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DÜSSELDORF/ Deutsche Oper am Rhein: OPER AM RHEIN FÜR ALLE

OPER AM RHEIN FÜR ALLE am 27.06.2014

Ziel des seit fünf Jahren amtierenden Intendanten der DOR, Christoph Meyer, ist es, die Oper „unters Volk“ zu bringen, will sagen Musiktheater auch bildungsferneren Schichten nahezubringen. Dazu diente auch der besprochene Abend. Es handelte sich um eine Art Gala-Abend, für den es der Vorsitzende des Freundeskreises gegenüber dem Intendanten auf den Punkt brachte („Sie sind für die künstlerischen Dinge zuständig, wir bezahlen!“). Das hatte zur Folge, dass mit José Cura und Emily Magee zwei große Namen verpflichtet werden konnten. Ergänzt wurde das halbe Dutzend der Solisten durch vier Ensemblemitglieder der DOR. Die Veranstal­tung wurde auf den Düsseldorfer Burgplatz übertragen, wo sie etliche Tausend  Zu­schauer anlockte, die sich aber bedauerlicherweise im Dauerregen wiederfanden.

Als besonderer Magnet für das opernfremde Volk war der WDR-Moderator Götz Als­mann (tatsächlich Honorarprofessor der Universität Münster für Popularmusik!) ver­pflichtet. Für Leser, die nicht ständig fernsehen: das ist der Mann aus „Zimmer frei“ mit der aufgetürmten Haartolle. Während er in jener TV-Produktion doch eher als Lachnummer herüberkommt, erwies er sich am besprochenen Abend als exzellenter Entertainer, flitzte zwischen Opernhaus und Burgplatz während der Gesangsnum­mern hin und her, moderierte einmal da, einmal dort, war humorvoll, unglaublich prä­sent und vermittelte dem Publikum die Operninhalte in absolut unterhaltsamer Weise. Am Rande des guten Geschmacks waren allenfalls zwei Seitenhiebe, die der Körper­fülle von Emily Magee galten. Andererseits muß jeder, der sich öffentlich und/oder in den Medien präsentiert, auch diesbezügliche Kritik vertragen, zumal es in jeder­manns eigener Hand liegt, einfach disziplinierter zu essen.

Bleiben wir sogleich bei der hochdotierten Sopranistin. Wer kennt diese ehemals wunderbare Stimme mit dem dezenten Vibrato nicht? Bedauerlicherweise war davon am besprochenen Abend wenig übrig. In allen Lagen setzte ein Tremolo (von beginnendem Tremolo kann man schon nicht mehr sprechen) ein, das entweder auf eine nicht mitgeteilte Indisposition zurückzuführen war oder befürchten läßt, die Stimme könnte durch die Dauerbelastung im schweren Fach überfordert worden sein. Beson­ders deutlich wurde das in „Ebben te“ aus Catalanis LA WALLY“. Zudem sang sie Duette mit Cura aus LA FANCIULA DEL WEST und OTELLO. Im letzteren Fall fiel negativ auf, dass diesem grandiosen Liebesduett jede Erotik fehlte. Da war die So­pranistin mit einer „Walkürenfigur“ einerseits, und da war der  Argentinier in „Räuberzivil“ andererseits. Das paßte überhaupt nicht. Nun muß man Cura zugeste­hen, daß sein Aufzug (heraushängendes graues Freizeithemd mit offenem Kragen, Freizeithose) neben den Frackträgern außerordentlich deplaziert wirkte. Im Rahmen seines ersten Auftritts mit „Vesti la giubba“ aus dem PAGLIACCI glaubte man noch, das sei ein beabsichtigter Kunstgriff, zumal Cura ein Darsteller par excellence ist und selbst auf dem Konzertpodium eine solche Arie noch szenisch ausspielt. Als er je­doch selbst nach der Pause die Kleidung nicht gewechselt hatte, konnte man sich durchaus fragen, ob das nicht – gelinde gesagt – eine Unhöflichkeit war.

Letztlich sieht man diesem fantastischen Sängerdarsteller dann aber doch alles nach. Ein trompetenhaft geschmettertes „Esultate“ und eine angemessen zurückge­nommene Stimme im Liebesduett ebenso wie das absolut stilsichere spätere Auf­trumpfen mit Caveradossis „E lucevan le stelle“ und schließlich seine Zugabe boten das, was man von ihm erwartet. Hier sang er ein „Nessun dorma“ vor auf der Bühne versammeltem Ensemble und faszinierte wieder mit seinem unglaublichen Selbstbe­wußtsein. Während andere Tenöre der letzten Phrase mit ihren vertrackten Höhen entgegenzittern, spielte er seine Partnerin, den Dirigenten und sogar das Orchester an, wanderte dabei über die Bühne und plazierte schließlich ein „Vincero“, dass das Publikum vor Begeisterung kaum noch zu bremsen war. Bei Cura ist das eigentlich Eindrucksvolle das Gesamtpaket: eine großartige Stimme (wenngleich der Register­wechsel zwischen Mittel- und oberer Lage etwas eigentümlich klingt), sichere Spit­zentöne, darstellerisch eindrucksvolles Potential und das bereits erwähnte unerschüt­terliche Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten. Es fiel zudem auf, daß er sich noch während des ihm geltenden Jubels dem Orchester zuwandte, der Ersten Violine gra­tulierte, den Dirigenten umarmte und dem Chor zuwinkte. Das alles kommt bei den Tutti-Ensembles sehr gut an. Andererseits macht es sich nicht unbedingt gut, wäh­rend des Applauses dem Publikum den Rücken (bzw. das Hinterteil) zuzuwenden. In gewisser Weise erinnern diese Verhaltensschemata an die Eigenheiten eines Franco Bonisolli, der allerdings seinerseits nie in Freizeitkleidung aufs Konzertpodium ge­kommen ist.

Das Ergebnis war, dass ein zufriedener Startenor und fünf frustrierte Kollegen zurück­blieben, weil ihnen die erhoffte Aufmerksamkeit nur sehr bedingt zuteil wurde. Dabei hätten einige deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient, als ihnen tatsächlich zukam. Mit dem erst zweiunddreißigjährigen Rumänen Bogdan Baciu hat die DOR einen exzellenten Stilisten gewonnen. Er sang zusammen mit der gleichermaßen jungen Russin Maria Kataeva das Figaro/Rosina-Duett und demonstrierte neben einer ele­ganten Gesangslinie ein schönes Timbre und seine vokale Fexilibität. Kataeva ver­fügt über einen fülligen und hörenswerten Mezzo, müßte allerdings noch ein wenig an der Koketterie für die Figur der Rosina arbeiten. Eröffnet hatte den Abend der russische Bariton Boris Statsenko mit Tonios Prolog, forcierte aber unentwegt. Das tut seiner Stimme nicht gut und kostet Präzision. Es ist auch gar nicht nötig, weil man dieses Stück nicht durchgängig forciert singen muß, sondern es durchaus auch mit einer kultivierten Gesangslinie (wie z.B. Cappuccilli es forgeführt hat) interpretieren kann. Statsenko sang später noch Scarpias „Te Deum“. Hier muß sich der Bariton gegen Chor und Orchester durchsetzen, sodaß es durchaus positiv ist, wenn er dazu die notwendigen Kraftreserven einsetzen kann. In der bereits erwähnten ersten Sze­ne aus OTELLO war noch der Tenor Ovidiu Purcel beteiligt. Ihm hatte die Direktion aber überhaupt kein eigenes Stück zugestanden. Bleibt noch Brigitta Kele mit Ned­das „Vogellied“ zu erwähnen. Sie ist an der Ungarischen Staatsoper ebenso wie an der Rheinoper eine geschätzte Mimi oder Violetta. Bei ihrem Auftritt wirkte sie an die­sem Abend aber nervös, relativ unsicher, und mit ihrer altbackenden Gestik (rechter Arm in die Luft gestreckt, linker Arm in die Luft gestreckt, beide Arme hochgestreckt) vermittelte sie nicht gerade den Eindruck von Souveränität, obwohl sie diese Partie schon manches Mal gesungen hat. Schade, denn der Rezensent hat sie schon deut­lich überzeugender gehört. Es war sehr bedauerlich, daß ihr ebensowenig wie Katae­va und Baciu ein zweites Stück oder wenigstens eine Beteiligung an einer Zugabe ermöglicht wurde.

Ja, und da war auch noch ein Dirigent, der sängerfreundlich und flexibel leitende Bayreuth-Debütant Axel Kober mit den Duisburger Philharmonikern (nicht den Düsseldorfern – die DOR hat gleich zwei Sinfonie-Orchester für die Operndienste zur Verfügung), welche allerdings nicht in jeder Nuance sauber musizierten. Den Chor hatte Gerhard Michalski einstudiert. Der Chor kam bei seinen Einsätzen aber über eine Begleitfunktion nicht hinaus. Schade eigentlich, denn man hätte ihm eine größe­re Aufgabe, z.B. den Summchor aus „Madama Butterfly“ gegönnt.    

Klaus Ulrich Groth

 

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