Uraufführung in Dresden: „Mise en Abyme / Widerspiegelung“ von Lucia Ronchetti (Vorstellung: 26. 2.2015)
Foto: Daniel Koch
In der Dependance der Dresdner Semperoper, Semper 2 genannt, fand am 22. 2. 2015 die Uraufführung der Kammeroper „Mise en Abyme / Widerspiegelung“ von Lucia Ronchetti statt, von der bereits einige Werke an der Semperoper aufgeführt wurden.
In dem Artikel „Fantasie, Schaffensdrang und Neugierde“ über Lucia Ronchetti, die 1963 in Rom geboren wurde und die in den vergangenen Jahren mit Kompositionsaufträgen geradezu überflutet wurde, heißt es unter anderem: „Seit Jahrzehnten lässt sie sich in ihrer Arbeit von den großen Komponisten der Vergangenheit inspirieren: Debussy, Mozart, Strauss, Mahler und immer wieder die Vertreter der barocken Oper. In der Auseinandersetzung mit deren Musik findet die italienische Komponistin zu einem unverkennbaren eigenen Stil, der von tonalen Harmonien unversehens in schwindelerregende Vokalisen, ins Seufzen, Flüstern, chorische Sprechen oder Klatschen führt. Gleichzeitig hebt sie sich durch ihre weit gefächerten Interessen von Komponisten ab, die sich allzu früh spezialisieren. … 2014 erhielt Lucia Ronchetti für ihr Werk den Heidelberger Künstlerinnenpreis – eine besondere Würdigung für die vor Fantasie, Schaffensdrang und Neugierde sprühende Komponistin.“
Im Programmheft findet sich auch eine Erklärung für das französische „Mise en abyme“: „ein Theater im Theater, eine Selbstbespiegelung barocker Theaterpraxis und Dramentheorie – eben das Prinzip, das auch den barocken Intermezz6i zugrundelag“.
Die Handlung der Kammeroper, die ein Auftragswerk der Semperoper Dresden ist und deren Libretto nach Briefen und Texten von Pietro Metastasio von der Komponistin gemeinsam mit Anne Gerber zusammengestellt wurde, in Kurzfassung: Der Tragödien-Dichter Metastasio erhält während seiner Arbeit am Libretto Didone abbandonata einen Brief, in dem ihn ein Impresario auffordert, eine Komödie zu schreiben, was ihn in Zweifel stürzt. Im Zwiespalt seiner Gefühle nehmen seine Gedanken Gestalt an und er gerät in Rage, die in eine Schimpftirade über affektierte Sänger, inhaltsleere Opern und anspruchsloses Publikum ausartet. – Metastasio beschließt, sein Künstlerethos an den Nagel zu hängen und beginnt eine Komödie zu schreiben. Doch bald verwirft er entnervt seine Skizzen, in der es um Dorina und Nibbio geht. Doch als der Impresario erscheint und die bestellte Komödie verlangt, ergreift Metastasio die Chance, ihm in einer Probe sein literarisches Lieblingskind, die Tragödie Didone abbandonata vorzustellen. – Als das packende Finale erreicht wird, erkennt Metastasio sein eigenes Stück nicht wieder und seine Sänger übernehmen die Regie. – Die Situation spitzt sich zu, als die Sängerin Dorina erscheint und den Impresario solange umgarnt, bis er einen Blanko-Vertrag unterschreibt, in dem die Sängerin aberwitzige Forderungen stellt. Man einigt sich dennoch – und Metastasio stürzt angesichts seiner verratenen Ideale in tiefe Verzweiflung.
Für das Publikum ist sowohl die Regieführung wie auch das Bühnenbild eine Widerspiegelung früherer Produktionen von Ronchetti-Opern. Neuerlich gelingt Axel Köhler eine humorvolle Inszenierung, in der das Sängerensemble alle stimmlichen und schauspielerischen Qualitäten, aber auch Unarten ihres Berufs zur Geltung bringen können.
Die Ausgestaltung der Bühne durch Arne Walther und die Kostüme von Frauke Schernau erinnern stark an die Aufführung von „Dorina e Nibbio von Sarro und Contrascena von Ronchetti in der Semperoper vor zwei Jahren, was gewiss nicht unabsichtlich geschah. Für die oftmals kreativen Lichteffekte sorgte Steffen Adermann.
Roland Schubert überzeugte als Dichter Metastasio. Foto: Daniel Koch
Als Dichter Metastasio überzeugte der Basssänger Roland Schubert mit seiner starken Bühnenpräsenz. Es passte zur Rolle, dass er in einigen Szenen mächtig outrierte und dick auftrug.
Besonders unterhaltsam gerieten die Probenszenen zu Didone abbandonata und Dorina e Nibbio, wobei die Damen die Herren eindeutig ausstachen. Blendend die Sopranistin Jennifer Riedel als Didone, die während ihrer Arie auch einen (absichtlichen) Hustenanfall glänzend bewältigte und ihr komisches Talent unter Beweis stellte. Humorvoll auch die Darbietungen der beiden Baritonsänger Pavol Kubán als Enea und Julian Arsenault als Iarba. Nicht weniger humorvoll die Probe von Dorina e Nibbio mit der Sopranistin Sabine Brohm und dem Countertenor Yosemeh Adjei, die beide stimmlich wie schauspielerisch brillierten.
Als buffonesker Chor waren vier Sänger – die Sopranistin Dorothea Wagner, die Mezzosopranistin Julia Mintzer, der Tenor Christopher Tiesi und der Bass Felix Schwandtke – im Einsatz, die tänzerisch auf der Bühne herumwieselten und manche Szene singend kommentierten.
Das zehnköpfige Kammerorchester unter der Leitung des temperametvollen Dirigenten Felice Venanzoni war den nicht geringen Anforderungen gewachsen und brachte die vielschichtige Partitur der Komponistin gut zur Geltung.
Für Musikakademie-Studenten scheint dieses Werk wie geschaffen, da sie in den diversen Rollen dieser 75minütigen Kammeroper ihre sängerischen und darstellerischen Kenntnisse beziehungsweise Fortschritte ideal unter Beweis stellen können.
Das Publikum im leider nur zu etwa zwei Drittel besetzten Haus schien sich gut unterhalten zu haben und belohnte alle Mitwirkenden mit starkem Beifall.
Udo Pacolt