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DRESDEN/Semperoper: LA DIRINDINA von Giovanni Battista Martini – Premiere

05.03.2012 | KRITIKEN, Oper

Opernrarität an der Semperoper in Dresden: „La Dirindina“ von Giovanni Battista Martini (Premiere: 4. 3. 2012)


Christa Mayer in der Titelrolle mit Aaron Pegram, der ihren Gesangslehrer gab (Foto: Matthias Creutziger)

 Wie im Vorjahr wartet die Semperoper in Dresden auch in dieser Spielzeit mit einer barocken Opernrarität auf: „La Dirindina“ von Giovanni Battista Martini (in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln). Das etwa einstündige,  mit 1737 datierte Intermezzo, dessen Text von Girolamo Gigli stammt, dürfte für ein Privattheater komponiert worden sein, sind doch keine Aufführungen in öffentlichen Theatern bekannt.

 Giovanni Battista Martini (1706 – 1784) wurde Padre Martini genannt, nachdem er 1722 in den Minoritenorden eingetreten war. Er widmete sich bald ausschließlich der Musik und wurde 1725 Kapellmeister der Franziskanerkirche in seiner Geburtsstadt Bologna, wo er mit seinen Kompositionen die Aufmerksamkeit auf sich zog. Er gründete das Liceo Musicale di Bologna, jene Musikschule, in der sich auch der junge Wolfgang Amadeus Mozart in Kontrapunkt unterweisen ließ. Martini galt als bedeutender Pädagoge und Musiktheoretiker, viele Komponisten (u. a. Martin y Soler, Gluck, Jommeli, Grétry) suchten bei ihm Rat, Johann Christian Bach zählte zu seinen Schülern.

 Die Handlung von „La Dirindina“: Don Carissimio erscheint zur Gesangsstunde bei seiner Schülerin Dirindina, die aber nicht auf seinen Besuch eingestellt ist. Statt Stimmübungen hat sie den attraktiven Liscione im Kopf, was den eifersüchtigen Gesangslehrer zur Weißglut treibt. Davon unbeeindruckt, erklärt Dirindina, von ihm die Kunst des Singens, aber nicht die des Lebens erlernen zu wollen. Als Liscione Dirindina die Nachricht überbringt, sie solle zu einem hohen Honorar in Mailand singen, will Don Carissimo sie in die Ferne begleiten. Doch Dirindina lehnt ab, sie werde ohne ihren Lehrer gehen. Carissimo kocht vor Wut. – Liscione hat erkannt, dass Dirindinas hübsche Augen der Schlüssel zu ihrem Erfolg sind und weissagt ihr, dass man sich um sie scharen und mit Geld und Schmuck beschenken werde. Selbstverständlich würde ein Anteil davon auch für ihn abfallen. Da Dirindina aber augenscheinlich noch ein paar Grundlagen der Bühnenkunst fehlen, setzt Liscione eine Probe mit ihm als Lehrmeister an. Unbemerkt von beiden, belauscht Don Carissimo das Szenenspiel, missversteht es jedoch. Er greift ein, um Dirindina zu beschützen und einen Skandal abzuwenden. Die überraschte Dirindina wird überwältigt und übermannt – ein Ausgang mit Schrecken? Fragt sich nur, für wen…

 An der Semperoper wurde das vom Komponisten Farsetta per musica bezeichnete Werk – in Dresden mit dem Untertitel Die Dilettanten-Diva versehen – mit Musik von Niccolò Jommelli (Piccola Sinfonia in Es-Dur), John Kander (Money, Money aus dem Musical Cabaret)und Georg Friedrich Händel (Stille amare aus der Oper Tolomeo, Re d’Egitto) angereichert.

 Alexander Brendel inszenierte das Intermezzo temporeich und gekonnt als Farce, wobei er den Darstellern einiges abverlangte. Den „gattungsfremden Einschub“ erklärte er in einem Interview, das im sehr informativen Programmheft abgedruckt ist: Die zwei Teile von „La Dirindina“ benötigen unterschiedliche Räumlichkeiten, und so haben wir uns entschlossen, um diese Trennung zu unterstreichen, mittig eine zusätzliche Nummer einzubauen: Es ist „Money, Money“ aus der Verfilmung des Musicals „Cabaret“, die Grundsätzliches unserer Inszenierung verdeutlicht: Kombiniert mit dem Traum von der großen Gesangs-Karriere ist der Griff nach den pekuniären Sternen: ein Wunsch, dass vor allem viel Profit herausspringt. Jeder für sich und doch vereint – so finden sich Liscione, Don Carissimo und Dirindina gemeinsam auf der Jagd nach dem schnellen Geld wieder.

 Die Bühne – wie bei „Il tutore“ im Vorjahr vor dem Vorhang der Semperoper als Minitheater aufgebaut – war ziemlich vollgeräumt (Bühnenbild: Arne Walther), was der Situationskomik dieser Inszenierung jedoch zugutekam. Die zeitlos wirkenden Kostüme entwarf Frauke Schernau.

 In der Titelrolle als „Dilettanten-Diva“ konnte die Altistin Christa Mayer alle Register ihres Könnens ausspielen. Sowohl stimmlich wie darstellerisch, wobei sie in den Szenen mit dem attraktiven Liscione auch auf erotischer Ebene einiges zu bieten hatte. Dieser wurde vom rumänischen Countertenor Valer Barna-Sabadus souverän gespielt und mit samtener Stimme gesungen. Der amerikanische Tenor Aaron Pegram als Gesangslehrer und väterlicher Financier Don Carissimo überraschte mit turnerischen Fähigkeiten, die an Zirkusakrobatik grenzten. Beeindruckend seine schauspielerische Leistung, großartig seine Wut-Arie als Eifersüchtiger.

 Die Tanzgruppe – fünf Damen, ein Mann (Jiři Sieber mimte überdies während des Vorspiels einen Liebhaber Dirindinas) – parlierte einige Male als Mannequins über die Bühne und trieb als Gesangsschüler mit ihrem Lehrer einen ulkig-erotischen Spaß, ehe sie im Mittelteil zum Musical-Schlager Money, Money ihre Tanzkünste – choreographiert von Mandy Garbrecht, die selbst die Beine schwang – zum Besten gab. 

 Das neunköpfige Orchester „Capella Sagittariana Dresden“ mit einem Gast am Schlagzeug wurde von Felice Venanzoni, der an der Semperoper als Coach für das Junge Ensemble der Semperoper engagiert ist, umsichtig und einfühlsam geleitet, wobei er selbst am Cembalo spielte.

 Das Publikum, das sich an den spaßigen Darbietungen der Darsteller ergötzte und auch nicht mit Szenenbeifall geizte, applaudierte am Schluss allen Mitwirkenden und dem Leadingteam minutenlang. Gratulation der Intendanz der Semperoper, dieses sehens- und hörenswerte Drei-Personen-Intermezzo der Vergessenheit entrissen zu haben.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

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