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DRESDEN/ Semperoper: DAPHNE zur Eröffnung der „Richard Strauss-Tage“

07.11.2014 | Allgemein, Oper

Dresden / Semperoper: ERÖFFNUNG DER RICHARD-STRAUSS-TAGE: „DAPHNE“ – 6.11.2014

Unbenannt
Leukippos Tod, von Daphne beweint. Foto: Semperoper

 Noch ist Richard-Strauss-Jahr. Die Dresdner Semperoper lässt es mit sehr vielseitigen Richard-Strauss-Tagen (7. – 24.11), einer Reihe besonderer Aufführungen in hochkarätiger Besetzung und einer Richard-Strauss-Tagung nachhaltig ausklingen. Den Auftakt bildete eine Aufführung von Richard Strauss‘ 13. Oper , der „Daphne“, die am 15.10.1938 in der Dresdner Oper ihre Uraufführung erlebte. Darin wird („äußerlich“) noch einmal der am häufigsten vertonte Stoffe der Musikgeschichte, die Verwandlung der Nymphe Daphne in einen Baum, in Szene gesetzt, ein Stoff aus der griechischen Mythologie, der bereits im 16./17. Jh. u. a. von Jacopo Peri als 1. Oper überhaupt und von Heinrich Schütz als 1. deutsche Oper vertont wurde.

Aber Strauss wäre nicht Strauss, wenn nicht unterschwellig eine Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, hier – Bezug nehmend auf die Ereignisse der Entstehungszeit der Oper – Macht und Schrecken einer Gewaltherrschaft integriert wären. Unverkennbar geht es in dieser „Bukolischen Tragödie in einem Aufzug“ (Opus 82, TrV 272) bei weitem nicht nur um Schäferromantik und pastorales Leben der Hirten, sondern um geistig-politische Parallelen, auch in dem, von Joseph Gregor verfassten, nicht unbedingt sehr glücklichen, Libretto mit seinen dramaturgischen Schwächen geht es nicht nur um Naturidylle, Rinderhirten, und Götter. Mit der Schilderung einer Naturidylle ist hier symbolisch Gewalt und egomanische Machtsucht verquickt.

Torsten Fischer mag mit seiner Dresdner Inszenierung (Pr. 2.10.2010), die beim Publikum kaum ankommt, diese Problematik erfasst haben, die Umsetzung trifft jedoch nicht ins Schwarze. Zunächst empfängt den Opernbesucher auf den Vorhang projizierte Schreibmaschinenschrift mit Auszügen aus Briefen Sophie Scholls, in denen sie ihrer Freude an allem Schönen und Göttlichen der Natur in seiner großen Harmonie und Unbewusstheit und, in krassem Gegensatz dazu, der Gewaltbereitschaft des bewusst handelnden Menschen, Kanonondonner, Bosheit und Grauen, Ausdruck verleiht. Sie selbst, d. h. ihre Protagonistin steht dabei vor dem Vorhang und handelt dann schließlich, indem sie Flugblätter verteilt. Damit beginnt der Naziterror auf der Bühne mit Pseudo-SA-Männern und Siegerkränzen, vorgehaltenen Gewehren und viel Gewalt, die sich durch die ganze Oper hinzieht, auch während Text und Musik eine arkadische Natur schildern.  

 Abseits der immer wiederkehrenden „Standard“-Inszenierungs-Elemente, gibt es aber auch gute, wirkungsvolle Einfälle, wie die überdimensionale, glühend heiße Sonne, umgeben von „dampfenden“ Strahlen (Bühnenbild: Herbert Schäfer), auch wenn dadurch vorübergehend der eingeblendete Text verdeckt wird, der bei so manchem Sänger, mancher Sängerin unbedingt vonnöten ist. Ein anderes, gelungenes Element ist die mit 2 griechischen Sagengestalten bemalte Treppe (Malerei: Vasilis Triantafillopoulos), oder man denke auch an den großen Spiegel im Bühnenhintergrund, der die gemessenen Schrittes wandelnden Mitglieder der Komparserie doppelt erscheinen und sich begegnen lässt, während Daphne den toten Leukippos beweint, der hier als Hans Scholl auch Flugblätter verteilte und deshalb von den Schergen misshandelt wird und stirbt. Diese „Wandelgänge“ beleben die Szene, aber sie lenken auch vom eigentlichen Geschehen ab.

 Eigentliche Träger der Opernhandlung waren bei dieser Aufführung, die brillant und mit feinem Gespür für die Musik von Richard Strauss spielende Sächsische Staatskapelle Dresden – am Pult Omer Meir Wellber – und der in Harmonie einstimmende Sächsische Staatsopernchor in der Einstudierung von Wolfram Tetzner. Vom einleitenden „Klangrausch“, der in ein scheinbar arkadisches Idyll entführt, über dramatische Klänge, die an Wagner erinnern, bis zum wunderbaren musikalischen Ausklang der Oper, der Verwandlung Daphnes in einen Baum, der wohl zum Schönsten gehört, was Strauss geschaffen hat, und in den sich die Stimme von Majorie Owens gut einfügte, „trug“ die Musik im Orchestergraben die Sänger und ließ in Verbindung mit dem zu lesenden Text die eigentliche Handlung erkennen.

 Ebenfalls mit dem entsprechenden Gespür für Strauss‘ Musik, sehr gut bei Stimme, mit guter Artikulation und niveauvoller Gestaltung des Gesanges, aber von der Regie verfehlter optischer Gestaltung erfüllte Georg Zeppenfeld als Peneios seine Rolle, und ebenso Christa Mayer als Gaea mit ihrer schönen, warmen Stimme und auffallend klangvollen tiefen Tönen die ihre mit Leben.

 Ansprechend, wenn auch wenig textverständlich sangen Majorie Owens die Rolle der Daphne alias Sophie Scholl und Ladislav Elgr die des Leukippos. Mit Power und viel Kraft und nicht ohne „Härten“, dafür aber mit Lautstärke „stemmte“ Lance Ryan die anspruchsvolle und sehr schwierige Partie des Apollo, nahm die, den Sänger außerordentlich fordernden, Höhen „im Sturm“ und hielt bis zum Schluss durch, nur besonders gut klang es nicht.

 Den bei Strauss auch sehr anspruchsvollen kleineren Rollen gaben Romy Petrick und Christina Bock als die beiden Mägde, die in dieser Inszenierung Leukippos mit einem großen Tuch (den „Frauenkleidern“) erwürgen wollen, während Peneios von der Vorbereitung des Festes singt, sowie Ilhun Jung, Aaron Pegram, Julian Arsenault und Tilmann Rönnebeck als die Schäfer Gestalt.

 Es gibt in Strauss‘ Oper schon Parallelen zwischen mythologischem Daphne-Stoff und Naziherrschaft, aber wer soll in dieser Form der Inszenierung beides verarbeiten, die Jugendlichen, die man so gern in der Oper sehen würde, geben da schnell auf. Sind viele ältere Operngänger noch mit der griechischen Mythologie vertraut, kann man das bei den jüngeren nicht mehr voraussetzen. Es mutet schon seltsam an, wenn in Pseudo-Naziuniform von der griechischen Mythologie, die dem bürgerlichen Humanismus entsprach, gesungen wird, wo doch gerade diese Gestalten keinen Nerv dafür hatten und eher die Kultur vernichteten.

 Ob nun die Doppelbödigkeit dieser Inszenierung, bei der die Geschwister Hans und Sophie Scholl als Träger der Handlung einsetzt sind, den Opernbesuchern, vor allem den jüngeren viel gibt, sei dahingestellt. Man muss sehr intensiv mitdenken und vor allem die Übertitel lesen, um hinter den Sinn der Oper zu kommen.

 Die Musik hingegen, hingebungsvoll und mit hohem Können von der Sächsischen Staatskapelle gespielt, war für den Anspruchsvollen wie für den unvorbereiteten Besucher gleichermaßen faszinierend. Sie war auch das einzige, was die arkadische Landschaft wenigstens vor dem inneren Auge entstehen ließ.

 Ein großes Lob verdient auch der Sächsische Staatsopernchor in der Einstudierung von Wolfram Tetzner, der sich an das hohe Niveau der Kapelle anschloss. Bei ihm ist ein erfreulich hoher Qualitätsanstieg zu verzeichnen.

 Ingrid Gerk

 

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