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ERFURT: I MEDICI von Ruggero Leoncavallo

25.03.2013 | KRITIKEN, Oper

Opernausgrabung in Erfurt: „I Medici“ von Ruggero Leoncavallo (Vorstellung: 24. 3. 2013)


Das Theater Erfurt bot mit der opulenten Inszenierung von Leoncavallos Oper „I Medici“ durch Roman Hovenbitzer dem Publikum einen Ohren- und Augenschmaus (Foto: L. Edelhoff)

 Wie schon in den letzten Jahren wartet das Theater Erfurt auch heuer wieder mit einer tollen Opernausgrabung auf: „I Medici“ von Ruggero Leoncavallo, die 1893 in Mailand uraufgeführt wurde. Die Erfurter Produktion ist die erste szenische Aufführung nach mehr als einem Jahrhundert! Ursprünglich wollte Leoncavallo nach dem Vorbild Richard Wagners eine Trilogie unter dem lateinischen Namen Crepusculum (Dämmerung) schreiben und komponieren, doch blieb es beim 1. Teil „I Medici“.

Die Handlung der vieraktigen Oper, deren Libretto der Komponist nach peniblen historischen Studien selbst verfasste: Lorenzo de’ Medici regiert die Bürgerrepublik Florenz mit strenger Hand, wobei er sich als großer Freund der Künste präsentiert. Sein jüngerer Bruder Giuliano ist zufällig am rechten Ort, um die zerbrechliche, unschuldige Simonetta vor einem zudringlichen Hauptmann zu retten und verliebt sich in sie. Am Rande des Maifests in Florenz planen indessen Verschwörer um Francesco Pazzi einen Aufstand gegen die Medici. Als Lorenzo der jubelnden Menge eine Hymne auf Liebe und Schönheit anstimmt, lässt sich die kränkliche Simonetta dazu verleiten, mitzutanzen, bis sie plötzlich ohnmächtig zusammenbricht. Mit deren Freundin Fioretta allein geblieben, gesteht diese Giuliano ihre heimliche Liebe. Monate später belauscht Simonetta von ihrem Krankenlager aus zufällig die Verabredung der Verschwörer, die Medici-Brüder während der heiligen Messe zu ermorden. Obwohl sie erfahren muss, dass sich Giuliano inzwischen Fioretta zugewandt hat, will sie ihn warnen, stirbt jedoch zuvor in seinen Armen. Im Dom hetzen die Verschwörer das Volk gegen die Medici auf und greifen plötzlich die Brüder an. Giuliano wird tödlich verwundet, doch Lorenzo kann sich in Sicherheit bringen. Mit einer leidenschaftlichen Ansprache gewinnt er die Sympathie des Volkes zurück und sichert damit die Herrschaft der Medici.

Roman Hovenbitzer, der bereits in Hagen und Gießen mit guter Regiearbeit aufgefallen ist, inszenierte das Werk mit exzellenter Personenführung als große Oper. In Zusammenarbeit mit dem Ausstatter Roy Spahn wurde das goldene Zeitalter der Bildenden Kunst opulent eingebunden. Auf den Bühnenvorhang wurden
vor jedem Akt großartige Gemälde von Sandro Botticelli projiziert, der – 1444 geboren – zu einem Parteigänger der Medici wurde. Auch die einzelnen Bühnenbilder waren stets mit Werken von Botticelli geschmückt, was gemeinsam mit den teils prunkvollen Kostümen für das historische Ambiente der Ära Medici sorgte (Film: Karl Heinz Stenz). Darüber hinaus gelang es dem Regisseur, insbesondere in der Attentatsszene im Dom, den Prunk und Kitsch der katholischen Kirche einzufangen.

 Mit imposanter Bühnenpräsenz wartete der russische Bariton Juri Batukov in der Rolle des Machtmenschen Lorenzo de’ Medici auf. Seinen Bruder Giuliano gab der amerikanische Tenor Richard Carlucci. Er wurde vor der Vorstellung als krank (akute Mandelentzündung) angesagt, erklärte sich aber bereit, trotzdem zu singen, da kein Ersatz für ihn aufzutreiben war. Dass er durchhielt, war zu bewundern, quälte er sich doch in einigen Szenen sichtbar und hörbar. In der Sterbeszene  bewies er, welch wunderbare lyrische Stimme er hat.

 Hervorragend die beiden Sängerinnen des Abends: Die Sopranistin Ilia Papandreou gab die junge zerbrechliche Simonetta, die alle ihre Gefühle – von Liebe und Lebensfreude über Angst bis zum seelischen Schmerz – sowohl stimmlich wie darstellerisch auszudrücken verstand. Ihr ebenbürtig zeigte sich die Mezzosopranistin Stéphanie Müther in der Rolle ihrer Freundin Fioretta, die in ihrer Liebe zu Giuliano zwischen Leidenschaft und schlechtem Gewissen zerrissen wird und dies mit ihrer hochdramatischen Stimme widergibt. 

 Aus der Gruppe der Verschwörer ragten die beiden Bassisten Vazgen Ghazaryan als Giambattista da Montesecco und Sebastian Pilgrim als Francesco Pazzi heraus, die mit ihren dunklen, furchteinflößenden Stimmen die Bühne beherrschten. Die Rolle des Bernardo Bandini gab der Tenor Marwan Shamiyeh.
Eindrucksvoll der Bariton Máté Sólyom-Nagy als Erzbischof Salviati, der als verlängerter Arm von Papst Sixtus IV. Mitglied der Verschwörer ist, um die Macht der Medici zu brechen. Die kleinere Rolle des Dichters Poliziano hatte der junge Bariton Nils Stäfe inne. 

 Das Philharmonische Orchester Erfurt gab die veristische Partitur von Leoncavallo, dem mit dieser Historienoper eine facettenreiche Schilderung der Blütezeit der Florentiner Renaissance gelang, unter der Leitung des französischen Dirigenten Emmanuel Joel-Hornak klangvoll wieder. Das zuerst eher zurückhaltende Publikum spendete am Schluss reichhaltig Beifall, wobei sich die Phonstärke für das Orchester und seinen Dirigenten merklich hob. Einige Bravo-Rufe erhielt der Tenor Carlucci für seine tapfere Leistung, mit der er den sehens- und hörenswerten Opernabend gerettet hatte.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

 

 

 

 

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