Uwe Stickert als „Lohengrin“. Foto: Lutz Edelhoff
ERFURT: „LOHENGRIN – Premiere
Theater Erfurt, Premiere am 08. Februar 2020
Der aus der Zukunft kommt
Der silbrig-schimmernde Glanz der ersten Töne des Lohengrin-Vorspiels prägt die Atmosphäre des Stückes bis zum Ende, und da kommt und kam es in der Aufführungsgeschichte nicht von ungefähr, dass silbrige, glänzende Farbtöne die Bilder auf der Bühne bestimmen. So ist es jetzt auch geschehen in der Neuinszenierung am Theater Erfurt, für die Hans-Joachim Frey als Regisseur und Hartmut Schörghofer als Ausstatter verantwortlich zeichnen.
Frey und Schörghofer verorten die Geschichte nicht in der Gegenwart, auch nicht in der Vergangenheit, vielmehr sehen sie Lohengrin als ein Wesen, dass aus der sehr fernen Zukunft in die nicht ganz so ferne kommt, um für Elsa zu streiten. Die Vision von einer vor uns liegenden Zeit gelingt dabei optisch nur bedingt überzeugend. Zwei versetzt angeordnete Wände begrenzen den Bühnenraum nach hinten, Schrägen geben im Hintergrund einen Ausschnitt frei, der Platz lässt für Projektionen – eine Stadtsilhouette mit vielen umhereilenden Flugobjekten zum Beispiel. Lohengrins Raumschiff kommt von oben, er verlässt es über eine silberne Gangway, die am Ende von oben zurückkommt – und ihn und Elsa abholt. Es ließen sich viele Beispiele mehr aus dieser Inszenierung benennen, die keineswegs unästhetisch anzusehen sind, allerdings eine Darstellung der Zukunft zeigen, die aus filmischen Umsetzungen der zurückliegenden Jahrzehnte durchaus schon bekannt ist. Und genau dadurch als ein Zukunftsbild der Vergangenheit wirkt. Auch die Kostüme, die silbergrauen Einheitspagenköpfe des Chors etwa und die geometrisch geschnittenen Chorgewänder, alles das wirkt weniger futuristisch und mehr wie eine Anspielung auf Zukunftsbilder, die nicht mehr ganz unserer Zeit entsprechen. Einige Details bleiben zudem unerklärlich, wie etwa die vielen gläsernen Särge im ersten Akt, oder auch, warum König Heinrich, hier eher wie ein Priester gezeigt, fast unentwegt mit einer Art Gebetband hantiert. Kurzum, viele optische Elemente passen nicht recht zueinander. Und auch das Arrangement der Figuren auf der Bühne, ihre Interaktion, lassen einige Fragen zurück, was genau Hans-Joachim Freys Interesse an Lohengrin ist, was er seinem Publikum mit seiner Inszenierung sagen möchte.
Myron Michailidis und das Philharmonische Orchester Erfurt, verstärkt durch die Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach, brauchten den ersten Akt, um sich auf Wagners Klangwelt einlassen zu können. Im zweiten und dritten Akt gelangen dann jedoch einige sehr dicht und konzentriert musizierte Augenblicke, dramatische Höhepunkte und fein ausbalancierte leise Momente. Sehr konzentriert und homogen zeigte sich auch Chor unter Leitung von Andreas Ketelhut.
Uwe Stickert debütierte – wie übrigens alle Solisten in ihren Partien – als Lohengrin. Er verfügt über eine hell und leicht gefärbte, sehr kultiviert und wunderbar schlicht geführte Stimme. Sie ist nicht sehr groß und kommt mit dem Lohengrin durchaus an die Grenze ihrer Kräfte – noch. Denn Stickert zeigte, wie intensiv er die Partie gestalten kann, hob sich seine ganze Konzentration allerdings für den für ihn so wichtigen dritten Akt auf. Ein Rollendebüt, das eine verheißungsvolle Entwicklung in dieser Partie verspricht, ein Lohengrin, wie er – stimmlich – sein soll, ätherisch klingend, eben wie nicht von dieser Welt. Ihm zur Seite war Margarethe Fredheim Elsa. Ihre Stimme passt wunderbar zur Partie, und wenn sie die sicher dem Premierenabend geschuldete Nervosität und das teilweise recht starke Vibrato überwinden kann, wird sie noch mehr überzeugen können. Unvorteilhafte Kostüme standen insbesondere bei Lohengrin und Elsa der darstellerischen Entfaltung beider Sänger sehr im Weg.
Das böse Paar, ganz in schwarz gewandet, lag bei Anne Derouard und Máté Sólyom-Nagy in guten Händen; Derouard verfügt über einen großen, dunkel gefärbten Mezzosopran und spielte die Ortrud mit starkem Charisma, auch ihr bleibt zu wünschen, durch etwas weniger angestrengtes Singen ihre starke Präsenz in der Rolle noch zu intensivieren. Sólyom-Nagy sang den Telramund mit hellem Bariton und klarer Diktion als Spielball seiner dämonischen Gattin. Kakhaber Shavidze und Siyabulela Ntlale als König und Heerrufer ergänzten das Ensemble auf solidem Niveau.
Am Ende gab es viel Beifall für die Solisten und einige Buh-Rufe für das Regieteam. Ob das nur mit Lohengrin oder auch mit den Ereignissen um den von Hans-Joachim Frey verantworteten Semperopernbal zu tun hatte, bleibt ebenfalls als Frage zurück.
Christian Schütte