DÜSSELDORF: Nun will ich jubeln“ – Richard Strauss: Die Frau ohne Schatten – Wiederaufnahmepremiere Rheinoper Düsseldorf 7.4.2012
Foto: Hans-Jörg Michel
Rheinopern-GMD Axel Kober hatte großen Grund in Baraks Schlußjubel mit auszubrechen, spielte „sein“ neuer Orchestergraben Karsamstag während der Wiederaufnahme von Strauss großer Märchenoper „Die Frau ohne Schatten“ in Joosten/Leiackers glückloser, uninspirierter, aber für das Zweistädteinstitut recht praktikabler Ausstattung doch eine wesentliche Hauptrolle. Sprechen die Dresdner – Meister Wagner zitierend – über ihre Staatskapelle gerne von ihrer „Wunderharfe“ so sind die Düsseldorfer Symphoniker nun mit großen Schritten dabei, dieses Siegel von der Elbe an den Rhein zu holen. Die DüSys zeigten sich aber auch in bester Geberlaune, folgten ihrem Opernprinzipal allzu willig. Kober präferiert einen duftig luziden Klang, den er mit dem freien Orchestergraben aber auch aufs Trefflichste erzielen kann. Von solch einer Durchsichtigkeit und Klarheit wurde man dieser grandiosen Partitur selten anhörig. Ohne in Detailverliebtheit zu verfallen zisilierte Kober die Schönheiten des Strauss’schen Opulenzklangs heraus und man meinte manches Motiv, manche Phrase völlig neu zu hören. Von atemberaubender Schönheit des Klangs drangen die Soloviolinenstellen im delikaten Strich des Konzertmeisters Juraj Cizmarovic ans Ohr und das süße Violinenvitriol, das sich in die goldenen Klangkaskaden des Lebenswassers aus Harfenarpeggi und Celestamelismen mischte, ließ der Kaiserin Entscheidung, sich diesem süßen Gebräu zu entsagen, wohl auch leichtfallen. Einer der absoluten Höhepunkte war auch wieder das grandiose Cellosolo, dargeboten von Doo-Min Kim, das des Kaisers Falkenmonolog einleitete. Des Raubvogels Vorhalte in seinem aufbäumenden Klagerruf hörte man bis dato auch nicht in solcher Perfektion und Schönheit. In idealen Tempi floss die Aufführung kurzweilig dahin. Kober war seinem Sängerensemble stets ein gnädiger Begleiter, nur in den Zwischenspielen ließ er den bombastischen Tondichter Strauss zu Wort kommen. In den Gesangspartien setzte er auf absolute Textverständlichkeit. Schade nur, dass es mit der Koordination zwischen Graben und dem im Haus verteilten Chor wieder unüberhörbar. im Argen stand. Die Nahtstellen klafften inzwischen doch recht gewaltig. An der Einstudierung (Gerhard Michalski) lag es nicht, sondern es war wohl mal wieder ein leidiges technisches Problem, von dem zu hoffen bleibt, dass man es im Laufe der Aufführungsserie (angesetzt sind noch drei weitere Aufführungen) noch beheben wird.
Wie grandios die Leistung aus dem Graben auch war, gesanglich blieb die Aufführung leider hinter den Erwartungen zurück und das sehr schütter besetzte Haus bekam nur eine solide Repertoireaufführung zu Gehör. Eine Sängerin allerdings überstrahlte mit ihrer mehr als souveränen Leistung das Ensemble: Linda Watson als Färberin. Es ist eine Wonne, ihre Entwicklung gerade dieser Partie zu erleben, die sie sich immer mehr zu eigen macht. Sympathisch ist ihre Interpretation, die weit entfernt ist vom Rollenklischee der Strauss’schen Parodie auf des Komponisten Gattin Pauline als keifender Hausdrachen. Bei Linda Watson ist die Färbersfrau eine zutiefst unglückliche – um es neudeutsch zu sagen, gefrustete – Frau, die sich ihrem doch im Innern sehr geliebten Gatten gegenüber nur nicht artikulieren kann. In der „dritthalb Jahr“ währenden Beziehung haben sich die beiden, wahrscheinlich auch wegen der beziehungstötenden Umstände, auseinandergelebt. Watson spielt das ergreifend und macht es uns nicht schwer mit dieser Frau miztuleiden. Ihrem dramatischen Sopran versagt sie die wagnersche Heroinenattitüde, damit trifft sie den spezifischen Strauss’schen Kammerton. Darüber hinaus ist ihre Textverständlichkeit bei dieser komplexen Partie frappierend; brava! Ihr Bühnengatte Tomasz Konieczny stand neben ihr etwas blass da und man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Konieczny, der zuerst gar nicht für die April-Serie vorgesehen war, noch etwas Vorbereitungszeit bedurfte.
Keikobad schickte diesmal einen seiner stimmgewaltigsten Boten aus: Stefan Heidemann ließ als Geisterbote den Bannfluch mit einem Wotandonnerwort auf das Haupt der gebeutelten Amme niederprasseln. Auch bei ihm ist eine erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen. Schade nur, dass man, wenn man seinen Göttervater hören möchte, einen weiten Weg vom Rhein in den hohen Norden nach Lübeck auf sich nehmen muß, denn die Rheinopernleitung setzt lieber auf Gastverpflichtungen, denn auf eigene Hauskräfte.
Wobei man beim gerade amtierenden Herrscher eine Ausnahme machte: Ensemblemitglied Corby Welch debütierte als jagender Verliebter. Der junge Mozarttenor, der sich an seinem Stammhaus immermehr das jugendlich dramatischen Tenors erarbeitet, ließ vor allem bei senem Auftritt im ersten Aufzug aufhorchen. Unprätentiös im lyrischen Liedton erklangen da die Jagd- und Reisepläne des Kaisers. In solch erhabener Schönheit vorgetragen, kann man nicht anders, als die ganz großen Vorgänger seines Fachs zu bemühen. Wenn Welch in dieser Konsequenz an sich weiterarbeitet, hat er alles Zeug dazu, der Franz Völker unserer Tage zu werden. Leider fehlte ihm in den expressiven Phrasen des Falkenmonologs noch ein Quentchen Impetus und er hatte Mühe sich gegen das Orchester durchzusetzen, was aber größtenteils auch der unseligen Positionierung auf der Treppe in schwindelnder Höhe anzulasten ist. Sein Herz aus Kristall zerbrach hingegen wieder im Schönklang des perfekt tenoralen Aufschreis und leuchtete auch noch in den Ozeanwogen des finalen Ensembles.
Problematisch war leider die Begegnung mit Morenike Fadayomi als Kaiserin. Die große Sängerin sollte sich inzwischen wirklich Gedanken machen, welchen Fachweg sie einschlagen will. Die ständigen Salomes, der Ausflug in die tiefen Gefilde einer Carmen, die Neueinstudierung der Senta sind nicht spurlos an ihrer Stimme vorübergegangen. Lange Zeit lag an diesem Abend ein seltsamer Schleier auf ihrem Organ. Manche Phrase im ersten Aufzug und vor allem die Traumsequenz im Zweiten konnte nur mit mühvollem Anschleifen von unten genommen werden, wir wollen nicht hoffen, dass sie sich eine walisische Heroine zum Vorbild nimmt… Erst nachdem die Kaiserin sich von der Amme getrennt hat, lief die Fadayomi wieder zu alter Form auf. Das Melodram gelang ihr wieder erschütternd.
Mit der Amme hat die Amerikanerin Susan McLean ihre beste Rolle, aber auch sie hatte im ersten Aufzug noch Anlaufschwierigkeiten, konnte sich aber im Verlauf des Abends noch steigern. Grandios ihre Ausaeinandersetzung mit Kaiserin und Bote. Iryna Vakula verlieh dem Falken den Klagelaut ihres schönen runden Soprans, so wie Iulia Elena Surdu den Lebenswassertrank mit glockenreiner Kantilene anpries. Von fast belcantistischer Schönheit befreite das homogene Brüdertrio (Bruno Balmelli – Einäugiger; Timo Rühonen – Einarmiger & Johannes Preißinger – Buckliger) ihre Rollen vom Klischee der keifenden Rüpelbande. Bleibt noch Manfred Fink zu erwähnen, der aus der Gasse dem Jüngling mit seinem noch immer perfekt sitzenden Tenor die verführerische Stimme lieh.
Nach der fulminanten orchestralen Leistung am Karsamstag darf man wahrlich gespannt sein auf zukünftige große Sträusse und Wagneraufführungen.
Dirk Altenaer