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DRESDEN/ Semperoper: KONZERT GUSTAV MAHLER JUGENDORCHESTER

Dresden/Semperoper: JUBEL UM DAS GUSTAV MAHLER JUGENDORCHESTER – 26.8.2013


Das Orchester unter Philippe Jordan

 Es ist eine schöne Tradition, den Saisonauftakt in der Semperoper mit einem Konzert des Gustav Mahler Jugendorchesters zu begehen. Während die Sächsische Staatskapelle Dresden bei den Bayreuther Festspielen ein Gastkonzert gab, hatte die Jugend Gelegenheit, an traditionsreicher Stätte, in der Semperoper, aufzutreten und ihr Können zu zeigen. Sie erwies nicht nur dem Haus ihre Reverenz, sondern auch dem Jubilar des Jahres, Richard Wagner, und eröffnete ihr Programm mit der Ouvertüre zu „Rienzi“, die am Dresdner Opernhaus uraufgeführt wurde und Wagner zum Durchbruch als Komponist verhalf.

 Das groß besetzte Orchester spielte unter der Leitung von Philippe Jordan, der in Dresden kein Unbekannter ist (er dirigierte hier „Tosca“) und mit Beginn der Spielzeit 2014/15 Chefdirigent der Wiener Symphoniker wird, in relativ raschem Tempo, mit viel Elan, Temperament und energischem Schlagzeug-„Getöse“ (wie es im jugendlichen Überschwang öfters vorkommt). Letzteres und fast marschähnliche Rhythmen erinnerten hier aber mehr an ein unbedarftes „Ritterspiel“ als an die „Große tragische Oper“, wie Wagner seinen „Rienzi“ bezeichnete. Ganz so locker hatte er es sich wohl doch nicht vorgestellt!

 Für Maurice Ravels „Klavierkonzert G Dur“ wurde das Orchester merklich verkleinert. Es begleitete dann sehr dezent mitgestaltend und harmonierte gut mit dem Klavierpart, den kein Geringerer als Jean-Yves Thibaudet übernommen hatte, ein Meister seines Faches. Mit traumwandlerisch sicherem, perlendem und besonders klangvollem Anschlag spürte er äußerst feinfühlig und ausdrucksvoll der Musik Ravels nach. Er beherrscht die gerade richtige Balance zwischen Feinheit und Ausdrucksstärke und bewältigte den anspruchsvollen Solopart nicht nur bravourös, sondern konnte ihn auch geistig durchdringen und so den Hörern nahebringen, dass er zu einem nachhaltigen Erlebnis der Ravel-Interpretation wurde.

 Für den überaus begeisterten Applaus wurde das Publikum mit einer besonderen Zugabe belohnt. Dirigent und Pianist setzten sich gemeinsam ans Klavier, um noch einmal Ravel – diesmal vierhändig – zu spielen.

 Träumerisch und feinfühlig hatte auch die Harfe ihre solistischen Passagen dargeboten – wie aus fernen Sphären – leise, fein und dennoch jeder Ton klar wahrzunehmen. Einfühlsam und oft leise verschwebend beteiligte sich auch das Orchester mit seinen guten Streichern und exakten Bläsern an dem guten Gesamteindruck, bis ein jäher, lauter Paukenschlag in diese gefühlvolle Feinheit abrupt einbrach und ins nüchterne Diesseits zurückführte.

 Sowohl bei der „Rienzi“-Ouvertüre, als auch bei Ravel hatte man immer wieder den Eindruck, dass der Schlagzeuggruppe etwas mehr Einfühlungsvermögen ins Gesamtkonzept gut täte. Es muss nicht immer die äußerste Grenze der möglichen Lautstärke erreicht werden. Vielmehr kommt es auf den Charakter einer Komposition, die Absicht des Komponisten und den Gesamteindruck an. Hier ist das richtige Maß wichtig und weniger manchmal mehr.

 Bei Dmitri Schostakowitschs „Synphonie Nr. 5 d Moll“ (op. 47) war es dann ganz anders. Hier stimmte einfach alles, die Streicher, die zwei, sehr feinsinnigen Violinsoli der 1. Konzertmeisterin (Yulia Kopylova), die Deckungsgleichheit der Kontrabässe, die Harfe(n), die sehr sauberen Bläser mit einem wunderbaren Horn, die gute Abstimmung aller Instrumente und Instrumentengruppen untereinander und miteinander und sogar die Schlaginstrumente, die ihrer Aufgabe hier sehr gut gerecht wurden.

 Es war nicht zu überhören, dass hier eine besonders gute Vorbereitung vorausgegangen war. Hier fügte sich alles homogen in ein sehr gutes Gesamtkonzept ein, von sehr zarten Klängen in lyrischen Episoden mit ausgewogenem Klang bei verhaltener innerer Wehmut und manchmal auch leiser Hoffnung bis hin zum gewaltigen Hereinbrechen äußerer Gewalt und Bedrohung, unter deren Einwirkungen Schostakowitsch zeitlebens litt (Terror der Stalinzeit).

 Ganz besonders gelang in dieser Hinsicht der eindrucksvolle 4. Satz in edler Musizierweise mit behutsamem Ausklang, bis wieder die Pauke gewaltsam hereinbrach, diesmal aber unbedingt stimmig, denn hier verlangt es das Werk, von dem Schostakowitsch sagte: „Was in der Fünften vorgeht, sollte meiner Meinung nach jedem klar sein. Der Jubel ist unter Drohungen erzwungen. […] So als schlage man uns mit einem Knüppel und verlange dazu: Jubeln sollt ihr! Jubeln sollt ihr! Und der geschlagene Mensch erhebt sich, kann sich kaum auf den Beinen halten. Geht, marschiert, murmelt vor sich hin: Jubeln sollen wir, jubeln sollen wir.[…].“

 Es war eine Wiedergabe von erstaunlicher Reife, geistig durchdrungen und exzellent ausgeführt. Jordan leitete alles mit nicht übertriebenen Gesten und zielgerichteter Zeichengebung, die den jungen Musikern die Impulse gab und sie zu großartigen Leistungen anregte. Er bestimmte maßgeblich das Geschehen im Orchester und sorgte für die geistige Aneignung, insbesondere bei Schostakowitsch.

 Auch hier gab es eine Zugabe: die Ouvertüre zu den „Meistersingern“. Damit schloss sich der Kreis, auch bei der Jugend war – zumindest in diesem Konzert – Wagner das A und O, Alpha und Omega, Anfang und Ende des Musizierens, was will man im Wagner-Jahr mehr?

 Ingrid Gerk

 

 

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