Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DRESDEN: LA BOHÈME

20.11.2013 | KRITIKEN, Oper

Dresden / Semperoper:  „LA BOHÈME“ 19. 11. 2013

Unbenannt 
Foto: Semperoper

Alle Faszination ging bei dieser Aufführung (wie auch schon bei der am 5.11.2013) vom Orchester, der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Julian Kovatchev, aus. Vom ersten bis zum letzten Ton war die Kapelle nicht nur den Sängern ein sehr sicheres Fundament, sie verband gleichsam die sehr unterschiedlichen sängerischen Einzelleistungen zu einem großen Ganzen und erreichte damit eine großartige Gesamtwirkung der Aufführung.

 Wie der berühmte rote Faden, der nie abriss, zog sich der wunderbare Klang des Orchesters durch den gesamten Abend. Das Orchester war in jeder Phase präsent, ohne die Sänger in irgendeiner Weise einzuengen oder sich (z. B. durch Lautstärke) in den Vordergrund zu drängen, ganz im Gegenteil, Kovatchev ließ die Musiker oft sehr zurücknehmen, um den Akteuren auf der Bühne den „Vorrang“ zu lassen, so dass sich auch die weniger kräftigen Stimmen entfalten konnten. Die Oper mit ihrer teils herben, teils feinfühligen Handlung fand dennoch vorwiegend im Orchestergraben statt, allein durch die Ausdruckskraft und Sensibilität der instrumentalen Wiedergabe, bei der die Sänger Gelegenheit hatten, sich vom Orchester inspirieren zu lassen und, entsprechend ihren Fähigkeiten, ihren Anteil dazu beizutragen.

 Im Gegensatz zu der kraftvollen Stimme und Darstellung von Rachel Willis-Sorensen als Mimi (Rollendebüt 2.11.2013), die sich für die Rolle eher zurücknehmen musste und augenscheinlich in Richtung große Wagner-Frauengestalt tendiert (vgl. Artikel vom 5.11.2013), wirkte dank der rücksichtsvollen Orchesterbegleitung die zartere Stimme von Kyung-Hae Kang durchaus rollengerecht. Mit ihrem schönen, sensiblen Sopran war sie eher eine zurückhaltende, kränkelnde und liebesuchende Mimi, die mit Gesang und Darstellung der Rolle in ihrem Ursprung sehr entgegenkam und in ihrer persönlichen Art unbedingt glaubhaft wirkte. Sie nimmt diese Rolle sehr ernst, so dass sich ihr ehrliches Bemühen um eine gute Darstellung unbedingt mitteilt.

 Mit ihrer zierlichen Figur passte die Kang gut in die Rolle der kleinen Mimi und bildete zusammen mit Rame Lahaj, einem stimmlich und darstellerisch überzeugenden Rodolfo, auch optisch ein „schönes Paar“, dessen Stimmen auch im Timbre gut zusammenpassten.

 Anders als Nadja Mchantaf (5.11.) gab Vanessa Goikoetxea eine sehr kapriziöse und weniger extrem vulgäre, dafür aber sehr glaubhafte Musetta, die auch eine menschliche Seite hat, die jedoch am Schluss im „Ave Maria“ nicht ganz zu dem berührenden Ausdruck fand, den man an dieser Stelle schon oft erleben konnte.

 Als Marcello war (wie auch schon am 5.11.) Zachary Nelson für den erkrankten Markus Butter eingesprungen. Er war weniger der adäquate Gegenspieler zu Rodolfo, fügte sich aber gut ins Ensemble ein.

 Peter Lobert hat auf die Rolle als Hausbesitzers „abonniert“ und überzeugt immer wieder von neuem mit seiner dunklen kräftigen Stimme. Verblüffend echt gestaltet er immer wieder die „etwas besserer Person“ mit den sehr „gewöhnlichen“ Ambitionen. Desgleichen überzeugt auch Rainer Büsching, der hier wenig Gelegenheit hat, seine Stimme einzusetzen, allein schon durch seine Erscheinung als alter Staatsrat.

 Tomislav Lucic sang dieses Mal als Colline eine passable „Mantel-Arie“, wenn auch mitunter mit noch leicht flackernder Stimme. Hingegen blieb Alexanders Hajek (Junges Ensemble) als Schaunard ziemlich unauffällig, passte aber auch in dieser Art in die Rolle.

 Dank des guten Orchesters, das die Sänger durch den Abend „trug“ hinterließ die Aufführung einen durchaus positiven Gesamteindruck, der vom Publikum mit Freuden aufgenommen wurde. Die Sänger konnten sich voll und ganz auf Orchester und Dirigent verlassen und in diesem Rahmen mit manch guter Szene oder Gesangspassage überraschen.

 Ingrid Gerk

 

 

Diese Seite drucken