Haus von innen gesehen: eine moderne, gelungene Spielstätte, wo man von allen Plätzen gut sieht, und die an beiden Tagen erfreulicherweise sehr gut gefüllt war. Es herrscht eine positive Atmosphäre, alle Mitarbeiter sind freundlich und bemüht, sehr zuvorkommend – man fühlt sich wohl. Beim Dargebotenem gab es – wie im „richtigen Leben“  Licht und Schatten, wobei der „Schatten“ glücklicherweise nur den ersten Abend betraf, die Gesamtbilanz – vor allem dank des zweiten Abends – doch eindeutig positiv ausfiel.

     Verdis „Aida“ – 1871 in Kairo als Auftragswerk des bereits arrivierten Meisters zur Uraufführung gelangt, mit einem Textbuch von Antonio Ghislanzoni – stand am Programm: gesehen hat man sie leider nicht! Gezeigt wurde eine wilde Geschichte von unterdrückten Frauen, einem Priester (? ) im Mittelpunkt, einem  psychisch angeschlagenen und erbärmlichen „König“ in häßlichem Einheitsbühnenbild, mit farblosen , hässlichen Kostümen – nur der Amneris wurde eine blaue Abendrobe gestattet und sie so optisch zur Hauptfigur hochstilisiert. Die eigentliche Protagonistin musste dieselben Fetzen wie die Choristinnen tragen und auch dauernd mit dem Chor auf der Bühne sein, sogar zum Teil „mitsingen“  ( hoffentlich hat sie wenigstens  dafür die Chorgage auch bekommen! ) – man stelle sich nur bildlich die Reaktion auf ein solches Ansinnen  von Rollenvertreteinnen  wie  Arroyo, Chiara, Dessi oder Guleghina vor….! Der  in „Aida“ im Nil – Akt   (   klar: hier ohne Nil ) gar nicht mehr auftretende „König“ muss hier noch mal auf die Bühne, um von „Ramfis“ abgestochen zu werden ,  ich möchte weitere „Schmankerln“ dem geschätzten Leser ersparen. Daß die übersetzten Übertiteltexte mit Gewalt so hingetrimmt und manipuliert werden, daß die Diskrepanz zwischen  den Worten und dem da gezeigten nicht zu krass wird, ist ja mittlerweile fast überall usus. Ich frage mich nur, welche Selbsteinschätzung und Überheblichkeit Leute haben, von denen man – Gott sei Dank – in wenigen Jahren nichts mehr hören wird, um sich anzumaßen, Meisterwerke von Künstlern , die jahrzente – und jahrhunderte lang die Menschen begeistern, verändern und  „korrigieren“ zu können. Genauso schlimm ist aber so etwas zu dulden und zu ermöglichen.

      Leider war die musikalische Seite des Abends auch nicht gerade angetan, einfach die Augen zu schließen und sich dem akustischen Genusse hinzugeben. Die junge Dirigentin Audrey Saint-Gil war wohl zu beschäftigt mit sich selbst und dem Ablauf als daß sie gestalten oder zumindest sängerfreundlich begleiten konnte. In einer Lautstärke, die dem Personal auf der Bühne Probleme bereitete, deckte sie ganze Passagen völlig zu, konnte in keinem Moment Spannung aufbauen, und verkaufte das Orchester und die Chorakademie der Tiroler Festspiele Erl ( Chorleitung Olga Yanum) unter ihrem Wert.  (Dass sie es anders können bewiesen sie am darauffolgenden Abend! )   Auf der Bühne war auf der männlichen Habenseite nur der „Messagero“ zu verbuchen!  Denys Pivnitsky ließ durch heldischere Töne als der Radames ( wer hat Ferdinand von Bothmer diese Partie angeboten, die er alleine in den lyrischen Stellen bewältigen kann? ) aufhorchen, der Rest der männlichen Riege war schwach bis indiskutabel! Blieben als „Leuchttürme“ in der Schlacht die drei Damen: ja aich die Sacerdotessa der kleinen Giada Borelli konnte in ihrer kurzen Szene mit frischem, klangvollen Sopran und guter Technik positiv auffallen ( sie bekam übrigens infolge einer Vergewaltigung(?) ein Kind, daß sie Ramphis brachte und Aida zur „Aufbewahrung“ gab…!! ). Teresa Romano erschien zu Beginn – bereits während dem Vorspiel ! – wie Frau Mary im Fliegenden Holländer – weil gesponnen wird ja dort auch  kaum mehr – und beaufsichtigte die Damen des Chores ( inclusive Aida) – wie erwähnt war sie optisch die auffallendste Figur und konnte aber neben ihrer Bühnenpersönlichkeit auch ihre üppigen stimmlichen Mitteln eindrucksvoll einbringen. Eigentlich ja Sopran – ich hörte sie Anfang April in Parma als Maddalena in „Andrea Chenier“ – konnte sie hier auch mit erstaunlicher runder Tiefe glänzen. Im Gegensatz zu anderen „Experimenten“ vo Kolleginen ist es wirklich gut gelungen, obwohl ich ihre Zukunft trotzdem eher im Sopranfach sehe. Maria Katzarawa – Mexikanerin mit georgischem Vater – konnte als Aida mit ihrem nach oben ungefährdeten,  persönlich timbrierten Sopran punkten, sowie mit ihrer Technik ( beeindruckend ihre diminuendi  – etwa im Ensemble des zweiten Aktes ) , und ihrem Gefühl für die Verdi-Linie. Als Figur wurde sie nicht nur in Hinsicht des Kostüms  sehr übel behandelt, konnte da darstellerisch kaum was einbringen – was aber wie gesagt nicht ihre Schuld war. Beide Damen hätten in anderem Umfeld noch überzeugender wirken können.

     Dem Publikum heute kann man offenbar schon alles vorsetzen, es gab ungetrübten (!)  Applaus für sämtliche, die sich am Schluss verbeugt haben – wenigstens aber  den meisten für die beiden „Retterinnen“ dieses Abends.

Michael Tanzler

 

 

 

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