Szenische Uraufführung im Theater Erfurt: „Lady Magnesia“ von Mieczysław Weinberg (Vorstellung: 1. 3. 2012)
Foto: Theater Erfurt
Erst vor zwei Jahren wurde der polnische Komponist Mieczysław Weinberg (geb. 1919 in Warschau, gest. 1996 in Moskau), der als Schostakowitsch-Nachfolger gilt, bei den Bregenzer Festspielen wiederentdeckt, wobei seine Oper Die Passagierin einen Sensationserfolg feierte. Umso gespannter durfte man auf die szenische Uraufführung seiner Kammeroper „Lady Magnesia“ im Studio des Theaters Erfurt sein. Vorweg: Es wurde ein skurriler, aber vergnüglicher Abend.
Die Oper in einem Akt, deren Text der Komponist nach der Farce Passion, Poison and Petrification (Leidenschaft, Gift und Versteinerung) von George Bernard Shaw selbst verfasste, wurde in deutscher Sprache (Übersetzung: Hans-Ulrich Duffek) aufgeführt. Die Handlung: Lady Magnesia ist zwischen ihrem Liebhaber, dem Hausdiener Adolphus Bastable, und ihrem Ehemann, Lord George Fitztollemache, hin- und hergerissen. Dieser plant zunächst einen Mordanschlag auf die Lady, anschließend kredenzt er ihrem Lover einen Giftdrink. Unter dem Eindruck des sich vor Schmerzen windenden Adolphus entdeckt Lady Magnesia neue Gefühle für ihren Gatten. Von dieser Wendung gerührt, versuchen Lord und Lady gemeinsam, Adolphus Linderung zu verschaffen. Schließlich wird die Gipsbüste der Lady aufgelöst und dem Sterbenden als Medizin gereicht. Solcherart sanft in den Tod geleitet, versteinert Adolphus zur Statue, die schützend die Hände über das Ehepaar hält.
Nicht aber in der surreal-skurrilen Inszenierung von Barbara Schöne. Sie steigert am Schluss den schwarzen britischen Humor noch auf makabre Art und lässt die Lady hinter einer „zerfließenden“ Tür (Salvador Dali lässt grüßen!), die sich als Sargdeckel erweist, von ihrem Ehemann ins Jenseits befördern, nachdem er vorher das Dienstmädchen getötet hat. Aber auch der Lord fährt am Ende zur Hölle. Die zum Stück passende surrealistische Ausstattung – alle Objekte, wie Tisch, Sesseln, Fensterrahmen, Statue, hängen verkehrt, Schminktisch und Bett der Lady werden vom Dienstmädchen mit einem Laserstift auf Wand und Boden gezeichnet – stammt von Jeannine Cleemen.
In der Titelrolle der Lady Magnesia – ihr Name könnte sich von Magnesium ableiten, einem Bestandteil der Erdkruste, geht es doch in Bernard Shaws Vorlage um Verkrustungen, die es aufzubrechen gilt – brillierte die Sopranistin Marisca Mulder stimmlich wie darstellerisch. Gleich in der ersten Szene spielt sie ihre sexuellen Begierden mit erotischer Leidenschaft aus, wobei der Bariton Máté Sólyom-Nagy als fescher Hausdiener Adolphus ihr als Geliebter ein kongenialer Partner ist. Raffiniert gelöst seine Versteinerung zur Statue.
Mit keineswegs nobler britischer Zurückhaltung gab der Tenor Marwan Shamiyeh den Lord Fitztollemache. Er spielte die Rolle des eifersüchtigen Ehemannes mit tödlicher Eloquenz! Das zerzauste und schmuddelig wirkende Dienstmädchen, das an den erotischen Neigungen der Lady und ihres Hausdieners unverhohlen Anteil nimmt, wurde von der Mezzosopranistin Stéphanie Müther recht überzeugend gegeben. Die Damen des Philharmonischen Chores (Sopransolo: Tina Adam) und Herren des Opernchores des Theaters Erfurt agierten hinter der Bühne, als wären sie Stimmen aus dem Jenseits.
Die musikalische Leitung der etwa 50 Minuten dauernden Kammeroper hatte Samuel Bächli inne. Er dirigierte die Mitglieder seines Philharmonischen Orchesters Erfurt sehr einfühlsam und brachte die farbige Partitur des Komponisten, die neben dramatischen klassischen Elementen auch so manche Töne des Jazz und der U-Musik aufweist, mit allen Feinheiten zum Erklingen.
Das Publikum im leider nur spärlich besetzten Studio des Theaters, das sich bei dem skurrilen Werk sichtlich amüsiert hatte, belohnte am Schluss das spielfreudige Sängerensemble sowie das Orchester und seinen Dirigenten mit lang anhaltendem Applaus, wobei die Phonstärke bei „Lady Magnesia“ Marisca Mulder besonders anschwoll.
Udo Pacolt, Wien – München
PS: Die weiteren Vorstellungen von Weinbergs „Lady Magnesia“ finden in Erfurt am 6. und 20. März sowie am 18. April und 16. Mai statt.