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DRESDEN/ Semperoper: 5. KAMMERKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE MIT STÄNDCHEN FÜR RICHARD WAGNER

Dresden / Semperoper: 5. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE MIT EINEM STÄNDCHEN FÜR RICHARD WAGNER – 12.02.2013

 Es war Faschingsdienstag, aber auch der Vorabend des Gedenkens an die Zerstörung Dresdens, als vor 68 Jahren, am Faschingsdienstag, dem 13.2.1945, die einst blühende Stadt in Schutt und Asche sank und ca. 25000 Menschen einen qualvollen Tod fanden. Außerdem ist der 13. Februar auch der Todestag von Richard Wagner.

 In diesem Spannungsfeld zwischen der Fröhlichkeit des Faschings und stillem Gedenken hatten die Bläser der Sächsischen Staatskapelle Dresden Gelegenheit mit ihrem, 1994 gegründeten Blechbläserensemble SemperBrass Dresden, in sehr unterschiedlicher Besetzung ihr vielseitiges Können zu präsentieren, unterstützt und ergänzt von den Dresdner Kapellsolisten, einem, ebenfalls 1994 gegründeten, Kammerorchester, in dem sich Mitglieder der Staatskapelle zu möglichst authentischer Wiedergabe des musikalischen Erbes aus Barock, Klassik und Romantik zusammenfinden. Zudem waren auch junge Musiker der von Giuseppe Sinopoli gegründeten Giuseppe-Sinopoli-Akademie der Staatskapelle mit einbezogen sowie einige Gastmusiker.

 Unter ihrem Leiter Helmut Branny, der sich stets als „primus inter pares“, d. h. Erster unter Gleichen, versteht und ganz in der Musik, die er gerade dirigiert, aufgeht, eröffneten die Dresdner Kapellsolisten das äußerst vielseitige, bunte, teils heitere, teils ernsthafte, aber sehr geschmackvoll „gemixte“ Programm mit 2 Werken von G. P. Telemenann, dem mit großem Engagement musizierten viersätzigen „Concerto D Dur für 3 Trompeten, Pauken, Streicher und Basso continuo“ (TWV 54:D4) und der liebevoll musizierten achtsätzigen „Don Quichotte-Suite G Dur“, der „Burleske de Quichotte“ (TWV 55:G10). Hier trafen Dirigent und Orchester wunderbar den spielerischen Charakter der Musik, „gewürzt“ mit einer guten Prise Humor. Lediglich die ganz exakte Pauke wirkte beim „Concerto grosso“ eine Idee zu vordergründig und wollte sich nicht so ganz mit dem homogenen und bis zum feinsten pianissimo selten schönen Klang der geschmeidigen Streicher und den sehr sauber und einfühlsam spielenden Bläser mischen. Es ist nicht leicht, die feinen Akzente zu setzen, wie sie die Barockmusik verlangt. Bei den später aufgeführten Werken anderer Jahrhunderte war diese Diskrepanz dann nicht mehr zu spüren.

 Das 19. Jh. war mit P. Tschaikowsky und seinem „Chanson triste“ (op. 40 Nr. 2) in einer Bearbeitung für Solo-Horn, 3 Posaunen und Tuba sowie Anton Bruckners bekanntem „Locus iste“ (WAB 23) in einer Bearbeitung für Blechbläser, bei dem die Singstimmen adäquat umgesetzt sind, vertreten. Letzteres wurde getragen, aber nicht zu langsam, sondern sehr klangschön und ausdrucksvoll musiziert, so dass jede einzelne „Singstimme“ zur Geltung kam.

 Dmitri Schostakowitsch repräsentierte mit der „Polka“ aus seinem Ballett „Das Goldene Zeitalter“ (op. 22), das mit sehr „westlichen Anklängen“ „gespickt“ ist, in einer Bearbeitung für Blechbläser, Pauken und Schlagzeug das 20. Jh., zu dem auch Kazimierz Serockis (1922-1981) „Sonatine für Posaune und Klavier“, bearbeitet für Posaune und Kammerorchester, gehört.

 Zwischen den einzelnen Stücken waren immer wieder sehr interessante Bearbeitungen von Kompositionen J. S. Bachs aus sehr unterschiedlichen Epochen und Stilrichtungen „eingestreut“. Die Palette reichte von J. Brahms bis S. Rachmaninow. Kombiniert mit den beiden Kompositionen Telemanns erklangen zunächst zwei, von J. Brahms bearbeitete Choralvorspiele Bachs: „Herzliebster Jesu“ (op. posth. 122 Nr. 2) für Englischhorn und 4 Posaunen) und „O Welt, ich muss dich lassen“ (op. posth. 122 Nr. 3) für 5 Posaunen, jeweils mit dem betreffenden Choral in der Bachschen Original-Fassung am Schluss, sehr sanft und getragen und in schöner Klarheit musiziert.

 Es folgten noch ein gewaltiges, hymnisches, grandioses „B-A-C-H-Entrée“ und schließlich die zwei würdevoll gespielten „Préludes (op. 3 Nr. 2 und op. 23 Nr. 5) für Blechbläser, Pauken und Schlagzeug, von Rachmaninow durch die Bearbeitung für seine Zeit erschlossen, stark überhöht und romantisiert. Hier wurde Bachs Intensität noch weiter intensiviert, aber auch für einen Verfechter der originalgetreuen Wiedergabe Bachscher Werke waren diese beiden Préludes nicht zuletzt durch die gute Wiedergabe sehr beeindruckend.

 Zwei Uraufführungen bereicherten das ohnehin sehr vielfältige Programm: ein „Divertimento für 3 Trompeten, 3 Posaunen und Pauken“ von Manfred Grafe (* 1935) und „Das unzertrennliche Quartett“ für 4 Posaunen von Rainer Lischka (* 1942), bei dem alle Schwierigkeiten „unisono“ und mit Verve gemeistert wurden.

 Richard Wagner kam in seinem Jubiläumsjahr mit 2 kleinen, netten Kompositionen „zu Wort“, dem „Züricher Vielliebchen-Walzer“ (WWV 88) und der lustigen „Polka“ (WWV 84). Hier konnte man den großen Opern-Magier von einer ganz anderen, heiteren Seite kennenlernen, als sensiblen Kammer- bzw. „gefälligen Unterhaltungsmusiker“. Beide kurzen, sehr melodiös und klangvoll gespielten Stücke haben volkstümlichen Charakter, auf dem sich langsam und unmerklich ein höherer Anspruch „sphärenwärts“ erhebt.

 Die Sächsische Staatskapelle ließ es sich nicht nehmen, ihrem Hofkapellmeister Wagner zum 200. Geburtstag ein eindrucksvolles, relativ kurzes „Ständchen“ mit Zitaten seiner bekanntesten Opernmotive zu bringen, für viele Wagner-Freunde viel zu kurz!

Es war ein Abend sehr guter Kammerorchester- und hoher Bläserkultur. Die Bearbeitungen stammten fast alle von Frank van Nooy (SemperBrass), der zusammen mit Matthias Schmutzler, dem 1. Solotrompeter der Staatskapelle die Leitung innehatte.

 Für den herzlichen Applaus wurde das begeisterte Publikum noch mit einem „Schmankerl“ besonderer Art als Zugabe verwöhnt. Zur kleinen Trommel setzte die Volkslied-Melodie „Kein schöner Land“ ein, die nach dem Vorbild von M. Ravels „Bolero“ nach und nach von Trommel, Horn, Tuba und Posaunen „instrumentiert“ wurde, kürzer als der „Bolero“, aber mit allen besonderen Finessen dieses Werkes ausgestattet. Es war ein ausgesprochen geistvoller musikalischer Spaß, der vom Publikum sofort verstanden und entsprechend honoriert wurde. Leider ist diese Art von intellektuellem Humor jetzt sehr selten geworden.

 Ingrid Gerk

 

 

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