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DRESDEN: ROMANTIK IN DEUTSCHLAND UND RUSSLAND / LEIPZIG: CASPAR DAVID FRIEDRICH UND DIE DÜSSELDORFER ROMANTIKER

21.10.2021 | Ausstellungen, KRITIKEN

caspar david friedrich „triptychon“ aus der eremitage~1
Caspar David Friedrich „Triptychon“ aus der Eremitage

DRESDEN / ALBERTINUM:
TRÄUME VON FREIHEIT           
ROMANTIK IN DEUTSCHLAND UND RUSSLAND      
Vom 2. Oktober 2021 bis 6. Februar 2022

LEIPZIG / MUSEUM DER BILDENDEN KÜNSTE:
CASPAR DAVID FRIEDRICH UND DIE DÜSSELDORFER ROMANTIKER
Vom 9. Oktober 2021 bis 9. Jänner 2022

Glotzt nicht so romantisch!

Bert Brecht hat sich über romantische Gefühle noch lustig gemacht. Aktuell steht die Romantik – als Epoche – wieder hoch im Kurs. Kürzlich wurde in Frankfurt direkt neben Goethes Geburtshaus das Deutsche Romantik-Museum eröffnet. In den prominenten Sachbuchverlagen C.H. Beck und Reclam erschienen heuer zwei umfangreiche Bücher über diese deutsche Schlüsselepoche. Und in Dresden und Leipzig, zentralen Städten dieser Ära, widmen sich zwei Ausstellungen der Malerei der Romantik.

Von Alexander Marinovic

„Träume von Freiheit“ ist der beziehungsvolle Titel der Schau im Albertinum in Dresden, einem Museum, das sich in seiner Dauerausstellung der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts widmet. „Romantik in Russland und Deutschland“ lautet der konkretisierende Untertitel, abgesteckt ist die Zeit mit der Spanne zwischen der Französischen und der 48er Revolution.

Die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland waren in dieser Zeit intensiv: Einerseits waren die russischen Zaren fast durchwegs mit deutschen Prinzessinnen verheiratet, andererseits knüpften die Napoleonischen Kriege und auch die Zeit nach dem Wiener Kongress mit ihren restaurativen Tendenzen enge Bande zwischen Russland, Preußen und Sachsen.

Aktuelle politische Brisanz zeigt sich im Abschnitt „Unmöglichkeit der Freiheit“, dessen Saaltext an die Enttäuschungen der hoch gestimmten Erwartungen durch den Terreur der Französischen Revolution, die Eroberungswut Napoleons, dien Demagogenverfolgungen im Deutschen Bund und die Niederschlagung des Dekabristen-Aufstands in St. Petersburg erinnert.  Als Ausstellungsobjekte illustrieren das die Stiefel Napoleons, ein Porträt von Zar Nikolaus I., „Inbegriff des russischen Despotismus‘, und eine zeitgenössische Videodokumentation des 1979 geborenen russischen Künstlers Kuskin mit dem Titel „Im Kreis“: Dabei filmte er sich, als er fünf Stunden durch eine mit flüssigem Zement gefüllte Grube stapfte, angebunden an einen Pflock in der Mitte. Es fällt schwer, nicht an Putin und Nawalny sowie die Rolle Deutschlands dabei zu denken.

Neben dem politischen Subtext bietet die Kooperation zwischen dem Albertinum und der Tretjakow-Galerie in Moskau erstklassige Gemälde, die in einer bewusst labyrinthischen Ausstellungsarchitektur des Stararchitekten Daniel Libeskind intelligent angeordnet sind: Hinweis auf die ständige Verunsicherung und die Suche nach permanenter Neuorientierung, die auch Teil der romantischen Bewegung waren.

 Der Weg durch die Schau ist damit nicht vorgegeben, sondern eröffnet je nach individueller Wahl unterschiedliche Zugänge, wie man von einem Thema zum anderen gelangt: Heimat, Sehnsuchtsort Italien, Kindheit, Freiheit der Kunst, Innenwelten, Selbstbildnisse, Triumph der Religion, Musik: Bei letzterem ist etwa ein Porträt des Teufelsgeigers Paganini dem Dirigentenstab Carl Maria Webers (des Erfinders dieses “Instrumentes“) gegenübergestellt. Die ausgestellten Werke wirken stark in der Zusammenstellung.

Eine Serie von Nachtlandschaften zeigt, wie sich die Epoche – in klarer Abgrenzung von der Aufklärung, dem „Age of Enlightment“  –  den dunklen Seiten des Lebens zuwandte: Mondüberglänzte Stadtsilhouetten vom Dresden und St. Petersburg bezaubern auch durch die Virtuosität, mit der die malerischen Herausforderungen dieses Sujets bewältigt werden.

Neben zahlreichen Künstlern, unter denen manche wie Ludwig Richter, Clausen Dahl oder Kersting in Dresen wirkten, finden sich als Protagonisten im Zentrum der Ausstellungsarchitektur vier Maler, zwei Russen, zwei Deutsche. Der in St. Petersburg ausgebildete Alexander Andrejewitsach Iwanow war fest in der klassischen Kunst verwurzelt, während der ältere Alexeij Gawrilowitsch Wenezianow die Schönheit der russischen Landschaft und die einfachen Menschen auf dem Lande verherrlichte.

Die beiden in Dresden wirkenden Künstler, Carl Gustav Carus und Caspar David Friedrich, sind mit herausragenden Werken ihrer Landschaftsmalerei vertreten. Dabei zeigen sich auch Verbindungslinien zwischen Deutschland und Russland: Der Arzt und Maler Carus wurde als Mediziner Korrespondent der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, seinem großen Renommee folgte auch Nikolai Gogol nach Dresden. C.D. Friedrich wiederum erfreute sich in seinen späteren Jahren großer Wertschätzung am Zarenhof, der bei dem Künstler direkt Gemälde ankaufte. Drei dieser Werke, „Mondaufgang über dem Meer“, „Auf dem Segler“ und Nächtlicher Hafen“, die man als allegorisches Triptychon betrachten kann, sind vorübergehend aus der Eremitage nach Dresden zurückgekehrt.

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Caspar David Friedrich Lebensstufen (1834)

Während in Dresden zehn Bilder von Caspar David Friedrich ausgestellt sind, findet man im Museum der Bildenden Künste in Leipzig fast fünfmal so viele eigenhändige Werke des unzweifelhaft bedeutendsten romantischen Landschaftsmalers. Folgerichtig steht auch sein Name im Titel der Schau: „Caspar David Friedrich und die die Düsseldorfer Romantiker“. Neben Gemälden sind auch zahlreiche Zeichnungen von seiner Hand präsentiert; im Idealfall auch Studien neben ausgeführten Gemälden, wie etwa dem stolzen Leipziger Besitz der „Lebensstufen“, in dem einfahrende Segelschiffe zu Menschen unterschiedlichen Lebensalters am Ufer parallel gesetzt sind – ein Paradebeispiel für Friedrichs Seelenlandschaften. Sie folgen dem Motto der Romantik, das der Poet Novalis formulierte: „Nach innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft. Die Außenwelt ist die Schattenwelt …“

In Friedrichs gezeichnetem Selbstporträt, das als besondere Zimelie präsentiert ist, geht der bohrende Blick des Künstlers, wie er aus dem Spiegel zurückgeworfen wird, den Dingen unerbittlich auf den Grund. Seine penibel gezeichneten Vorstudien belegen, wie viel Vorarbeit in den so klaren, von Menschen meist entleerten Landschaftsbildern steckt. Seine reduktionistisch verknappten Gemälde leuchten sofort neben den mit Staffagefiguren anekdotisch aufgelockerten Landschaften seiner Zeitgenossen hervor, so malerisch perfekt auch Richter und Carus sein mögen.

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Andreas Achenbach Seesturm an der norwegischen Küste (1837)

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Adrian Ludwig Richter Überfahrt über die Elbe bei der Ruine Schreckenstein (1837)

Noch stärker wirkt der Kontrast zu der titelgebenden Düsseldorfer Malerschule. Ihr seinerzeitiger Erfolg beruhte in den leicht verständlichen, effektvollen und erzählfreudigen Landschaften. Die in der Ausstellung gut vertretenen Protagonisten Carl Friedrich Lessing und Johann Wilhelm Schirmer hatten in jungen Jahren mit dem eine Generation älteren Friedrich in Dresden Kontakt und stiegen in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu Stars der deutschen Landschaftsmalerei auf, während Friedrichs Stern nach seinem Tod sank und erst wieder im frühen 20. Jahrhundert zu leuchten begann.

Nichts ist lehrreicher als   die Kontrastierung im Abschnitt „Das Meer als Grenzerfahrung“: stille Seestücke als existenzialistische Selbstbefragung bei Caspar David Friedrich, dramatische und pompös überhöhte Virtuosenstücke bei den Düsseldorfern –  melancholische Stille gegen lautstarke Dynamik.

Die Leipziger Ausstellung wirft im Vergleich zur Dresdener Schau nicht so viele weiterführende Fragestellungen auf; aber anhand der vorzüglichen Gemäldeauswahl regt sie zum Nachdenken darüber, wieso sich die Wertschätzung der im Titel genannten Maler im Lauf der Zeit so wandeln konnte. Wenn man will auch ein Lehrstück über die Relativität von Kunsturteilen. Die Wahrheit (oder was wir dafür halten) ist eben eine Tochter der Zeit…

 

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