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ERFURT: DAS SCHWARZE BLUT- „Literaturoper“ von François Fayt. Uraufführung

05.01.2015 | Allgemein, Oper

Uraufführung einer „Literatur-Oper“ in Erfurt: „Das schwarze Blut“ von François Fayt (Vorstellung: 4. 1. 2015)

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Szenenbild aus der Oper „Das schwarze Blut“ im Theater Erfurt(Foto: Lutz Edelhoff)

 Seit vielen Jahren zeichnet sich das Theater Erfurt mit Uraufführungen oder Produktionen selten gespielter Werke aus, so auch in dieser Spielsaison. Ende November 2014 wurde im Gedenkjahr des Ersten Weltkriegs die Literatur-Oper „Das schwarze Blut“ („Le Sang noir“) von François Fayt uraufgeführt, deren Libretto von Marcel Maréchal nach dem gleichnamigen Roman von Louis Guilloux aus dem Jahr 1935 verfasste. Die Oper wurde in deutscher Sprache (Übersetzung: Klaus Gronau) mit deutschen Übertiteln gebracht.

 François Fayt, der 1946 in Argences im Departement Calvados geboren wurde, studierte Musik am Konservatorium in Versailles, später in Paris und New York. 1993 wurde in Paris seine Oper l’Abre de mai uraufgeführt, doch komponierte er vor allem symphonische Musik, Vokal- und Kammermusik, die bei verschiedenen Festivals aufgeführt wurde. Zuletzt schrieb er vor allem Sakralmusik (Requiem, Johannes-Evangelium und Stabat mater).

 Die Oper „Das schwarze Blut“ spielt im Jahr 1917 in einer französischen Provinzstadt, wo der Philosophielehrer Merlin, ein scheinbar weltfremder Sonderling, lebt. Er wird in Anspielung auf Kants Hauptwerk Kritik der reinen Vernunft von allen nur Cripure genannt. Zwar genießt er als Gelehrter einen gewissen Respekt, ist aber wegen eines körperlichen Gebrechens und seiner Menschenscheu dem Spott der Schüler, der Lehrerkollegen und der Elite der Stadt ausgesetzt. Um ihn herum regieren Dummheit und die menschlichen Abgründe einer Gesellschaft, die sich an einem Hurra-Patriotismus berauscht, ohne die geringste Ahnung vom wirklichen Grauen des Kriegsgeschehens zu haben.

 Als Cripure in einem Handgemenge seinen ärgsten Widersacher, den karrieresüchtigen Lehrerkollegen Nabucet, ohrfeigt, ist eine Duellforderung die Folge. Cripure hat sich – schon längst des Lebens überdrüssig – bereits damit abgefunden, im Duell zu sterben, da schaffen es seine wenigen Freunde, den Ehrenhandel diplomatisch zu bereinigen. Als dann aber seine Hunde das einzige Manuskript seines Lebenswerks „Versuch über die menschliche Schande“ zerfetzen, erschießt sich Cripure.

 Der französische Regisseur Marc Adam schuf eine atmosphärisch dichte, stimmungsvolle Inszenierung mit lodernden Flammen als Schlussbild und subtiler Personenführung, in der sich auch die Darsteller der kleinen Rollen gut entfalten konnten. Für die der Zeit des Ersten Weltkriegs entsprechende Ausstattung – Bühnenbild und Kostüme – zeichnete Hank Irwin Kittel verantwortlich, wobei Cripures Zimmer mit Bücherbergen eine besondere Dominanz ausstrahlte. Doch gelang es, auch die Atmosphäre eines Bahnhofs und Cafés in den diversen Szenen gut einzufangen.

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In der Hauptrolle des Cripure bot der Bariton Máté Sólyom-Nagy eine Glanzleistung (Foto: Lutz Edelhoff)

 In der Rolle des Cripure war der ungarische Bariton Máté Sólyom-Nagy eine Klasse für sich. War schon seine Gedächtnisleistung bei den vielen Monologen der fast zweistündigen Oper (ohne Pause) zu bewundern, war er beim Sprechgesang äußerst wortdeutlich, sodass das Publikum bei ihm die Übertitel nicht benötigte. Auch schauspielerisch bot er eine Glanzleistung. Eindrucksvoll, wie er seine Situation als von der Gesellschaft mit Spott und Häme behandelter Einzelgänger facettenreich darstellt. Fast zwangsläufig sein Selbstmord, als das Manuskript seines Hauptwerks von seinen Hunden zerfetzt worden war.

 Aus dem großen Ensemble des Theaters seien einige Darsteller von Nebenrollen genannt, die zum guten Gesamteindruck der Aufführung nicht unwesentlich beitrugen: der Tenor Marwan Shamiyeh als Cripures Freund Maka, der alles versucht, um das leidige Duell zu verhindern, die Mezzosopranistin Katja Bildt als um Crepure rührend sorgende Lebensgefährtin Maia, eine frühere Prostituierte, der Tenor Reinhard Becker, der mit stramm-militärischer Haltung einen General mimt und Kammersänger Jörg Rathmann (Tenor) in der Rolle des Nabucet, der Crepure zum Duell fordert.

 Zu besonderem Dank war das Theater Erfurt, aber auch das Publikum der Chorsolistin Nicole Enßle verpflichtet, die innerhalb von zwei Tagen die Rolle der Krankenschwester von der erkrankten Kollegin Gerstenmeyer übernahm und so die Vorstellung rettete.

 Für die gute musikalische Qualität der Aufführung sorgte das Philharmonische Orchester Erfurt unter der Leitung des französischen Dirigenten Jean-Paul Penin, das die Partitur des Komponisten, die vor allem illustrativ das Bühnengeschehen begleitete und nur selten dramatische Ausformungen hatte, solide wiedergab.

 Das während der Vorstellung gebannt lauschende Publikum im leider nur etwa zur Hälfte besetzten Haus belohnte am Schluss den Hauptdarsteller Máté Sólyom-Nagy für seine glänzende Leistung mit starkem Applaus, alle anderen Akteure mit „Anstands- Beifall“. Man bekam das Gefühl, dass das Erfurter Publikum keinen rechten Zugang zu dieser „Literatur-Oper“ fand.

Udo Pacolt

 

 

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