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DRESDEN/ Semperoper: DER ROSENKAVALIER unter Thielemann mit Harteros, Karg und Rose

08.12.2014 | Allgemein, Oper

DRESDEN / Semperoper DER ROSENKAVALIER 7.12.2014

 

Christian Thielemann hat in Harteros, Koch, Karg und Rose sein Traumensemble gefunden

Sophie Koch, Peter Rose und Anja Harteros   Foto: Matthias Creutziger

Sophie Koch, Peter Rose und Anja Harteros Foto: Matthias Creutziger

Wie eine großangelegte symphonische Dichtung mit Gesang tönt es daher. Maestro Thielemann entlockt seiner Wunderharfe Sächsische Staatskapelle Dresden mit seinen berühmt zackigen Bewegungen ein wahrhaft prächtig aufgefächertes Klanguniversum. Seine Rosenkavalier- Interpretation ist weniger Parodie und Walzerseligkeit als vielmehr himmlisches Sentiment gebettet in analytisch, sachlich-klares Orchesterspiel. Thielemanns Strauss klingt modern  und gleichzeitig wuchtig melancholisch à la Sinopoli oder Solti. In Thielemanns Lesart klingt im Rosenkavalier Elektra nach, in seiner Elektra hört man den Rosenkavalier voraus. Thielemanns hat sein Dresdner Orchester mit dem unverwechselbar dunklen Klang zu einem einzigartigen Instrument geformt, eine wahre Riesenorgel, dem alle Töne zur Verfügung stehen. Wer einen wienerisch sanglich rubatoseligen Silberklang erwartet, wird enttäuscht sein. Mit höchster Präzision wird in Dresden klar, dass das Primat beim Rosenkavalier ganz eindeutig auf der Musik liegt und das Hofmannsthalsche Wort teilweise in die Musik hineingebogen wird, wie der Teig in die Form. Auch die Charaktere erfahren durch die Musik des Richard Strauss eine andere Dimension als es das Libretto vorgibt. Ist Sophie im Textbuch noch ein kleines „Hascherl“ im Vergleich zur Generalin Fürstin Feldmarschall, erblüht sie in den Endloskantilenen im Schlussterzett und Duett bereits als selbstbewusst junge Frau, emotional auf Augenhöhe mit der Marschallin. Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein, darf sich Octavian angesichts von so viel Erfolg bei Frauen freuen.

Und das Publikum kommt in Dresden zusätzlich zum für mich aktuell besten Orchester im deutschsprachigen Raum in den Genuss einer absoluten Traumbesetzung, die Thielemann in Baden Baden und der anschließenden DVD Produktion 2009 nur partiell zur Verfügung  stand. Sophie Koch singt auch jetzt saftig-kultiviert die Titelpartie in der legendär schönen und zeitgemäß werkgetreuen Produktion von Uwe Eric Laufenberg, in den klassizistischen Bühnenbildern Christoph Schubigers und den schlichten Kostümen von Jessica Karge. Sophie Kochs Fähnrich Octavian hat gute Manieren, ihm ist die ganze mediterrane Eleganz auch in der Unbeholfenheit eines „Cherubino d‘amore“ eigen. Zu Beginn des ersten Aktes dominiert Sophie Koch eindeutig die Szene, Anja Harteros als Marschallin findet erst im Zeit-Monolog und im 3. Akt zu darstellerischer Höchstform. Das in Leidenschaft einander zugetane Paar nimmt man den beiden allerdings nicht ab. Rein stimmlich ist Harteros‘ wortdeutliche Marschallin heute unerreicht. Im Dritten Akt das hohe H gelingt ihr spielerisch von oben angesetzt und schwebt wie der Ton der größeren Schwester von Sophie durch das Theater.

Christiane Karg singt eine herrlich lyrisch-poetische Bürgerstochter. Sie macht den Generationenwechsel der Sinne und erotischen Faszination in ihrer Attraktivität für Octavian immerhin neben einer Marschallin des Zuschnitts der Anja Harteros durchaus glaubhaft.

Der größte Zugewinn im Vergleich zu Baden Baden ist aber Peter Rose als Ochs von Lerchenau. Auch in den beschämendsten Momenten im 3. Akt ist Rose noch immer eine „Standsperson“, ein teutonischer Falstaff mit Selbstironie, der mit Prachtbass den moralisch herabgekommenen Adel personifiziert. Richard Strauss schreibt in Betrachtungen und Erinnerungen über den Ochs: „ Die meisten Bassisten haben bis jetzt ein scheußlich ordinäres Ungeheuer mit greulicher Maske und Proletariermanieren auf die Bühne gestellt. Das ist durchaus falsch: Ochs muss eine ländliche Don Juan Schönheit von etwa 35 Jahren sein, immerhin Edelmann, wenn auch etwas verbauert.“ Also Wiener Komödie, nicht – Berliner Posse! So lange Erwin Schrott nicht den Ochs singt, bleibt für mich Peter Rose dieser Idealtypus. A propos Wien: Der Faninal, jenes Symbol der bürgerlichen Leistungsgesellschaft im Vergleich zur herablassenden bis deftigen adeligen Seinsgesellschaft ist bei Adrian Eröd stimmlich bestens aufgehoben. Optisch sieht er eher wie der Bruder Sophies aus als deren Vater. Den italienischen Sänger gibt der Koreaner Yosep Kang tenoral-höhensicher und klangschön. Keine Parodie, entbietet dieser „italienische Sänger“ ein echt würdiges Ständchen für die Marschallin. 

 Von der übrigen Besetzung positiv hervorzuheben sind das höchst köstliche Intrigantenpaar Thomas Ebenstein als Valzacchi und Christa Mayer als Annina sowie die stimmgewaltigen adeligen Weisen Jennifer Porto, Emily Dorn und Gala El Hadidi. 

 Besonderes Lob gebührt auch dem Sächsischen Staatsopernchor Dresden sowie den Mitgliedern des Kinderchores, die an rhythmischer Präzision, Klarheit und Klangschönheit in Nichts dem großartigen Orchester nachstehen.

 Dem Christkindl-Markt-Wahnsinn entkommen, ist also von einem großen bejubelten Opernabend in Dresden an diesem denkwürdigen zweiten Adventsonntag 2014 zu berichten.

 Dr. Ingobert Waltenberger

 

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