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DRESDEN/ Semperoper: 2. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT MYUNG-WHUN CHUNG

Dresden / Semperoper: 2.SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT MYUNG-WHUN CHUNG– 13.10.2013

Wenn Myung-Whun Chung, seit der Saison 2012/13 „Erster Gastdirigent“ der Sächsischen Staatskapelle Dresden, ein Titel, der erstmals in der langen Geschichte des Orchesters verliehen wurde, am Pult steht, steigen die Erwartungen. Seit 2001 ist er regelmäßig bei der Staatskapelle zu Gast in Konzerten und Opernaufführungen (2003 Premierenserie von „Don Carlo“), auf Tourneen durch Europa (2001, 2005 und 2008), die USA (2005) und Asien (2006) und auf dem Kammermusikpodium mit Kapellmitgliedern, zuletzt bei den Osterfestspielen Salzburg, wo er in der Doppelrolle als Dirigent und Kammermusiker begeisterte.

Sein besonderes Anliegen bei der Zusammenarbeit mit der Sächsischen Staatskapelle ist die zyklische Aufführung sämtlicher Symphonien Gustav Mahlers in den kommenden Jahren, für die Kapelle die erste Gesamtaufführung dieser Syphonien.

Dieser Mahler-Zyklus wurde bereits in der vergangenen Konzertsaison (Januar 2013) mit der „Ersten“ eröffnet, mit der er und die Kapelle nur wenige Wochen später auch das Publikum der Osterfestspiele Salzburg faszinierten. Jetzt folgte die „Neunte“, und noch in dieser Saison wird er die Aufführung der „Zweiten“, der „Auferstehungssymphonie“ an gleicher Stelle leiten.

Führte Myung-Whun Chung bei der impulsiv-jugendlichen 1. Symphonie das Orchester in die geistige und emotionale, von hereinbrechenden Schicksalsschlägen geprägte, Gefühlswelt Mahlers und lotete sie bis in ihre erschütternde Tiefe aus, so drang er jetzt in der 9. Symphonie mit dem Orchester in die düstere Welt der Auseinandersetzung mit Tod, herbem Abschied und verzweifelter Hoffnung eines unbeugsamen Lebenswillens vor, hervorgerufen durch Mahlers leidvolle persönliche Erfahrungen des Jahres 1907, wo der Tod seiner 5jährigen Tochter Maria Anna, die Diagnose seines eigenen lebensbedrohlichen Herzleidens und die beginnende antisemitische Hetze über ihn hereinbrachen und in komprimierter Form in der dieser Symponie ihren Niederschlag fanden.

Unter Myung-Whun Chungs Dirigat erschloss sich eine vergeistigte Welt, die in dieser Intensität ihresgleichen sucht. Er „hört mit dem Herzen“ und gibt es so an die Musiker weiter, die es, ihm geistig folgend, aufnahmen und mit der ihnen eigenen Akribie und entsprechendem Können wiedergaben. Sie brachten alle Voraussetzungen mit, um diesen Intentionen nicht nur technisch versiert, sondern auch geistig-emotional zu folgen. Obwohl die Aufführung am Vormittag stattfand, war keine Spur von „Müdig- oder Gleichgültigkeit“ zu spüren. Dirigent und Musiker vertieften sich so in das Werk, dass die Aufführung die Qualität einer abendlichen Gala-Aufführung hatte und die Vormittagsstunde völlig vergessen ließ. Bei dieser Intensität der ca. 80minütigen Aufführung vermisste man weder ein weiteres Werk noch eine Pause. Man war gebannt und ließ sich in die „symphonische Medidation über die Endlichkeit des Daseins“ entführen.

Das „Nebeneinander von scheinbar grundverschiedenen Stilen“ und „eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber klanglichen und harmonischen Härten“, die als Mahlers bahnbrechender Spätstil schon „die Tore zur musikalischen Moderne … weit aufstoßen … (Adorno) wurden hier ganz im Sinne von Todesthematk und Lebenswunsch zu einer kongenialen Einheit mit zu ertragenden Härten verbunden.

In wunderbarer Abstimmung zwischen Dirigent und Orchester und der einzelnen Instrumentengruppen untereinander entstand die Symphonie in „nahtlosen“ Übergängen als großartiges Ganzes. Mit den Instrumentalsoli von Bratsche, Violoncello, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Trompete, Posaune, Tuba und Harfe (hier verdient jeder einzelne Solist Erwähnung) wurden mit äußerster Feinheit die entsprechenden Akzente gesetzt. Ein Sonderlob verdient auch hier die Pauke mit den wohldosierten, den Gesamteindruck im richtigen Moment verstärkenden und unterstreichenden Einsätzen.

Im Gegensatz zur 1. Symphonie wurden hier die Schicksalsschläge von Mahler schon verklärt als unabänderliches Phänomen des Todes hingenommen. Es ist weniger ein Aufbäumen dagegen, als vielmehr eine Auseinandersetzung eines äußerst sensiblen Menschen mit den letzten Dingen, ein Suchen nach dem Geheimnis des Todes – eine Symphonie des Abschieds, die in feinsten Nuancierungen und mit hingebungsvollem Violinsolo leise ausklang.

Mahlers 1. und die 9. Symphonie steckten bereits den Rahmen des großen Vorhabens ab. Jetzt kann man sehr gespannt den Aufführungen der anderen Symphonien entgegensehen.

Unmittelbar im Anschluss an dieses Konzert wird Myung-Whun Chung die Konzerte auf einer Europa-Tournee in Zagreb, Ljubljana, Mailand, Turin, Innsbruck und Linz leiten.

Ingrid Gerk

 

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