Elisabeth Orth:
AUS EUCH WIRD NIE WAS
Erinnerungen. Aufgezeichnet von Norbert Mayer
256 Seiten, Amalthea Verlag, 2015
Nach modernen pädagogischen Erkenntnissen hat Paula Wessely ja nicht gerade richtig gehandelt, wenn sie ihren drei Töchtern gerne prophezeite: „Aus Euch wird nie was!“, denn bekanntlich soll man ja Kinder ermutigen und in ihrem Selbstbewusstsein bestärken. Aber die Wessely-Hörbiger-Töchter haben sich keinesfalls entmutigen lassen – Elisabeth Orth, die Älteste, kann Mutters Fehleinschätzung ohne weiteres als Titel ihrer Erinnerungen, die sie zusammen mit dem Journalisten Nobert Mayer aufgezeichnet hat, wählen. Hat sie doch ihren Weg gemacht, die beiden Schwestern auch, und die drei Söhne der drei Schwestern desgleichen… wenn je eine Schauspieler-Dynastie fortgeführt wurde, dann diese.
„Der Vater“, Attila Hörbiger, ist – von der ältesten Tochter Elisabeth innigst geliebt – einer der Helden dieses Buches, Hanns Obonya, ihr dritter und einzig wahrer Gatte (die beiden anderen werden gewissermaßen beiseite gewischt), der nächste, Sohn Cornelius Obonya schließlich der weitere. Von diesen Männern schwärmt sie regelrecht, und kann man es ihr verübeln? Dass dieser Cornelius als Salzburger „Jedermann“ in die Fußstapfen des Großvaters stieg, dass Elisabeth Orth heute die Doyenne des Burgtheaters ist, wie es einst ihre Mutter Paula Wessely war – das ist schon eine große Sache.
Elisabeth Orth, deren „Achtziger“ nächstes Jahr bevorsteht, erzählt von einer Jugend, in der die Eltern die Schrecken der Zeit von ihr und ihren jüngeren Schwestern fernhielten. Erst am Ende des Buches geht die Orth – die zuletzt im Dezember 2014 im Akademietheater in Palmetshofers „Die Unverheiratete“ ein „böses“ Nazi-Schicksal spielte – auf diese Zeit und die Anschuldigungen gegen die Eltern, zumal die Mutter ein. Ein Thema, das nicht aufzulösen ist, gerade bei einer Frau wie die Orth, die sich politisch so sehr und so korrekt engagiert, aber dennoch den Anstand der Eltern, die sie zweifellos besser gekannt hat als die meisten Menschen, nicht preisgeben kann und will.
Es ist eine Schauspieler-Biographie, die erzählt, wie schwer man sich tat – gegen den Willen der Eltern, im Schatten der Eltern, schließlich akzeptiert neben den Eltern seinen Weg zu gehen. Seminar, Provinz, Erfahrungen, Erlebnisse (manche köstlich und unterhaltend), Kollegen, reich bebildert. Reflexionen über den Beruf, ausführliche Schilderungen von Arbeitsweisen (wie Andrea Breth „Beistriche“ spielen lässt, erfährt man, die doch sehr intensive private Beziehung mit der Regisseurin klammert Elisabeth Orth aus).
Sie ist eine Leidenschaftliche, eine Intensive, eine, die leidenschaftliche und intensive Herausforderung braucht, ein langweiliger Betrieb ist nichts für sie. Sie hätte, als sie 1965 ans Burgtheater, das Haus der Eltern, kam, es mit vielen schönen Rollen bewenden lassen können. Dreißig Jahre später ging sie weg, nach Berlin, lieber kleine Rollen in bedeutenden Inszenierungen als braver Durchschnitt.
Dann kam sie wieder, seither ist sie da, die Doyenne, die unverwechselbare Größe. Dennoch, da ist gar nichts „würdig“. Da kommt eine Schauspielerin, ein Mensch höchst lebendig aus den Seiten des Buches.
Renate Wagner