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DRESDEN/ Semperoper: ARIADNE AUF NAXOS. Premiere

Ein musikalisches Fest!

03.12.2018 | Allgemein, Oper

Daniela Sindram (Komponist), Aaron Pegram (Tanzmeister), Daniela Fally (Zerbinetta) | Bildquelle: © Ludwig Olah
Daniela Sindram (Komponist), Aaron Pegram (Brighella), Daniela Fally (Zerbinetta). Copright: Ludwig Olah

Dresden / Semperoper: PREMIERE: „ARIADNE AUF NAXOS“ – EIN MUSIKALISCHES FEST – 2.12.2018

Am ersten Adventssonntag hob sich der Vorhang der Semperoper für die nunmehr dritte Neuinszenierung der „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss seit der Wiedereröffnung des Hauses (1985), eine Koproduktion mit der Opéra nationale de Lorraine, Nancy und der Opéra de Lausanne, die entgegen sonstiger Neuinszenierungen nicht jedes Mal abwegiger, sondern besser und publikumswirksamer ausfiel. Die wenigen notorischen Buhrufe, die dem, zum Schluss in festliches Schwarz gekleideten Regieteam galten, das auf der Bühne die Abendgesellschaft des (neu‑)reichen Bürgers assoziierte (eine geniale Idee!), der sowohl eine neue Oper bestellt, als auch eine Komödianten-Truppe engagiert hat, gingen im begeisterten Beifall des Premierenpublikums unter.

David Hermann hatte den Mut – ja dazu gehört heutzutage sogar schon Mut -, die allgemein üblichen Inszenierungsklischees so einzusetzen, dass eine stimmige und sehr publikumswirksame Inszenierung herauskam, für die auf großen Postern in Dresdens Innenstadt mit einer eleganten Abendgesellschaft geworben wird, die aber nur im Foyer als „Vorspiel“ vor dem „Vorspiel“ stattfindet und von manchem Besucher vielleicht nicht einmal wahrgenommen wird, obwohl sich der nunmehr 71jährige Wiener Alexander Pereira, Leiter der Salzburger Festspiele und Operndirektor in Zürich und an der Mailänder Scala, „Sponsorendompteur und Wirbelwind“, als leicht distinguierter Haushofmeister „herabließ“, die endgültig schockierenden Anweisungen seiner „Herrschaft“, dass sowohl die neue Tragödie, als auch die Komödie gleichzeitig stattzufinden haben, aus der Proszeniumsloge verkündete.

Der oft strapazierte schmale Gang an der Bühnenrampe wird im „Vorspiel“ zum Garderoben-Milieu der Backstage-Komödie. Drei abwechselnd geöffnete Türen, aus denen – nicht ohne einige Gags – so mancherlei Überraschungen quellen, durch die die Akteure kommen und gehen, und vor denen sich die Auseinandersetzungen zwischen Komponist(in), Musiklehrer und Haushofmeister sowie Operndiva und Komödianten-Star Zerbinetta abspielen, geben Einblicke in einen jeweils rasch wechselnden Hintergrund frei – und es passt.

In der „Oper“ liegt dann die Betonung auf der heiteren Komödianten-Truppe a la commedia dell’arte – auch sehr aktuell -, aber nicht grotesk überzogen wie in Eraths Inszenierung von Le nozze di Figaro“ (Semperoper), sondern mit dem gekonnten Bühnenbild von Paul Zoller in fulminanter Rokoko-Kulisse wie ein zum Leben erwecktes Gemälde von Watteau auf der einen Seite, in das die düstere Höhle der Ariadne auf der anderen Seite halb integriert ist, so dass der Besucher nicht nur musikalisch, sondern auch optisch schwelgen kann, denn das Auge „hört“ bekanntlich mit – eine Inszenierung, die dazu angetan ist, in die Semperoper wieder mehr Publikum, vielleicht auch junge Leute, zu locken und die „Fans“ zum wiederholten „Genießen“ einzuladen.

Die Kostüme von Michaela Barth ließ die Komödianten ebenfalls diesem Gemälde entspringen und in leuchtenden Farben erstrahlen, hüllte aber den Tenor/Bacchus in die übliche mehr als legere Alltagskleidung ein, überzeichnete manches stark – wie den selbstgefälligen Perückenmacher mit überdimensionaler Irokesen-Frisur – und ließ die Primadonna/Ariadne in dunklen Kleidern in den Hintergrund treten, so dass das Augenmerk doch immer wieder auf die fröhliche, unbekümmerte, leichtlebige und auch gedankenlose Zerbinetta mit ihrer Einstellung zum Leben gelenkt wird, obwohl der eigentliche Kern der Oper am Ende in der Verklärung liegt, die jedoch jetzt allgemein der Gedankenwelt mehr entrückt als gegenwärtig ist.

Was die Oper immer wieder auf die Bretter, die die Welt bedeuten, bringt und beim Publikum ankommen lässt, dürfte unzweifelhaft die Musik sein. Hier legte Christian Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden ein wichtiges Fundament, das sich wie der rote Faden der Ariadne durch die gesamte Aufführung zog. Das relativ kleine Orchester, mit dem Strauss anstelle des Riesenorchesters seiner vorher komponierten Opern an das Vorbild W. A. Mozarts anknüpft, entfaltete eine enorme Klangfülle, lotete die musikalische Vielfalt mit fließenden Übergängen aus und erreichte einen betörenden Klangrausch mit sorgfältig ausgearbeiteten, sehr feinsinnigen Details bis hin zum gewaltigen „Paukenschlag“.

Die Rolle des jungen Komponisten, eine Hosenrolle alten Stils, die von Strauss, um die Naivität des Newcomers anzudeuten, einem Sopran anvertraut wurde, mutierte in dieser Inszenierung gleich zur Komponistin, was im Falle der prächtig singenden Daniela Sindram durchaus gerechtfertigt war. Sie verkörperte die Partie vor allem gesanglich großartig und sorgte bereits im „Vorspiel“ für den ersten gesanglichen Höhepunkt, der zu dem hohen musikalischen Niveau der Aufführung maßgeblich beitrug. Bei ihrem hellen Timbre war diese „kleine“ Rollen-Änderung durchaus gerechtfertigt, obwohl dadurch die laut Text sich anbahnende Beziehungen zur Zerbinetta der prickelnden Feinheit entbehrt, was aber ohnehin meist, kaum beachtet, „vorüberrauscht“, wenn man nicht die deutschen oder englischen Übertitel mitliest. Daniela Syndrams Glanzleistung hat es jedenfalls kaum gestört.

Als wohlwollender Musiklehrer und lebenserfahrener Ratgeber wurde Albert Dohmen seiner Rolle gerecht. Rafael Fingerlos zeigte als Harlekin Profil, während einige Darsteller der Nebenrollen wie Tanzmeister (Aaron Pegram), Brighella (Joseph Dennis), Scaramuccio (Carlos Osuna), Truffaldin (Torben Jürgens), Perückenmacher (Jiří Rajniš) und ein Lakai (Bernhard Hansky) mitunter etwas „blass“ blieben.

Anders verhielt es sich bei den Damen, für die Strauss die schöneren Rollen schuf. Obwohl die Hauptakteure der „Oper“ eigentlich Ariadne und Bacchus heißen, stand die quicklebendige, leichtlebige und vor allem leichtfüßige Zerbinetta, der Daniela Fally, blond und im auffallend roten Rokokokostüm fröhlich und gewinnend Leben einhauchte, das sie von der heiteren Seite nimmt und in vollen Zügen genießt, im optischen und szenischen Mittelpunkt. Mit schöner Höhe, die die Mittellage übertraf, bewältigte sie die mit Spannung erwartete große Koloratur-Arie, bei der berühmte Sängerinnen der Vergangenheit hohe Maßstäbe gesetzt haben. Wie von ihren Gefährten im Text gerühmt, waren auch ihr Tanz und ihre Agilität beachtlich.

Krassimira Stoyanova war die Primadonna/Ariadne mit großen, edlen Gefühlen, großer, edler Stimme und ausgezeichneter gesanglicher Gestaltung von den leisen, todessehnsüchtigen Klängen bis zum triumphalen Gestus im Finale, allerdings von Regie und Kostüm optisch etwas in den Hintergrund lanciert, aber von ihren Gefährtinnen, Najade (Evelin Novak) und Dryade (Simone Schröder) sowie der, für das Echo wie geschaffenen, Tuuli Takala klangschön unterstützt und umrahmt.

Stephen Gould, ein stimmgewaltiger Wagner-Sänger und gegenwärtig der erfahrenste Bacchus, setzte seine große Stimme auch hier ein und sang die unglaublich schwierige Partie souverän und kraftvoll. So, wie er und Ariadne gedanklich aneinander vorbeisingen, jeder in seiner Welt befangen, ließ die Regie gegen Ende alles offen und die Oper in der Verwandlung und Verklärung verharren. Hier hätte man sich doch noch einige dezente szenische Ideen gewünscht und konnte sich so nur noch auf die Musik konzentrieren. Gerechterweise muss man aber auch zugestehen, dass über (fast) jeder Premiere eine gewisse befangene Spannung liegt, die sich in den späteren Vorstellungen (meist schon in der zweiten und dritten) legt, die Sängerinnen und Sänger dann noch freier sich entfalten lässt und diese „Lücke“ füllen wird.

Was Neuinszenierungen betrifft, ist man schon lange nicht mehr verwöhnt und froh, wenn die Inszenierung den Inhalt der Oper nicht verfälscht und die Musik nicht stört, worauf auch Christian Thielemann der musikalische Leiter und spiritus rector des Abends, besonderen Wert legt. Letzteres ist der Fall. Es wäre durchaus denkbar und wünschenswert, die Oper durch Regie und Bühnenbild noch subtiler auszuleuchten, aber man ist heutzutage schon bescheidener geworden und auch mit weniger zufrieden.

Alles in allem war es, vor allem durch die alles tragende und verbindende Sächsische Staatskapelle unter Christian Thielemann, ein sehr erfreulicher, von der Musik, die ihr Pendant im Bühnenbild fand, getragener Abend, der für die Zukunft hoffen lässt.

 Ingrid Gerk

 

 

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