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DRESDEN/ Semperoper. VOM "MESSESCHLAGER" BIS ZUR "WEISSEN ROSE"

Dresden / Semperoper: SEMPER SOIREE – VOM „MESSESCHLAGER“ BIS ZUR „WEISSEN ROSE“ – 26.2.2015

 

Der Titel klingt heiter, aber das war nur die eine Seite dieses Abends mit Ausschnitten aus größeren Werken und Liedern von Komponisten, die im „Osten“ Deutschlands lebten und arbeiteten und bis zur politischen Wende im Jahre 1989 die Musikkultur bereicherten. Einst populär und auch im Ausland beachtet und aufgeführt, sind sie jetzt nahezu vergessen.

 Sie diesem Vergessen zu entreißen, hatten sich Sängerinnen und Sänger der Semperoper, ältere und auch viele jüngere, die diese Zeit gar nicht erlebt haben konnten bzw. aus dem Ausland kommen, zusammengefunden, um unter der Leitung von Johannes Wulff-Woesten, Studienleiter der Semperoper (außerdem gefragter Klavierbegleiter, Dirigent, Komponist und musikalischer Assistent und Solorepetitor bei den Bayreuther Festspielen) viele verborgene musikalische „Schätze“ wieder in Erinnerung zu bringen. Durch die im Allgemeinen sehr gute Interpretation wurde die Bedeutung dieser Komponisten einer  relativ kleinen, aber interessierten Anzahl von Musikfreunden erst (wieder) bewusst.

 Das sonst bei den Soireen so zahlreich erscheinende Publikum zeigte offenbar wenig Interesse. Es blieben viele Plätze frei, vermutlich, weil damals die Komponisten von der Bevölkerung als „konform“ betrachtet wurden – völlig zu Unrecht – wie sich herausstellte, denn auch sie wurden zu jener Zeit (vorwiegend zum Schein) hofiert, aber in der Realität nicht nur wegen der berühmt/berüchtigten „Formalismus-Debatte“ nicht selten gemaßregelt.

 So musste auch in der Oper „Die Verurteilung des Lukullus„, einem Antikriegsstück von Brecht/Weill vieles geändert werden. Darin wird der römische Feldherr Lukullus, der nicht nur als Gourmet bekannt ist, als Sinnbild des Kriegsverbrechers u. a. vom Fischweib, weil er ihr ihren Sohn genommen hat, angeklagt und vom „Totengericht“ verurteilt. Die „Klage des Fischweibs“ brachte Angela Liebold, die den Abend mit einem Lied von Kurt Schwaen (1909-2007) und einem (Pseudo-)“Altrussischen Volkslied“ dem „Wiegenlied“ mit einem Text von Fidelio F. Finke. innig, mit sanfter, dunkel timbrierter, ausdrucksvoller Stimme eröffnet hatte, feinsinnig und erschütternd zu Gehör – in starkem Kontrast dazu Jürgen Müller mit kraft-, aber nicht gerade klangvollem Tenor als Lukullus.

 Sehr ernste Töne und tiefe Nachdenklichkeit vermittelte auch eine Szene aus der Oper „Die Weiße Rose“ von Udo Zimmermanns (*1943) zum Gedenken an die Hinrichtung der Geschwister Scholl, berührend gesprochen und gesungen von Nadja Machantaf.

 Ein perfekter Chor aus den 5 Sängerinnen und 6 Sängern sorgte für entsprechende Vielfalt mit Lothar Voigtländers (1943) “Am Ende des Regenbogens“ und Paul Dessaus „Bitten der Kinder“. Wann hört man schon einmal einen so konformen Chor aus 11 Solisten mit ihren unterschiedlichen Timbres? Wenn er von Wulff-Woesten geleitet wird.

 Bei der gut durchdachten Programmgestaltung standen vor allem Lieder mit viel bedeutenden Texten im Mittelpunkt, die die Vielseitigkeit des kompositorischen Schaffens in dieser Zeit unter diesen Bedingungen verdeutlichten, gesungen von Sängerinnen und Sängern der Semperoper, am Klavier ausgesprochen einfühlsam und damimt mitgestaltend begleitet von Wulff-Woesten und mitunter auch Akkordeon (Christopher Bruckmann), kein Widerspruch, wie man meinen möchte, sondern ein interessantes Miteinander.

 Ute Selbig bewies in ihrer Vielseitigkeit, dass sie nicht nur große Operngestalten und bewegende Oratorienpartien in sehr eindrucksvoller Weise und auf sehr hohem Niveau dem Publikum nahe bringen kann, sondern zunächst mit 3 Liedern: „Lasst uns ein wenig von dem holden Frühling träumen“ von Karl-Rudi Griesbach (1916-2000), „Liebeslied“ von Jürgen Golle (*1942) und „Ode an das verzauberte Licht“ von Wilhelm Weismann (1900-1980), dass sie auch eine sehr beeindruckende Liedinterpretin ist, bei der es keine Schwierigkeiten zu geben scheint. Mit ihrer schönen, ausdrucksvollen Stimme schaffte sie scheinbar mühelos und dazu noch klangschön bei letzterem selbst die schwierige Höhe nach gewagten Intervallsprüngen.

 Zwei weitere Lieder von Weismann, aus „Zwölf Lieder und Balladen aus ‚Des Knaben Wunderhorn‘, “ sang Matthias Henneberg mit kräftiger,  klarer Stimme und exakter Wort- und Tonbehandlung.

 Von Andre Asriel (*1922) sang Carolina Ullrich drei (relativ kurze) Lieder aus „Acht Liebeslieder“ sehr eindrucksvoll. Lieder scheinen ihre Stärke zu ein. „Auf dem Bauarbeiterball“ hieß es dann bei Tilmann Rönnebeck, der ein weiteres Lied von Asriel mit humorvoll-kritischem Text von Peter Hacks beisteuerte, und mit wieviel überlegenem Humor und flexibler, wohltuender Stimme! Wulff-Woesten sang die „bedeutungsvollen“ Worte „War’s schön?“ im „Duett“ dazwischen – auch das kann er. Er ist eben sicher in allen Stilrichtrungen.

 Siegfried Matthus (*1934), dessen Oper „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ anlässlich der Feierlichkeiten zur Wiedereinweihung der Semperoper vor 30 Jahren uraufgeführt wurde, war mit einem Duett aus „Noch einen Löffel Gift, Liebling“, bei dem Franz Liszts „Liebestraum“ unverkennbar „Pate gestanden“ hat, vertreten, charmant interpretiert von Barbara Senator, die zuvor von Paul Dessau (er hat auch Lieder geschrieben) „Die Kellerassel“ (Text: Berthold Brecht) „kredenzte“, – und wieder Jürgen Müller.

 Nach der Pause wurde es noch heiterer und sehr beschwingt. Manche Opernsängerin oder ‑sänger überraschte als „umwerfendes“ Operetten- oder „Musicaltalent“ in Ausschnitten aus der weltweit erfolgreich gespielten Kultoperette „In Frisko ist der Teufel los“ des nunmehr 100jährigen Guido Masanetz (*1914) und vor allem dem, an die Tradition der alten Schlager anknüpfenden Musical „Mein Freund Bunbury“ frei nach Oscar Wilde, das damals „um die Welt“ ging und aus „Messeschlager Gisela“ von Gert Natschinski (*1928). Eine kleine „Combo“ aus Violine, Saxophon, Kontrabass und vielseitig eingesetztem Schlagzeug begleitete die „Stars“.

 Die Überraschung dieses Teils war auch hier wieder Ute Selbig. Sie bewies, dass sie „neben“ ihren beeindruckenden Opernrollen „so ganz nebenbei“ auch über ein beachtliches Operetten- und Musical-Talent verfügt und mehr als überzeugend singend und elegant tanzend, auch für die heitere Muse „wie geschaffen sei“. Ebenfalls in ganz anderen Rollen, als gewohnt, präsentierten sich auch Barbara Senator, Nadja Mchantaf, Angela Liebold und Carolina Ullrich sehr überzeugend.

 Während Tilmann Rönnebeck seine kraftvolle, dunkle Stimme und seine Wandlungsfähigkeit souverän einsetzte, blieben Sebastian Wartig, Simeon Esper und Timoty Oliver trotz passender Gesten doch manches schuldig. Bei dem Terzett „Die Zwangseinweisung“ aus „Frisco“ war manches mehr zu ahnen als zu hören. Operette und Musical sind eben doch nicht „so ganz nebenbei zu machen“.

 Der interessante und vielseitige Abend war – neben einigen ausgezeichneten Darbietungen – in seiner guten Gestaltung vor allem Johannes Wullf-Woesten mit seiner immer wieder beeindruckenden Vielseitigkeit und seinem Können auf sehr vielen Gebieten zu danken.

 Ingrid Gerk

 

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