Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DÜSSELDORF: FESTLICHE OPERNGALA FÜR DIE DEUTSCHE AIDS-STIFTUNG

Düsseldorf: Festliche Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung am 16.03.2013

Eingang und Foyer des Opernhauses waren in symbolträchtiges Rotlicht getaucht. Fernsehanstalten standen bereit. Naturgemäß ist das nicht jedem lieb.  Letztlich dient eine solche Gala aber einem wesentlich handfesteren Zweck, nämlich der Beschaffung von Liquidität für gewisse Interessenverbände, die darauf in Zukunft natürlich nicht verzichten möchten. Außerdem trifft sich bei diesen Gelegenheiten die Schickeria der Landeshauptstadt, sodaß die ortsansässigen Geschäftsleute ihre Angebotspalette hervorragend präsentieren können. Am nachhaltigsten machte davon die bekannte Juwelierkette Bucherer Gebrauch. Für eine Spende von gerade einmal 40.000 € erkaufte sie sich gewissermaßen einen Laufsteg. Die weiblichen Solistinnen wurden als Mannequins für die Vorführung des Schmucksortiments eingesetzt, wobei allein Alisa Kolosova Werte von über einer Million Euro am Körper und zur Schau trug.

Nach einer geschickten Einführung durch den Generalintendanten der DOR, Christoph Meyer, übernahm die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und hielt eine rhetorisch geschliffene, inhaltlich allerdings mit einer übermäßigen Herausstellung der eigenen Verdienste befrachtete Rede. Sodann übernahm Klassikradio-Moderator Holger Wemhoff die Führung durch den Abend und das mit höchster Kompetenz sowie sprühendem Witz, sodaß kaum jemand bemerkt haben dürfte, daß er gelegentlich den Namen des folgenden Solisten anzusagen vergaß. Mit diesem Moderator gehen die Düsseldorfer gegenüber der Kölner Konkurrenz deutlich in Führung.

Am Pult stand GMD Axel Kober. Überraschend spielten die Duisburger Philharmoniker und nicht die Düsseldorfer Symphoniker. Ein Qualitätsunterschied besteht allerdings nicht. Derartiger Aufgaben entledigen sie sich souverän. Allerdings machte Kober eine etwas steife Figur, sobald Wemhoff oder einer der Solisten versuchte, ihn in die „Show“ einzubeziehen. Nicht jeder ist halt ein darstellerisches Talent.

Die Vielzahl der Sänger (elf!) und der vorgetragenen Stücke (mit Zugabe zweiundzwanzig!) zwingt zu einer Beschränkung auf die Besprechung der wesentlichen Er-eignisse. Unter diesem Aspekt ist primär Stargast Olga Peretyatko zu nennen. Sie suchte sich mit der Arie „O luce di quest’anima“ aus Donizettis LINDA Di CHAMONIX ein Stück aus, mit dem sie durch Spitzentöne in der dreigestrichenen Oktave brillieren konnte. Es fragt sich allerdings, ob sie sich nicht besser für Lucias Wahnsinnsarie oder „Ah non giunge“ aus SONAMBULA entschieden hätte, denn diese Stücke kennt das Publikum. Außerdem sang sie Olympias Couplet und das mit einer darstellerischen Brillanz, dass das Publikum hingerissen war. Hier mußte übrigens Kober tatsächlich persönlich eingreifen und die „Puppe“ aufziehen. Als herausragend zu nen-nen ist weiterhin die Bulgarin Sonya Yoncheva (im Herbst Lucia in Paris), deren Charme und darstellerische Präsenz selbst in einer konzertanten Darbietung unglaublich sind. Mit der Arie „Prendi per me“ der Adina und dem folgenden kleinen Duett mit Nemorino sowie Rosalindes Fledermaus-Arie „Klänge der Heimat“ verstand sie es, das Auditorium voll und ganz für sich einzunehmen.

Der eigentliche Höhepunkt des Abends war ein völlig überraschender. Die jüngste Interpretin (der Altersschnitt der Damen lag zwischen siebenundzwanzig und dreiunddreißig) war mit gerade einmal siebenundzwanzig Jahren die Met-Debütantin Pretty Yende aus Südafrika. Der Rezensent möchte diese junge Sängerin ohne Einschränkung als Sensation bezeichnen. Da ist nichts zu hören von dem typisch negroid-gutturalen Timbre. Im Gegenteil: Die Stimme ist flexibel, hat ein schönes Timbre, und die Spitzentöne perlen. Die von ihr demonstrierte Belcanto-Technik in der Arie der Adele „En proie à la tristesse“ aus LE COMTE ORY erinnerte an die junge Caballé.

Die Mezzosopranistin Alisa Kolosova wagte sich an Arsaces große Arie aus SEMIRAMIDE und bewältigte deren schwierige technische Anforderungen solide. Sie sang noch Orlofskys „Ich lade gern mir Gäste ein“, machte dabei auf „beschwipst“ und vermittelte den Eindruck, daß sie diesem Fach stimmlich trotz ihrer Jugend schon entwachsen ist.

Am auffälligsten unter den Herren war Lado Ataneli mit der Escamillo-Arie, in der er ungemein forcierte. Wenn man aber gehofft hatte, wenigstens er sei in der Lage, die extremen Höhen und Tiefen zuverlässig zu bewältigen, wurde man enttäuscht. In der Tiefe mußte er arg drücken. Sodann präsentierte er noch eine neapolitanische Kanzone in einer Art und Weise, als handele es sich um eine „Brüllpartie“ aus dem deutschen Fach. Von den übrigen Herren fiel nur noch der Brasilianer Atalla Ayan auf, der über prächtiges Material verfügt, aber ebenfalls dazu neigt, stilistische Feinheiten durch Lautstärke untergehen zu lassen. Das gilt sowohl für sein „Che gelida manina“ als auch für eine im zweiten Teil gesungene Zarzuela-Romanze. Jedenfalls fällt die Prognose nicht schwer, daß man von diesem Tenor in Zukunft noch viel hören wird, fraglich nur in welchem Fach. Mit dabei waren noch die englische Sopranistin Anna Stephany, der französische Tenor Jean-Francois Borras, der italienische Bariton Mario Cassi und der usbekische Bariton Dmitri Vargin.

Zum Abschluß versammelten sich die Mitwirkenden wie üblich zum „Libiamo“, das recht stimmungsvoll geriet und von Peretyatko und Yoncheva dominiert wurde, wobei letztere sich nach Empfinden des Rezensenten in etwas unkollegialer Weise in den Mittelpunkt drängte. Die Anderen nahmen es mit Toleranz. Die übliche Zugabe war eine Wiederholung des „Libiamo“, schade eigentlich, denn im Ensemble waren einige hochkarätige Interpreten, von denen sich der eine oder andere auch für ein Duett oder eine ganz persönliche Zugabe hätte entscheiden können. Kober und sein Orchester haben genug Routine, um in solchen Momenten zu improvisieren.

Klaus Ulrich Groth

 

 

Diese Seite drucken