Dresden / Semperoper: KLAVIER-REZITAL RADU LUPU – 16. 4. 2014
Ein sehr gern gesehener Gast in Dresden ist seit seinen beiden solistischen Auftritten bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden (6.12.2013, Gläserne Manufaktur und 4.3.2014, Semperoper) mit zwei, exzellent gespielten Klavierkonzerten von W. A. Mozart (A‑Dur, KV 488 und B‑Dur, KV 595) und dem 4. Klavierkonzert von L. v. Beethoven, der rumänische Pianist Radu Lupu, der mit der Staatskapelle unter Thielemann auch bei der gemeinsamen Europa-Tournee als Solist auftrat. Jetzt begeisterte er erneut Alt und Jung mit seinem „Klavier-Rezital“, mit dem er seine Dresdner Residenz als Capell-Virtuos der Saison 2013/2014. beschloss.
Er ist einer der beeindruckendsten Musiker unserer Zeit und genießt in der Klavierszene Kultstatus, obwohl (oder vielleicht auch weil) er sich seit etwa 20 Jahren weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Umso erfreulicher war sein erneutes Auftreten.
Mit den von Robert Schumann 1839 verfassten „Kinderszenen“ (op. 15), die weniger für Kinder als vielmehr für Erwachsene über Kinder gedacht sind und die wohl mancher unter den Zuhörern im Saal selbst auf dem heimischen Klavier gespielt hat, eröffnete Lupu eine eigene Welt. Diese kleinen Kunstwerke, die er mit seinem weichen, sehr feinnervigen, klingenden Anschlag, der selbst in kraftvollen Passagen keine Härten zulässt, spielte, erschienen in einem neuen, erhellenden Licht. Er spielte scheinbar entspannt wie „in einer stillen Stunde“ und ließ diese kleinen Szenen plastisch vor unserem inneren Auge entstehen, viele kleine Welten, energievoll, unternehmungslustig oder sanft, je nach Inhalt und Charakter der Stücke.
Für einen Musiker seiner Generation ist es selbstverständlich, ohne Noten zu spielen, um sich ganz auf das zu konzentrieren und verinnerlicht wiederzugeben, was er gerade spielt. Das kam auch in den weniger bekannten „Bunten Blättern“ von Schumann zum Ausdruck, von denen er „Drei Stücklein“ und die Nrn. 1‑11 aus den „Albumblättern I – V“ ausgewählt hatte. Gefühlvoll und grazil, zuweilen auch kernig und temperamentvoll spielte er diese feinen Miniaturen mit einer großen Bandbreite an Ausdrucksnuancen und wurde jedem einzelnen Stück in schönster Weise gerecht. Als Abschluss brachte er Nr. 14, den „Geschwindmarsch“ mit seinen damals wie heute ungewohnten, aber interessanten Tonkombinationen zum klingen.
Ganz versunken in seine musikalische Gedankenwelt brachte er als „Krönung“ des Abends die „Sonate A‑Dur“ (D 959) von Franz Schubert in seiner ureigenen, ganz persönlichen Interpretationsart zu Gehör, mit sanften, lyrischen Passagen, perlenden Läufen und auch expressiven Momenten in einer ungeheuer breiten Ausdrucksskala.
Sein Klangverständnis scheint nach innen gerichtet. Es scheint, als spiele er nur für sich, als vertiefe er sich ganz in das Stück und die Geisteswelt des Komponisten und lässt die Anwesenden („nur“) zuhören. Seine Pianissimi sind so feinsinnig und leise, und trotzdem noch mühelos wahrnehmbar, dass man nur gebannt lauschen kann. Ganz in sich gekehrt, erscheint er als starke, intelligente Musikerpersönlichkeit mit unglaublicher Meisterschaft bei fast stoischer Nachdenklichkeit, alles andere als vordergründig oder virtuos und doch so beindruckend, ein Musiker mit unspektakulärem Auftreten und großem Können.
Das begeisterte Publikum entließ ihn erst nach einer Zugabe, einem „Impromptu“ von Franz Schubert.
Ingrid Gerk