Ellen Dunne
UNFOLLOW STELLA
Ein neuer Fall für Patsy Logan
312 Seiten, (HAYMON Taschenbuch, 2023

Die beiden Identitäten der gebürtigen Österreicherin, die sich heute Ellen Dunne nennt und ihr Leben zwischen Irland und Deutschland teilt, hat sie an ihre Krimi-Heldin weiter gegeben, die nun schon im vierten Roman agiert.  Patsy Logan geschieden mit grimmigen Erinnerungen an den einstigen Psychiater-Gatten, hat eine deutsche Mutter und einen irischen Vater (und auch noch drei Brüder). Sie ist  Kriminalhauptkommissarin in München, zu Beginn des Buches auf „Urlaub“ in Irland und bei ihrer Cousine Sinead unter gekommen. Das hat mit beruflichen Problemen zu tun, und auch privat gibt es so manches Unaufgearbeitete, vor allem den Selbstmord ihres Vaters vor 30 Jahren, als sie 10 war.

Dennoch steht ein Kriminalfall im Mittelpunkt des Buches, das gut geschrieben, spannend und ungewöhnlich aktuell ist, stellt es doch die Sozialen Medien, über die man viel erfährt (sowohl Hintergrund wie Reflexion) im Mittelpunkt, wobei der Titel des Buches dennoch etwas holprig wirkt… In dieser Welt war die 27jährige Wienerin Stella Schatz in Dublin (angeblich dem digitalen Zentrum Europas) aktiv tätig. Und dann ist sie plötzlich verschwunden, und Patsy wird um Hilfe bei der Suche nach ihr gebeten.

Diese führt nun wirklich in die dunkelsten Ecken des Internet-Geschäfts, nämlich nicht in die Wunscherfüllung, mit der die Anbieter arbeiten, sondern in die Abgründe von Haß und Verbrechen, die sich täglich dort tummeln. Dies zu überblicken, zu kontrollieren und gegebenenfalls zu eliminieren sind Menschen tätig, die dem, was sie da finden, oft nicht gewachsen sind. Jedenfalls hat Stella Schatz für eine Agentur als Content-Producerin gearbeitet (und, aber das nur nebenbei, ein Verhältnis mit ihrer Chefin angefangen). Man liest in diesem Buch nicht nur viele Internet Chats, Tweets und Nachrichten (manche Teilnehmer identifizieren sich erst gegen Ende), sondern auch Stellas Überlegungen zu ihrer Arbeit.

„Die Sozialen Medien versprachen eine Welt voller bildhübscher Motive, Reiseziele, drolliger Haustiere und Tanzeinlagen für die ganze Familie. Dieses Paradies galt es zu verteidigen gegen Kinderpornografen, Tierquäler, Terrorgruppen, verbrecherische Regime oder sensationsgeile Schaulustige und ihr Sendungsbewusstsein. Wie Tretminen lauerten Tod, Grausamkeiten, Desinformation, sexueller Missbrauch und Hass zwischen all dem harmlosen Zeitvertreib, bis nichtsahnende Bürger und ihre Kinder über sie stolperten.“

Nach und nach erfährt man, wo Stella da hinein geraten ist. Und offenbar enthält ihr Handy, das Patsy in ihrer Wohnung findet, Fakten, die für ihre Firma und viele Beteiligte lebensgefährlich sind. Jedenfalls stellt sich heraus, dass Stellas Arbeitskollege, der ermordet aufgefunden wird, eine Art „Fall Teichtmeister“ war – ein Kinderpornograph der  schlimmsten Sorte. Offenbar wurde er zu Tode geprügelt. Angesichts solcher Gewaltbereitschaft ist   die Lage  nicht nur für Stella, sondern auch für Patsy (in Besitz von deren Telefon mit Beweismaterial) hoch gefährlich…

Irland spielt eine große Rolle in dem Buch (und man kann hoffen, dass sich die Salzburger Autorin in Dublin besser auskennt als in Wien, wo sie Altmannsdorf als einen Vorort der Stadt verkauft, wo es sich doch nur um einen Teil des 12. Bezirks handelt, der gar nicht ganz weit draußen ist…). Sie widmet sich nicht nur den beiden „Hauptdarstellerinnen“, Patsy und Stella, sondern zeichnet auch die Nebenfiguren ausführlich und anschaulich.

Im Gegensatz zu Kriminalromanen, die sich weit ab von der Realität bewegen, ist hier das zentrale Thema realistisch, und man könnte sich fast vorstellen, dass Dinge auf der dunklen Seite der Medaille so laufen… Freilich, ob es im wahren Leben viele Polizistinnen gibt, die so klug agieren wie Patsy, ist anzuzweifeln. Aber darum liest man ja Bücher – und ein bisschen tiefer als die Sozialen Medien schürfen sie allemale.

Renate Wagner