Heide Stockinger (Hs,)
“GLÜCK, DAS MIR VERBLIEB”
EIN ERICH WOLFGANG KORNGOLD-LESEBUCH
230 Seiten, Böhlau Verlag, 2022
Man kann eigentlich nicht sagen, dass Erich Wolfgang Korngold (1897-1957) vergessen ist – zumindest seine „Tote Stadt“ steht vielerorts auf den Opernspielplänen, und auch am Buchmarkt gibt es einiges Monographisches und einen Band mit Familienbriefen zu ihm. Dennoch hat die in Oberösterreich tätige Journalistin Heide Stockinger die Absicht, mit diesem „Lesebuch“ (ein ähnliches hat sie für Franz Lehar heraus gegeben) den Bekanntheitsgrad des Komponisten „zu erhöhen“. Jedenfalls besticht der vorliegende Band durch eine Menge von historischem Bildmaterial.
Tatsächlich nähert sich das aus zahlreichen Einzelaufsätzen bestehende Buch Korngold von vielen Seiten und mit vielen Autoren: Dirigentin Simone Young schrieb das Vorwort, sie hat in Australien erst Korngolds Hollywood-Filmmusik kennen- und schätzen gelernt. Korngolds Enkelin Kathrin Hubband Korngold, selbst Musikerin, die heute den Nachlass betreut, war drei Jahre alt, als ihr Großvater starb. Die ganze Familie war in den USA geblieben, wohin die Korngolds rechtzeitig emigrieren konnten.
Neben der Familiengeschichte der Korngolds (der bedeutende Vater, der Musikkritiker Julius, bis zu den Korngold-Söhnen) ist das Porträt der Gattin Luzi Korngold (Enkelin des einst so berühmten Burgschauspielers Adolph von Sonnenthal) interessant, die von 1924 bis zu seinem Tod glücklich mit Erich Wolfgang verheiratet war. Hier ist ein ausführliches Interview abgedruckt, das sie in Hollywood gegeben hat und wo sie Persönliches offenbart (das allerdings auch nicht neu ist, man hat es schon im Briefband gelesen). Unter der Unfreundlichkeit ihres Schwiegervaters hat sie schwer gelitten – und was ihren Gatten am meisten schmerzte, war die Ablehnung, die ihm nach dem Krieg in Österreich entgegen schlug. Man spielte zwar einige seiner Werke (darunter die Oper „Die Kathrin“ an der Volksoper), aber zum Bleiben forderte ihn niemand auf…
Einzelne Artikel befassen sich mit einzelnen Aspekten von Korngolds kompositorischen Schaffen, das überaus reichhaltig ist. Oskar Panagl schreibt über die Lieder, auch seine Versuche in der Operette und seine Instrumentalmusik werden ausführlich behandelt, nicht jedoch das, was am bekanntesten geblieben ist – seine Opern.
Private Aspekte gibt es unter dem Motto „Sommerfrische“ – immerhin war Erich Wolfgang Korngold, der als viel bewundertes „Wunderkind“ begonnen hatte (seine ersten Operneinakter wurden von dem Neunzehnjährigen ! uraufgeführt), auch finanziell erfolgreich genug, um 1933 das Schloß Höselberg bei Gmunden zu erwerben. Ein Zeitungsausschnitt kündet lapidar von der Enteignung durch die Nazis. Das Haus wurde nach dem Krieg restituiert, aber die Korngolds haben nicht mehr hier gewohnt.
Korngold hatte eine hoch erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem seinerseits ebenso erfolgreichen Regisseur Max Reinhardt begonnen, die ihn für die Musikbetreuung von dessen „Sommernachtsfilm“ erstmals nach Hollywood brachte. Dort war er auch, als Österreich „angeschlossen“ wurde, und die Korngolds konnten seine und ihre Eltern in die Emigration nachholen. Korngold war mit seiner rauschenden Klangfülle genau der Mann, den Hollywood benötigte, er komponierte zahlreiche Filmmusiken, zweimal gab es für ihn den „Oscar“. (Der Frack, den er bei dieser Gelegenheit getragen hat, wird in der Wiener Musikakademie ausgestellt…)
Nach dem Krieg nicht ganz vergessen (sowohl die Volksoper spielte schon in den sechziger, die Staatsoper in den achtziger Jahren die „Tote Stadt“), waren es doch die Salzburger Festspiele 2004, die mit ihrem Schwerpunkt auf Exil-Musik auch Korngold in den Vordergrund rückten. Allerdings war er (möglicherweise aus Angst vor seinem dominierenden, extrem konservativen Vater) nie ein „Neutöner“ gewesen, was ihn beim Publikum beliebt, bei der Kritik verdächtig machte. Dennoch, keine Frage – die „Tote Stadt“ wird sich, schon wegen ihrer attraktiven Hauptrollen, im Repertoire halten.
Renate Wagner