Erfurt: I Medici (Leoncavallo) 6.4.2013
Ruggero Leoncavallo, der nur mit seinem Einakter Der Bajazzo Weltruhm erlangte, war ein glühender Wagner-Anhänger, und so hatte er die Idee, auch eine Tetralogie namens Crepusculum über das bedeutendste italienische Herrschergeschlecht der Medici zu schreiben. Es sollte exemplarisch historisch wie künstlerisch untermauert die Herausbildung des idealen Fürsten herausarbeiten und die italienische Renaissance in einer Art Nationalepos abbilden. Es kam aber nur eine Oper, eben die „Medici“, zustande, Leoncavallo konnte das Projekt später nicht mehr verfolgen.
Tatsächlich gelang ihm aber dieser Vierakter zu eigenem Text, der viele Wagnersche Einflüsse besonders aus dem ‚Ring‘ und aus den Meistersingern aufnahm. In einer hervorragenden Instrumentation verband er flüssige Italianità auch mit französischen Einflüssen (Leoncavallo verbrachte einen großen Teil seines Lebens in Paris).
Obwohl der Oper zu Beginn der Erfolg hold war, verschwand sie bald wieder von den Spielplänen, da sie nicht mehr dem Zeitgeist gemäß und innovativ
veristisch war, Puccini und Strauss die Vorreiter neuer musikalischer Entwicklungen wurden.
Andrerseits stellte die in Florenz spielende Oper hohe szenische Anforderungen. Sie wird von den Erfurter Philharmonikern in einer mustergültigen Aufführung so gespielt, als gehöre Wagnerspiel zu ihrem Alltag. Dazu trägt der Dirigent Emmanuel Joel-Harnak ein gut Teil bei.
Die Regie von Roman Hovenbitzer läßt sich ganz von der theatralisch-politischen Inszenierung der Familie der Medici leiten. Dabei spielt in erster Linie ihr Parteigänger und Maler Sandro Botticelli eine bemerkenswerte Rolle. Seine „Geburt der Venus aus der goldenen Muschel“ ist das hochpräsente Werk, das auch beim Frühlingsfest zu Ehren Giulianos de Medici szenisch nachgestellt und mit erotischen Tänzerinnen bestückt wird. Bei der Domszene spielt Giuliano den Jesus, der sein Kreuz trägt, bevor er von den Verschwörern ermordet wird. Die in dem hohen Fest in das mehrstöckige Domgerüst (Ausstattung Roy Spahn) eingestellten Priester und Mönche entledigen sich ihrer bunten Meßgewänder und mutieren zu rebellierendem Volk. Bemerkenswert ist der 3. Akt, wo sich in verschiedenen in den ‚Ponte Vecchio‘ gebauten Häusern ein Septett abspielt. Unten links die vier Verschwörer in einer kleinen grauen Kapelle, rechts Giuliano mit seiner neuen Liebe Fioretta, die von ihm schwanger ist, und oben in einem modernen Krankenbett die schwindsüchtige Simonetta Cattanei, sehr wahrscheinlich Vorbild für Botticelli und seine Venera. Alle ProtagonistInnen tragen schöne und von der Renaissance inspirierte Roben.
Den Poliziano/Hofdichter singt Nils Stäfe mit feinem Tenor. Die Verschwörer sind Sebastian Pilgrim, Vazgen Ghazarian, Marwan Shamiyeh und Mate Solyom Nagy, diese stellen besonders beim Septett die beachtliche männliche Komponente. Fioretta de‘ Gori wird von Stephanie Müther mit berückendem Mezzo gestaltet. Den Lorenzo Medici singt Juri Batukov mit gediegenem Baß. Sein Bruder Giuliano ist ein zu großer Emphase fähiger edler Tenor, Richard Carlucci. Die Simonetta wird mit leidenschaftlichem und apartem lyrischem Sopran von Ilia Papandreou gegeben.
Friedeon Rosén