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Elena Taddei: ANNA CATERINA GONZAGA

26.05.2022 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Elena Taddei
ANNA CATERINA GONZAGA
ERZHERZOGIN VON ÖSTERREICH, LANDESFÜRSTIN VON TIROL UND KLOSTERSTIFTERIN 200 Seiten, Tyrolia Verlag,  2021 

Das Haus Habsburg warf die Netze seiner Heiratsbeziehungen in alle Richtungen aus. Die Fürstenhäuser von Italien waren schon zur Zeit von Kaiser Ferdinand I., dem Bruder von Karl V., gefragte Ziele. Der Kaiser verheiratete nicht weniger als drei Töchter dorthin – zu den Medici nach Florenz, den Este in Ferrara und den Gonzaga in Mantua.

Erzherzogin Eleonore sollte als Gattin von Guglielmo III. Gonzaga ihre Tochter Anna Caterina Gonzaga (1566 – 1621) wieder an ihre Habsburgische Familie zurück schicken – als Gattin ihres Bruders (!!!), Erzherzog Ferdinand III, von Tirol (1529-1595), der durch seine morganatische Ehe mit Philippine Welser auch der Nachwelt noch bekannt ist – und der 37 Jahre älter war als seine 16jährige Braut, mit der er nun endlich „standesgemäß“ heiratete.

Diese zweite Gattin, die ihre „Pflicht“ versäumte, einen Sohn für die „Tiroler Linie“ der Habsburger zu gebären, steht völlig im Schatten der alles überstrahlenden Philippine Welser. Dabei war sie, wie die in Südtirol geborene habilitierte Historikerin Elena Taddei in ihrer ausführlich recherchierten Biographie beweist, eine sehr interessante Frau.

Sie kam von einem überaus kunstsinnigen Hof in Mantua in einen ähnlichen in Innsbruck – ihr Gatte galt neben Kaiser Rudolf II., seinem Neffen, als der kenntnisreichste Sammler seiner Zeit. In Schloß Ambras erregten nicht nur seine Gemälde und die Kunst- und Wundersammlung, sondern auch seine Bibliothek Bewunderung. Und Anna Caterina war eine Frau, die Kultur zu schätzen wusste. Das einzige, woran sich die neue Gattin  in Innsbruck gewöhnen musste, war die deutsche Sprache und Umgebung, die ihr aufgezwungen wurden, indem sie keine italienischen Damen in ihren großen Hofstaat behalten durfte.

Die Ehe mit dem alten Onkel wurde durchaus glücklich, nur problematisch durch die drei Töchter (die Söhne aus der Ehe mit Philippine Welser wurden zwar ausgezeichnet versorgt, zählten aber nicht zur Habsburgischen Familie).

Die erste Tochter starb, die zweite war krank und verkrüppelt (wie übrigens auch der Vater von Anna Caterina), nur die dritte, die 1585 geborene Anna, konnte am Ende noch optimal verheiratet werden – mit Matthias, jenem Bruder von Kaiser Rudolf II., der („Ein Bruderzwist in Habsburg“) diesen absetzte und selbst Kaiser wurde. So wurde Anna Caterina noch Mutter einer Kaiserin, die allerdings selbst kinderlos blieb.

Anna Caterina war mit 29 Jahren noch jung, als ihr Gatte starb, weigerte sich aber, eine weitere Ehe einzugehen, wurde – extrem fromm, wie sie war – zur Klostergründerin in Innsbruck, wo sie mit ihrer zweiten Tochter bis zu ihrem Tode lebte.

Es gibt viel zu erzählen, wobei die Autorin auf eine Form zurück greift, die von Historikern im allgemeinen nicht mehr verwendet wird – im Sinn von Ernst Kantorwicz spricht sie von den Theorien über die „zwei Körper“, was besonders bei Herrschern zum Tragen kommt. Neben ihrem ganz persönlichen Leben als individueller (und sterblicher) Mensch ist hier auch von einem „politischen“ und als solchen unsterblichen Körper die Rede. Es geht dabei um die Zugehörigkeit zu größeren Einheiten – im Fall von Anna Caterina um jene zu ihrer Gonzaga-Familie (die Verwandtschaft wird so ausführlich dargestellt wie der dortige Hof) ebenso wie um die der Habsburg-Familie. Zugehörig ist sie aber auch der Religiosität, für die sie – ihre Privilegien nützend – Außerordentliches leistete und dem von ihr gegründeten Kloster, in dem sie nach dem Tod des Gatten lebte, auch in weltlichen Dingen vorstand.

Als Fachgebiete der Autorin werden auch Kulturtransfer genannt, weshalb man ausführlich erfährt, wie nicht nur kostbare Geschenke (u.a. auch Pferde) zwischen Mantua und Innsbruck ausgetauscht wurden, sondern vielfach auch besondere Nahrungsmittel (inklusive die Wurst-Spezialitäten). Desgleichen ist Elena Taddei auch in Medizingeschichte versiert, so spürt sie (auf die zahllosen Briefe zurück greifend, die Anna Cateria auf Italienisch mit ihrer Familie wechselte) auch den durchaus tragischen Krankheiten der Tiroler Landesfürstin nach, die lang und breit besprochen wurden. So litt sie seit ihrer Kindheit an Wassersucht, später auch an quälenden Zahnschmerzen (wofür sie aus Mantua extra Mittel erbat) und Augenentzündungen. Möglicherweise hat sie religiöse Rituale übertrieben – von 40stündigem (!) Beten ist die Rede, wie es in Mantua offenbar gepflegt wurde.

Andere Sonderthemen werden neben der Abfolge der Biographie besprochen, etwa, dass Anna Caterina (wie vor ihr ihre ähnlich selbständige Mutter Eleonora) sehr viel gereist ist, auch allein, nicht nur zu Kuraufenthalten, auch zu Besuchen bei ihrer Tochter und Verwandten. Das Leben von fürstlichen Witwen war so wenig leicht wie das anderer Frauen, die keinen männlichen Beistand mehr hatten, darum stand – neben anderen Klostergründungen –jenes „Regelhaus“, in dem sie selbst lebte, auch anderen Witwen offen.

Ihre Frömmigkeit war so groß, dass gleich nach ihrem Tod huldigende Biographien erschienen, die auf ihre Selig- bis Heiligsprechung hinarbeiteten, indem sie die praktische Entschlusskraft dieser Frau zu  Gunsten ihrer „Heiligkeit“ hintanstellten. Um einen solchen Prozeß in Rom einzuleiten, hätte man (wie stets) viel Geld an den Vatikan überweisen müssen, und dafür fand sich niemand bereit – auch nicht für die Mutter einer Kaiserin.

Anna Caterina, die in ihrer Eigenschaft im Kloster den Beinamen Juliana führte, wurde in dem von ihr begründeten Servitenkloster begraben. Dank der vielen Fragen über die Biographie hinaus, die die Autorin stellt, ist hier ein überaus lebendiges Bild über fürstliches Leben im 16. / 17.  Jahrhundert entstanden.

Renate Wagner

 

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