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DRESDEN/ Semperoper: GUNTRAM von Richard Strauss. Konzertant im Rahmen der Strauss-Ehrung

24.02.2014 | KRITIKEN, Oper

Dresden / Semperoper: „GUNTRAM“ – KONZERTANT“ IM RAHMEN DER RICHARD-STRAUSS-EHRUNG – 23.2.2014  Pr.

Unbenannt
Omar Meir-Wellber. Foto: Semperoper

 Gedenkjahre haben den Vorteil, dass einmal das gesamte Oeuvre eines Komponisten im Fokus der Öffentlichkeit steht. In diesem Jahr ist es Richard-Strauss, der anlässlich seines 150. Geburtstags noch größere Beachtung findet, als ohnehin schon üblich. Strauss hatte ein besonderes Verhältnis zu Dresden. 9 seiner 13 Opern sind hier uraufgeführt. Die Uraufführung des „Rosenkavalier“ wurde zu einer Sensation. Der „Guntram“, sein Opernerstling, wurde aber nach der freundlich aufgenommenen Uraufführung 1894 am Weimarer Nationaltheater, wo er aber nach einigen Vorstellungen wieder abgesetzt wurde, vom  Münchner und Dresdner Publikum nicht sonderlich begeistert aufgenommen. Erst 1940 gab es erneut einen Versuch in Weimar, die vom Komponisten radikal gekürzte Partitur wiederaufzuführen, doch das Werk ist auch jetzt noch eine „Rarität“ in den Spielplänen der Opernhäuser.

 Nach der glanzvollen „Elektra„-Premiere (19.1.2014) an der Semperoper war man nun gespannt auf den konzertanten „Guntram“. Das Libretto, wie bei Wagner, von Strauss selbst verfasst, mit einem Inhalt und Text, der noch sehr der „Ritterromantik“ verhaftet ist, nötigt uns heute, verstärkt durch die Komprimierung der Handlung auf eine Aufführungsdauer von 2 Std. 20 min., manches Lächeln ab. Strauss tat gut daran, später mit Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig zusammenzuarbeiten.

Das rührselige, im Mittelalter spielende Ritterstück, das aus jetziger Sicht fast nur aus den oft parodierten Klischees besteht, kann man kaum mehr wirklich ernst nehmen, die Musik, bei der der junge Strauss und Wagner-Enthusiast noch sehr dem Kompositionsprinzip des Bayreuther Meisters verhaftet ist, schon eher. Ein „Gesellenstück eines flügge werdenden Wagnerianers, der sich seinen Weg zur Unabhängigkeit ertastete“, nannte es Strauss rückblickend selbst.

Obwohl unleugbar immer wieder der Wagner-Epigone sein großes Vorbild erkennen lässt, u. a. schon bei den Namen wie Guntram (vgl. Gunther und Wolfram), Freihild und Friedhold, schimmert auch schon die Genialität des späteren großen Opernkomponisten durch. Da klingt nicht nur in der Ouvertüre der „Lohengrin“ an. Später wird man an „Rienzi„, „Parsifal“ und die „Winterstürme„, die dem „Wonnemond wichen“ („Ring des Nibelungen“) erinnert. Guntram stimmt ein ähnlich schwärmerisches Loblied auf die erwachende Natur an wie Wolfram an den Abendstern, und die große Arie der Freihild lässt einen Vergleich zur „Hallen-Arie“ der Elisabeth („Tannhäuser„) zu. Am Ende wähnt man aber auch schon etwas vom „Rosenkavalier“ vorweggenommen. Es ist gleichzeitig „Nachfolge und Abnabelungsversuch“ vom übermächtigen Schatten eines Richard Wagner, dessen Werke Strauss in Bayreuth kennengelernt hatte. Der Einfallsreichtum an guten Melodien ist unverkennbar, aber auch ein Suchen nach dem eigenen Stil, eine innere Spannung zwischen dem noch sehr verehrten Vorbild und dem eigenen Gusto, ein „Geniestreich“ oder der „Gehversuch“ eines Genies?

Ganz gleich, interessant ist es allemal, die Oper kennenzulernen, wenn auch nur 3 konzertante Aufführungen (23.2., 28.2., 2.3.) die Gelegenheit dazu geben. Eine szenische Umsetzung hätte sich wohl kaum gelohnt und evtl. nur für Verwirrung gesorgt. Stattdessen saß die Sächsische Staatskapelle Dresden in großer Besetzung auf der Bühne und dahinter die Herren des Sächsischen Staatsopernchores Dresden (Einstudierung: Wolfram Tetzner). Wie die meisten jungen Komponisten hat Strauss ein großes Orchester und zahlreiche – männerdominierte – solistische Partien mit größeren und kleineren Rollen vorgesehen: 2 Damen und 14 Herren.

 Der junge israelische Dirigent Omar Meir Wellber, der sein Debüt an der Semperoper 2010 mit Strauss’ „Daphne“ gab und in der aktuellen Spielzeit neben „Guntram“ auch „Ariadne auf Naxos“ sowie die Neuproduktion von Mozarts „Cosi fan tutte“ dirigieren wird, forderte bei jeder Gelegenheit – wie der Zuspitzung der Handlung und der damit verbundenen Dramatik, Schlachtengetümmel, Jubel, höchste Erregung der Gefühle usw. – das Orchester zu lautstarken „Ausbrüchen“ auf, weshalb es die Sängerinnen und Sänger nicht leicht hatten. Es gab nur wenige leisere Momente, wo die Kapelle ihre Qualitäten „ausleben“ konnte.

 Dadurch waren die Solisten gezwungen, laut zu singen, wodurch die Stimmen oft schrill wurden. Weniger an Lautstärke ist oft mehr an Ausdruck. Nicht zuletzt hat auch Christian Thielemann z. B. bei den großartigen Aufführungen von „Lohengrin“, „Rosenkavalier“ und „Elektra“ in jüngster Zeit bewiesen, welch faszinierender Gesamteindruck bei Zurücknahme des Orchesters zugunsten der Sänger erreicht werden kann.

 Die „Hauptlast“ der Solisten hatte Frank van Aken als Guntram zu tragen. Er hat sich sehr „tapfer geschlagen“, kam problemlos über das oft sehr laute Orchester und hatte am Ende noch genügend Reserven für eine heldenhafte Szene der Entsagung und des „rührenden“ Abschieds, wenn auch die Stimme nicht sonderlich berühren konnte.

 Majorie Owens hatte ebenfalls viel zu bewältigen, eine umfangreiche Arie, die sie mit angenehmer, gleichbleibender Stimme ohne Schwierigkeiten „überstand“, wobei man Mühe hatte, etwas vom Text zu verstehen, aber es gab zum Glück deutsche Übertitel.

 Wie zu erwarten, sangen Georg Zeppenfeld und Christa Mayer mit klangvoller Stimme und sehr guter Artikulation und Diktion, er die große „Abschiedsszene vom Leben“ des Alten Fürsten , der dann doch weiterregiert und sie ihre Partie als eine alte Frau. Beide beherrschten die Situation mit ihrem Können.

 In weiteren Rollen fungierten Markus Butter als wenig markanter Herzog Robert, Simon Neal als Friedhold, Mitglied eines Geheimbundes, Aaron Pegram als eigentümlicher Narr des Herzogs (mit „heidideldei„) sowie Gilles Ragon, Evan Hughes, Thilmann Rönnebeck, Peter Lobert und Pavol Kubán als Gefolge oder aufrührerisches und leidendes Volk, je nach Situation, und außerdem 4 Chorsänger als Minnesänger.

 Für Abwechslung und szenische Andeutung sorgten Sänger in den Proszeniumslogen und auch hinter der Bühne. An diesen „Sonderstandorten“ passten die unterschiedlichen Timbres der Sänger kongenial zusammen und beeindruckten durch ihre Konformität. An der Rampe war das nicht immer der Fall.

 Erfahrungsgemäß werden die nachfolgenden Aufführungen oft noch besser und ausgeglichener, so dass es durchaus sehr unterschiedliche Eindrücke geben kann.

 Ingrid Gerk

 

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