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DRESDEN/ Semperoper: DIE ZAUBERFLÖTE

04.04.2013 | KRITIKEN, Oper

Dresden/Semperoper: “DIE ZAUBERFLÖTE“ – 3.4.2013


Foto: Semperoper

 Seit ihrer Uraufführung im Jahre 1791 in Schikaneders „Freihaustheater“ in Wien zieht Mozarts „Zauberfllöte“ – ganz gleich in welcher Inszenierung – die Besucher wie keine andere Oper magisch an. Das kann nur an der immer wieder „zündenden“ Musik Mozarts liegen, die Alt und Jung gleichermaßen begeistert. Natürlich war auch die 123. Vorstellung seit der Premiere (3.6.2006) in der umstrittenen Inszenierung von Achim Freyer ausverkauft. Unter den zahlreichen Besuchern waren erfreulicherweise auffallend viele Kinder und vor allem Jugendliche. Man braucht sich also um den Publikumsnachwuchs in der Semperoper keine großen Sorgen zu machen.

 Wichtig ist nur, dass die jungen Leute nicht von Inszenierungen abgeschreckt werden, die sie nicht sofort verstehen, weil oft eine intensive Beschäftigung mit dem Sachverhalt vorausgesetzt wird. Dafür nehmen sich Jugendliche nicht die Zeit. Textbuch-Lesen ist nicht mehr „in“ (abgesehen davon, dass es auch kaum noch welche gibt). Man könnte ja „googeln“, aber auch das wird selten „praktiziert“.

 In Achim Freyers Inszenierung, werden die freimaurerischen Ideen im wahrsten Sinne des Wortes „heruntergespielt“. Von dem humanistischen Inhalt bleibt kaum mehr übrig als ein kurzweiliges, leicht amüsantes Stück, mit Theaterpossen und zotigen Kostümen, die früher einmal die legendäre Neuberin von der Bühne verbannte (Freyer zeichnet auch für die Kostüme und das Bühnenbild in der Art eines nicht besonders ansprechenden Kinderbuches verantwortlich).

 Selbst durch die szenische Neugestaltung durch Hendrik Müller mit einigen wirkungsvolleren Theatereffekten hat die Inszenierung ein wenig an Niveau gewonnen. Sie wirkt lediglich etwas lebendiger und zuweilen auch etwas humoriger. Die nächtliche Königin und ihr Gefolge kommen im 2. Aufzug mit viel Dampf auf die Bühne, der sich dann (unbeabsichtigt) in den Orchestergraben „ergießt“. Die Feuerprobe, nach deren Bestehen das unversehrte Paar Tamino und Pamina aus dem Parkett singen, ist eindrucksvoller gestaltet. Nach der Wasserprobe sind sie dann schon „aufgestiegen“ und beteuern ihre Freude aus dem 1. Rang.

 Schließlich schneidet Müller regelmäßig den Sängern nach ihren großen und zuweilen sehr gut gesungenen Arien den verdienten Szenenapplaus ab, indem sie sich am Ende der Arie schon nach hinten zurückziehen müssen und die große Tür sich schließt, um die Sänger den Blicken der begeisterten Zuschauer zu entziehen. In dieser Vorstellung ließ sich das Publikum aber nicht beirren, trotzdem manch gute Leistung zu „honorieren“.

 Anna Siminska bewältigte als Königin der Nacht einwandfrei alle Klippen ihrer Koloratur-Arien, was auch das Publikum sehr zu schätzen wusste.

 Ihre drei Damen: Roxana Incontrera, Angela Liebold und Christa Mayer bildeten trotz sehr unterschiedlicher Größe und Statur und verschiedenartiger Timbres, dank ihrer guten Gesangstechnik und Stimmkultur ein ausgeglichenes „Team“ mit Niveau und sorgten für manch schauspielerisch und sängerisch schöne Szene, die sie auf dem schmalen Grad der (Theater-)Tugend mit angemessenem Spiel witzig und niveauvoll, gestalteten.

 Michael Eders tiefe Stimme kam der Rolle des Sarastro sehr entgegen. Er schaffte mühelos die tiefsten Tiefen und sorgte in dem Rahmen, wie es die Inszenierung zulässt, auch für etwas Ausstrahlung. Rainer Trost gab einen ansprechenden Tamino mit engagierter Spielfreude und gutem, gewissenhaftem Gesang, bei dem er viel Wert auf Ausdruck und Gestaltung legte.

 Eine Pamina, wie man sie sich wünscht, war Ute Selbig. Schon durch ihre zierliche Gestalt wirkt sie jugendlich und frisch wie die zarte, unschuldige Pamina. Bei ihr stimmt einfach alles, ihr agiles Spiel, die wunderbare Stimme, der innige, ausdrucksvolle Gesang und selbst die gesprochenen Worte voller Anteilnahme. Sie macht jede Szene durch ihren Ensemblegeist und ihre Fähigkeit, auf die „Mitstreiter“ zu hören, die Musik zu verinnerlichen und die genau richtigen Akzente setzen, zu einem strahlenden Höhepunkt. Ein erster Höhepunkt in dieser Richtung war das Duett mit Papageno, dem weitere folgten, u. a. die Szene mit den drei Knaben nach Paminas Suizidversuch. Sie „lebt“ in jeder Rolle und schöpft sie voll aus. Bei mancher sängerischen Feinheit hält man unwillkürlich den Atem an.

 Dem immer sehr beliebten Paar Papagena – Papageno hauchten die besonders zierliche Christiane Hossfeld und Christoph Pohl (relativ groß) Leben ein, was schon durch den Größenunterschied die humorige Seite unterstrich. Es war ein locker-lustiges Pärchen mit viel Spielfreude und schönen Stimmen. Sie sangen und spielten mit viel Humor, aber nicht übertrieben oder überzogen und wahrten trotz aller Witzchen und Späße das entsprechende Niveau. Christoph Pohl sang und spielte sehr locker. Christiane Hossfeld ist in Dresden schon die „Papagena vom Dienst“. Ohne sie kann man sich diese Rolle kaum mehr vorstellen. Ihr quicklebendiges Spiel, ihre minutiösen Bewegungen und ihr schöner Gesang machen sie einfach prädestiniert für diese Rolle.

Um Würde bemüht, gab Tomislav Lucic den Sprecher. Die beiden Priester, hier eher philiströse Witzfiguren, denen alles, was sie würdevoll angehen, entsprechend Regie nicht gelingt, waren Ilhung Jung (mit etwas schwacher Stimme) und Gerald Hupach (mit guter Stimmer und entsprechender Bühnenerfahrung).

Die Stimmen der beiden Geharnischten, Scott Conner vom Jungen Ensemble und Tom Martinsen, der für Timothy Oliver eingesprungen war und auch den Monostatos sang, blieben wie immer inszenierungsbedingt in den akustisch ungünstigen Kulissen stecken. Als Monostatos konnte sich Martinsen eher entfalten und entsprechend singen und spielen.

 Die drei Knaben, Mitglieder der Aurelius Sängerknaben Calw, spielten lebhaft. Ihre Stimmen waren ausreichend kräftig, um neben den Solisten wie kleine „Profis“ zu bestehen.

 Der Sächsische Staatsopernchor Dresden (Einstudierung Pablo Assante) sang sehr einheitlich und gut vorbereitet, manchmal eine Idee zu laut und dadurch auch etwas schrill. Aus den „weisen Männern“ in Sarastros Gefolge wurden weiße Männer von Kopf bis Fuß (weiße Haare, weißer Anzug, weiße Schuhe und – weiß gepuderte Gesichter. So kann man es auch sehen.

 Stefan Klingele leitete nicht nur die Sächsische Staatskapelle Dresden, sondern – nicht zu übersehen – auch die Bühne. Am Anfang einige sehr laute Töne, später mit viel Rücksicht auf die Sänger, „schaukelte“ sich im Laufe der Aufführung die Musik zu schöner Höhe auf. Eine kleine, aber feine instrumentale „Episode“ sei noch erwähnt, die köstlich herunterspielende Solo-Flöte bei Papagenos 3. (Hilfe-)Ruf nach einer erlösenden Frau.

 Bei der Aufführung „zogen“ alle Sänger mit, so dass man am Ende konstatieren konnte, es war eine schöne, in sich geschlossene Aufführung mit manch solistischem Höhepunkt und großen und kleinen Höhepunkten in den Ensembleszenen, bei der die, im Widerspruch zur Musik stehende, simplifizierende Inszenierung in den Hintergrund trat.

Ingrid Gerk

 

 

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