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ELISA BADENES – Erste Solistin des Stuttgarter Balletts – „Day by day!“

23.03.2017 | Allgemein, Tänzer

Im Portrait: ELISA  BADENES – Erste Solistin des Stuttgarter Balletts – „Day by day!“

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Elisa Badenes. Portrait-Aufnahme Copyright: Roman Novitzky

Als Elisa Badenes Vasquez (den zweiten Nachnamen hatte sie der Einfachheit halber bald abgelegt) bereits in der zweiten Saison beim Stuttgarter Ballett 2010/11 als Gruppentänzerin mit dem fordernden Bauern-Pas de deux aus „Giselle“ erstmals solistisch ins Rampenlicht trat, war sie sofort die Hoffnungsträgerin für den zu dieser Zeit im Gegensatz zur stark besetzten Männer-Riege etwas dünn gesäten Nachwuchs virtuoser Ballerinen. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich die damals 19Jährige auf Spitze bewegte, sämtliche kniffligen Positions-Abfolgen federnd leicht in Balance hielt und dabei ganz natürlich aus sich heraus wirkte, machte Staunen und gleichzeitig begreifbar, warum nach dem letzten öffentlichen Vortanzen in Stuttgart im Jahr 2009 für sie ein Extra-Elevenvertrag geschaffen wurde. Das herausragende Talent der kleinen Spanierin mit der Pony-Frisur wurde sofort und spätestens bei diesem fordernden Pas de deux auch vom Publikum erkannt.

Die Anfänge

Spezielle künstlerische Gene waren ihr seitens der Familie nicht in die Wiege gelegt worden, auch wenn ihre beiden Drillings-Schwestern heute beruflich im musikalischen Unterhaltungs-Sektor tätig sind und ihr Vater, ein Architekt, Hobbymusiker ist. Früh wurde die Mutter auf Elisas enorme Beweglichkeit und Elastizität aufmerksam, weshalb sie sie – auch als sinnvolle Freizeitbeschäftigung – in den Gymnastik-Unterricht schickte. Dazu gehörten u.a. einige Ballettstunden, die Elisa als einziger Teilnehmerin so viel  Spaß bereiteten, dass sie sich für eine Ballettausbildung am Conservatorio Profesional de Danza in ihrer Heimatstadt Valencia entschieden hatte. Aufgrund der begrenzten Möglichkeiten, in Spanien einem breiteren Ballett-Repertoire zu begegnen, bewarb sie sich 2008 beim Prix de Lausanne, in der Hoffnung ein Stipendium  für die Fortsetzung ihrer Ausbildung im Ausland zu erhalten.

Mit einer Schatten-Variation aus „La Bayadere“ und einer Variation aus John Neumeiers „Cinderella“ schaffte sie es bis ins Halbfinale und gewann tatsächlich ein Stipendium, das ihr die Wahl zwischen gleich vier renommierten Ballettschulen ermöglichte. Aufgrund des Angebots der Royal Ballet School für ein ganzes Schuljahr entschied sie sich für London, machte dort im Sommer 2009 ihren Abschluss und ging sodann zu dem bereits erwähnten Vortanzen nach Stuttgart, das ihr Raphael Darder, ihr Lehrer in der Ballettschule in Valencia als ehemaliger Absolvent der Cranko-Schule empfohlen und viel von John Crankos Wirken und vom Stuttgarter Ballett vorgeschwärmt hatte.

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Die klassische Ballerina – hier als Kitri in „Don Quijote“. Copyright: Stuttgarter Ballett

Der schnelle und steile Aufstieg

Nach der Eleven-Spielzeit 2009/10 erklomm Elisa die Hierarchie-Schritte kontinuierlich im Jahresrhythmus bis zur frühen Ernennung zur Ersten Solistin mit Beginn der Saison 2013/14. Angesichts dieses schnellen Aufstiegs erstaunt es umso mehr, dass sie sich während der ganzen Jahre an der Ballettschule in Valencia gar nicht als professionelle Tänzerin gesehen hatte, obwohl ihr das Ballett im Vergleich zum Gymnastik-Unterricht sogar als befreiender in den Bewegungen erschienen war. Erst die wesentlich strengeren Bedingungen an der Royal Ballet School machten ihr bewusst, das Ballett als Berufung und damit auch sich selbst viel ernster zu nehmen.

Zu ihrem schnellen Aufstieg hat neben dem schon erwähnten außergewöhnlichen Bewegungstalent ihre frühe Verantwortung als Eleven- und Corps de ballet-Tänzerin beigetragen, war doch entgegen sonstigen Gepflogenheiten aufgrund ihrer geringen Körpergröße ihre Position von Anfang an in der ersten Reihe, weshalb sie sich als Vorbild für die hinter ihr platzierten Kolleginnen fühlte. Die ersten solistischen Einsätze in Crankos „Initialen R.B.M.E.“ und Wayne McGregors „Yantra“ stärkten ihre Sicherheit und ließen ihre Fähigkeit erkennen, bei den größten technischen Herausforderungen Ruhe und Authenzität in den Emotionen zu wahren, etwas aus der Musik und dem choreographischen Charakter heraus intuitiv zu gestalten.

Kaum war sie 2011/12  zur Halbsolistin avanciert, wurde ihr als 19Jähriger die Doppelhauptrolle in „Schwanensee“ anvertraut. Dabei hatte sie bei der Ankündigung der Wiederaufnahme der Cranko-Choreographie maximal mit einem der Solo-Schwäne gerechnet, ja sich zunächst sogar überhaupt nicht als Schwan gesehen. Das Ergebnis war im Kontrast zwischen weich fließenden Linien der Odette und lustvoll lockender Attacke der Odile sowie ihrer wie selbstverständlich doppelt gedrehten 32 Fouettés eines der großen unvergesslichen Ereignisse beim Stuttgarter Ballett. Ihr erfahrener Prinzen-Partner Marijn Rademaker hat sicher auch dazu beigetragen, dass sie dieses Debut ohne jegliche erkennbare Anspannung auf die Bühne zaubern konnte. Der inzwischen in Amsterdam tanzende Holländer war auch ihr Onegin beim Rollendebut als Tatjana auf einer Gastspielreise des Stuttgarter Balletts, während die Stuttgarter Premiere noch aussteht.

Zentrale Rolle und ideale Partnerschaft

Die zentrale Rolle ihres Repertoires, mit der sie inzwischen weltweit (u.a. Japan, England, Italien und Spanien) gastiert hat, folgte sodann ein gutes halbes Jahr später, zu Beginn der Saison 2012/13 mit der lange erwarteten Wiederaufnahme von „Don Quijote“ in der fürs Stuttgarter Ballett geschaffenen Neufassung von Maximiano Guerra. Als Kitri vereint sie alle Attribute, die mit dieser Bravour-Partie von Natur aus verbunden sind. Untrennbar zu diesem Erfolg, der Begeisterungsstürme von selten gewordener Intensität ausgelöst hatte, gehört ihr Partner Daniel Camargo, weil sich beider Eigenschaften in allen Belangen von der perfekt und scheinbar grenzenlos beherrschten Virtuosität klassischer Ballett-Technik bis zum entwaffnend natürlichen Temperament und Spieltrieb auf demselben Spitzen-Niveau decken. Traumpaare des Balletts im reiferen Stadium hat es in der Geschichte immer wieder gegeben, aber im Alter von damals gerade mal 20 Jahren bedeutete es schon etwas Besonderes. Kein Wunder, dass von da ab bis zum unerwartet frühen Abschied Camargos im Frühjahr 2016 immer wieder auf diese Partnerschaft gesetzt wurde. Nicht nur in Handlungsballetten, auch in Pas de deux-Klassikern wie  Crankos „Hommage à Bolshoi“ und „Aus Holbergs Zeit“ sowie bei Gastspielen u.a. in „La Bayadere“.

Leichter Zugang zu Neuem

Von Choreographen-Seite aus wurde das besondere Potenzial der beiden schon früh erkannt, so hat der heutige Hauschoreograph Demis Volpi für sie den Pas de deux „Little Monsters“ als Beitrag zum renommierten Erik Bruhn-Wettbewerb in Toronto geschaffen und die Preis-Gewinnung ganz sicher auch der herausragenden Qualität des Tänzerpaars zu verdanken, die obendrein für ihren zusätzlich präsentierten großen Pas de deux aus „Don Quijote“ den Publikumspreis kassiert hatten. Solch eine Auszeichnung betrachtet Elisa verständlicherweise als besonders wertvoll. Volpi hatte sie aufgrund ihrer hervorstechenden Spitzen-Flexibilität inzwischen mehrfach für die Hauptrolle seiner Stücke erkoren, darunter das abstrakte „Big Blur“ (2011), die Kantorka in „Krabat“ (2013) und zuletzt die Salome (2016). Auch in der Gestaltung eines so krasse und perverse Züge aufweisenden Charakters wie der Oscar Wilde-Prinzessin schaffte es Elisa ohne Affektiertheiten auszukommen und sich wie selbstverständlich damit zu Recht zu finden. Wie ein Schwamm versucht sie bei der Vorbereitung möglichst viele Informationen, Details zu sammeln und darüber zu diskutieren, um sich in die Rolle hinein versetzen zu können. Was im Studio bei den Proben noch eine gewisse Überwindung kosten mag, spätestens auf der Bühne bereiten ihr Grenzen sprengende Fakten keine Zugangs-Probleme mehr.

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Die moderne Ballerina – hier als Salome in Demis Volpis gleichnamigem Ballett. Copyright: Stuttgarter Ballett
 

Natürlichkeit in allen Disziplinen

Nicht nur in diesen für sie kreierten Partien, auch in den beiden John Neumeier-Werken als Desdemona in „Othello“ und Stella in „Endstation Sehnsucht“ oder in so mancher abstrakten Choreographie wie z.B. von William Forsythe oder Douglas Lee outete sie sich als gleichfalls ideale moderne Ballerina. Ihre Wandelbarkeit zwischen einer Virtuosenrolle wie Aurora in „Dornröschen“ oder der Titelfigur in „Giselle“, die sie außer in Stuttgart auch jüngst bei einem Gastspiel beim English National Ballet in London vorgestellt hat, und die – wie sie extra betont – beide eine enorme Selbstkontrolle zur Wahrung der Linie erfordern, und der viel Spielfreiraum bietenden Lena in „Leonce und Lena“ ist bestechend und von selten so ausgeprägter  leichter Hand, als wäre alles die natürlichste Sache der Welt. Und bei einem besonders zur Überzeichnung verlockenden Charakter wie der Katharina in „Der Widerspenstigen Zähmung“ hat sie sich soweit in der Hand, künstlich erzeugte Komödiantik zu vermeiden, nicht zu sehr über die Strenge zu schlagen.

So normal und gerade dadurch ins Volle treffend sie ihre Partien ausfüllt, so offen und unverstellt wirkt sie im persönlichen Gespräch. Und lässt dabei eine Bescheidenheit, auch eine Unaufgeregtheit spüren, die sie im Leben genauso sympathisch macht wie im Rampenlicht. Und darüber hinaus bewundernswert für ihre bei allem vorhandenen Temperament bewahrte Ruhe im Umgang mit den größten Herausforderungen. Dazu passt auch ihre Maxime „day by day“ oder anders gesagt „Eins nach dem Anderen.“ Im Hinblick auf ihr schon in einem frühen Tänzeralter auffallend großes Repertoire, wozu auch Neoklassiker wie Balanchine, van Manen, Kylian oder Bigonzetti gehören,  sind weitere Rollenwünsche obsolet. Es kommt was kommt!

Udo Klebes, März 2017

 

 

 

 

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