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Eleonore Büning: WARUM GEHT DER DIRIGENT SO OFT ZUM FRISEUR?

06.10.2020 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

Eleonore Büning
WARUM GEHT DER DIRIGENT SO OFT ZUM FRISEUR?
Antworten auf die großen und kleinen Fragen der Musik
224 Seiten, Benevento Verlag, 2020

Man muss natürlich nichts über Musik wissen, um sie zu genießen und zu erleben. Aber man freut sich darauf, etwas zu erfahren. Und wenn man „sich erzählen lässt, zusammenhört, zusammen liest“, wie es in diesem Buch heißt, dann hat man noch um einiges mehr vom Wunder Musik.

Dass dergleichen auch hochgradig unterhaltsam sein kann, zeigt Eleonore Büning. Und obwohl manche elektronische Verfahren zum Leserverhalten behaupten, niemand lese Musikkritiken – man kennt sie ja doch, hat sie immer wieder in der A-Klasse des deutschen Feuilletons gefunden und ihre Ausführungen interessiert gelesen und genossen.

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat man ihr 2015 die Kolumne „Fragen sie Eleonore Büning“ eingeräumt. Und es gibt nichts, worauf sie nicht kundig und witzig zugleich Antwort weiß – egal, wie schräg die Frage ausfällt. Nun sind 58 ihrer Kolumnen unter dem griffigen Titel „Warum geht der Dirigent so oft zum Friseur?“ zwischen Buchdeckeln erschienen. Und das ist wahrlich ein Lesegenuß.

Dabei beantwortet sie echte Fragen, die ihr gestellt wurden, und einige muten, gelinde gesagt, manchmal seltsam an („Sollte man im Regen singen?“). Aber der Autorin fällt aus der Fülle ihres Wissens und ihrer Erfahrungen immer etwas Kluges auch zu dummen Fragen ein.

Zum Beispiel zur Frage des Titels – gehen Dirigenten zu Friseuren? Natürlich. Schließlich sind sie die einzigen Künstler, die dem Publikum die meiste Zeit den Rücken und damit auch ihren Hinterkopf zuwenden. Wenn da noch Haare sind, ist eine flotte Fönfrisur nicht zu verachten. Und ja, wenn man es sich so überlegt (auf ihren Vorschlag hin): Hat der „markenzeichenhafte Schopf“ von Herbert von Karajan (der sich auch so gut karikieren ließ) nicht tatsächlich etwas mit seinem Image zu tun? Natürlich!

Die Fragen schreiten die Musikwelt in voller Breite aus– es kann ebenso um Instrumente gehen (Warum kiekst das Horn?) wie um Musiktheoretisches, das man ohnedies schon immer wissen wollte (Wie lang darf eine Fermate sein?). Reales aus dem Musikbetrieb (Warum müssen sich Musiker verbeugen? was zu sehr interessanten Überlegungen führt – nämlich zu letztem „zeremoniellen“ Verhalten) oder auch Entwicklungsgeschichtliches (Warum gibt es so wenige Dirigentinnen? Da erfährt man, dass man Simone Young mit so einer Frage auf die Palme bringen kann.)

Über Komponisten (War Richard Strauss ein Feminist? Nein, wunderbare Frauengestalten machen noch keinen ideologischen Feministen) und über deren Spezialitäten (Was bedeutet das Hum-ta-ta bei Verdi? Ja, das hat man sich auch schon gefragt).

Natürlich geht es auch um Sänger (Was hat das hohe C, was das hohe D nicht hat? Da kann man über Pavarottis Kunststücke nachlesen) über ewige Fragen (Warum regen sich die Leute über neue Musik auf? Angeblich tun sie es nicht mehr, und da möchte man der Autorin nicht ganz recht geben).

Die klassischen dummen Fragen (Was machen Musiker eigentlich tagsüber? Wie wär’s mit üben, üben, üben?) und noch dümmere, auf die man eigentlich nicht käme (Wieso fangen zu Weihnachten alle plötzlich mit dem Singen an? Da gerät die Autorin über das miserable CD-Angebot an „Weihnachtsmusik“ in Wut.) Man kann Heikles sachlich beantworten (Was finden Homosexuelle an der Oper so toll?) und Schwieriges klug (War die Zwölftonmusik ein Holzweg?).

Und manchmal, ja manchmal wird die Autorin ziemlich ironisch, etwa wenn sie die Antwort auf Warum muss ein Wagner die Wagnerfestspiele leiten? gibt. Weil sie nichts anderes gelernt haben, meint sie, und sonst arbeitslos wären. Und weil Richard Wagner zwar seine Liebe zu Hunden an viele seiner Nachkommen vererbt hat, aber keinem sein Genie. Oder, wie Karl Kraus über Siegfried Wagner sagte: „Nie erbt so ein Kerl das Talent, und immer die Nase.“ Was die Frage, zu der Eleonore Büning noch einiges einfällt, eigentlich schon beantwortet…

Die Autorin kann übrigens auch harsch werden, etwa zum Thema Dürfen Stardirigenten Privatjet fliegen? Karajan hat nicht gefragt, ob er darf, aber das waren auch andere Zeiten. Wenn Klaus Florian Vogt zwischen Bayreuther Vorstellungen zwischendurch immer mal schnell in der Privatmaschine nach Hause in den Norden fliegt, hat sie im Zeiten von Umweltverschmutzung und Klimawandel allerdings gar kein Verständnis dafür…

Wenn die Fragen gar zu abstrus werden und man es eigentlich gar nicht wissen will (Warum essen die Hessen Handkäs mit Musik?) kann man ja weiter blättern. Das ist auch ein klassisches „Nachtkastl-Buch“, man nimmt es her und liest nach Lust und Laune die eine oder andere Ausführung. Man unterhält sich immer. Und lernt auch noch etwas dazu. Darum ist es auch ein optimales Geschenk für echte Musikfreunde.

Renate Wagner

 

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