Fotos: Leopold Museum
ELISABETH LEOPOLD
Ich red’ noch überall drein!
Dr. Elisabeth Leopold hat ein Sammler-Leben mit ihrem Gatten, dem großen Rudolf Leopold (er starb 2010), geteilt. In dem von ihm gegründeten Leopold Museum ist sie noch immer die Grande Dame des Hauses, und daran sowie an ihren Aktivitäten ändert auch ein 90. Geburtstag nichts. Zu diesem Anlaß hat sie dem Online Merker ein Interview gegeben
Von Renate Wagner
Liebe Frau Dr. Leopold, wir gratulieren sehr herzlich zu Ihrem 90. Geburtstag. Das bedeutet aber keinesfalls den Rückzug aus dem „aktiven“ Leben?
O nein, ich rede noch überall drein. Ich habe mein Arbeitszimmer im Leopold Museum, bin im Vorstand, arbeite gerade an einem Buch über Schiele-Fälschungen und diskutiere auch, was ich mir als mögliche Ausstellungsthemen vorstelle. Auf meiner Wunschliste stehen da beispielsweise Rudolf Wacker, auch Max Beckmann oder Rolf Liebermann würde ich mir wünschen, ebenso Chaim Soutine. Ich habe da eine lange Liste, und ich bin da in guten Gesprächen mit unserem neuen Direktor.
Der neue Direktor ist seit einem halben Jahr der Hans-Peter Wipplinger. Während sein Vorgänger, Tobias Natter, ein ausgewiesener Fachmann dafür war, wofür das Leopold Museum steht, nämlich die österreichische Kunst um 1900, so weiß man von Wipplinger, dass die unmittelbare Gegenwartskunst sein großes Anliegen ist. Soll das eine Trendwende des Hauses ankündigen?
Nun, er hat ja gleich bei seiner ersten Ausstellung Wilhelm Lehmbruck mit Werken von Berlinde De Bruyckere kombiniert, das ist die Art, wie heutzutage Ausstellungen gemacht werden. Aber Hans-Peter Wipplinger hat dabei die volle Unterstützung meines Sohnes Diethard, Schließlich hat Wipplinger die Kunsthalle Krems, die niemand kannte, zu einer Institution gemacht, zu der alle Kunstfreunde hinsehen – und wenn er uns versichert, das Leopold Museum sei zu wenig bekannt und er würde das ändern, dann wollte man ihm die Chance geben, das zu verwirklichen: „Haben Sie Vertrauen“, hat er gesagt. Also bringen wir es ihm entgegen. Wichtig ist, dieses Museum zu erhalten, das die große Leistung meines Mannes darstellt.
Frau Dr. Leopold, Sie haben Ihr Leben an der Seite eines außergewöhnlichen Mannes geführt. Erinnern Sie sich noch daran, wann Sie Rudolf Leopold zum ersten Mal begegnet sind?
O, sehr gut. Ich war die Elisabeth Schmidt, Medizinstudentin aus einfachem Haus, er ebenfalls Medizinstudent. Einmal habe ich mit Kommilitonen einen Ausflug auf den Kahlenberg unternommen, wo er auch aufgetaucht ist. Und da sagt er auf einmal zu mir: „Willst Du mit mir kommen, ich zeig Dir meinen Garten!“ Und dann habe ich den Garten kennen gelernt, mit dem ich dann 60 Jahre gelebt habe… Wie das im Studentenleben schon so einmal ist, haben wir uns immer wieder in Vorlesungen getroffen, man hat sich einen Platz gehalten und dann ist man in den Rathauspark plaudern gegangen, der damals noch wunderschön war, wie ein Garten, was er heute nicht mehr ist…
Sie haben einmal erzählt, Ihr Mann habe in seiner Jugend ein Auto, das ihm seine Mutter schenken wollte, abgelehnt, und um das Geld gebeten, weil er ein Bild dafür kaufen wollte – ist er seiner Mitwelt da nicht wie ein Verrückter vorgekommen? Und Sie immer an seiner Seite?
Natürlich hat man ihn für verrückt gehalten. Und ich musste angesichts seiner Sammelleidenschaft ja auch immer an die Familie – wir haben drei Kinder – denken. Und doch, wenn er wieder einen Kredit aufgenommen hat, habe ich zwar vielleicht gesagt: „Um Gottes Willen, wir können doch nicht schon wieder Schulden machen!“ – und dann doch zugestimmt. Ich war immer auf seiner Seite und letztlich immer einverstanden. Einmal brauchte er zwei Millionen Schilling, weil er ein bestimmtes Schiele-Gemälde kaufen wollte. Als er es dann näher untersuchen konnte, sah er, dass es unsachgemäß restauriert worden war, und wollte es nicht mehr. Ich dachte, hurra, jetzt können wir den Kredit auflösen, aber nein, innerhalb von zwei Wochen war das Geld weg – für die afrikanische Sammlung.
Rudolf Leopold ist berühmt als der Mann, der Schiele nach dem Zweien Weltkrieg regelrecht „wieder entdeckt“, mehr noch, der ihm seinen Rang in der Kunstgeschichte wieder gegeben hat. Aber er hat ja weit über Klimt, Schiele und die Österreicher von „Wien um 1900“ hinaus gesammelt?
Ja, aber immer nur das Allerbeste. Und diesen Blick für Qualität habe ich von meinem Mann gelernt. Das hat auch den Rang seiner Sammlung ausgemacht – nicht viel und dabei auch Beliebiges, sondern nur das Beste. Wobei er sich wirklich keine Grenzen gesetzt hat – wir sind auch einmal ins Burgenland gefahren, haben uns angesehen, was sich da in der Kommune in den Beständen von Otto Muehl fand, und mein Mann hat auch Brus und Nitsch gekauft. Und afrikanische Kunst. Und Volkskunst. Von letzterer haben wir so viel, dass wir nun Krüge zum Verkauf bringen – aber nur jene, von denen wir ein ähnliches, genau so gutes Exemplar besitzen, das natürlich bei uns bleibt. Man muss bedenken, dass mein Mann über 60 Jahre lang gesammelt hat – da kommt vieles zusammen.
Sie haben, heißt es, Kunst nie als Selbstzweck gesammelt, sondern um damit und darin zu „leben“.
Das tue ich heute noch, und die Kunst hat die wunderbare Fähigkeit, mich aufzuhellen, wenn ich in düsterer Stimmung bin. Ich weiß noch, wie ich einmal in depressiver Verfassung in die Albertina ging, wo es die Ausstellung über Matisse und die Fauves gab. Und als ich wieder herauskam, war ich so fröhlich, dass ich gar nicht mehr wusste, worüber ich mich so geärgert hatte. Mein Mann hat mich auch gelehrt, in jedem Raum einer Ausstellung das „beste“ Bild zu suchen – damals, bei den „Fauves“ in der Albertina, habe ich André Derain für mich entdeckt, und angesichts solcher Bilder konnte ich mich nur fragen: „Was willst Du eigentlich? Worüber regst Du Dich auf?“ Wenn es so wunderbare Kunst gibt…
Sie haben bis fast zu Ihrem 70. Geburtstag Ihren Beruf als Augenärztin ausgeübt – unvorstellbar, wenn man denkt, dass Sie gleichzeitig das Museums- und Sammlerleben Ihres Mannes geteilt und außerdem drei Kinder großgezogen haben. Wie haben Sie das geschafft?
Ich musste da schon wie ein Feldwebel ein strenges Regiment führen, der Arzt-Beruf, die Kunst, mein Mann, die Kinder und auch eine Menge Verwandte, die betreut werden mussten – und ich war immer sehr hilfsbereit. Ich habe das immer irgendwie geschafft. Und man wird ja auch selbst glücklich dabei. Nur einen Fehler darf man nicht begehen: Dank darf man nicht erwarten.
Verraten Sie uns etwas von den Plänen des Leopold Museums?
Nun, wir müssen unseren letzten Stock ausräumen, der ja eine permanente Sammlung der Kunst um 1900 umfasst und die noch mein Mann selbst eingerichtet hat. Denn wir bekommen eine „Libelle“ auf das Dach des Museums – ein rundes, leichtes „Gebäude“ auf Stelzen, das ein Café haben wird und ein Treffpunkt werden soll, wo man Events veranstalten kann. Wir müssen uns nur überlegen, wo wir die Kostbarkeiten aus dem letzten Stock hingeben, denn das Publikum schätzt diese Zusammenstellung sehr. Vielleicht kann man dann bei der Neupräsentation Schieles „Entschwebung“ Klimts „Tod und Leben“ gegenüberstellen, wie es einmal zu Lebzeiten der beiden geglückt ist, was Schiele unendlich glücklich gemacht hat. Es wäre gewiß Schieles großer Wunsch, und den möchte ich ihm erfüllen. Ich selbst habe mir übrigens zu meinem runden Geburtstag ein Symposion gewünscht, das nun im Herbst stattfinden wird. Und da möchte ich diese wunderbare Freundschaft zwischen Klimt und Schiele darstellen, die von einer Art war, wie man sie in der Kunstgeschichte wohl nur selten findet.
Gibt es eigentlich offene Wünsche zu Ihrem 90er?
Nur, dass auch in Zukunft außer mir – so Gott es gibt, lebe ich noch ein bißl – weiterhin Mitglieder der Familie im Vorstand des Museums zu finden sind. Aber ich bin ohne Sorge, bei zweien meiner Enkel stelle ich schon großes Interesse diesbezüglich fest.
Das Leopold Museum im MuseumsQuartier, noch ohne, aber ab Herbst mit „Libelle“ auf dem Dach…