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DRESDEN/ Kreuzkirche: J.S. BACHS „JOHANNESPASSION“

Dresden/Kreuzkirche: J. S. BACHS “JOHANNESPASSION“ 9.3.2013

Zum traditionellen Repertoire des Dresdner Kreuzchores gehört neben der alljährlichen Aufführung von Bachs „Matthäuspassion“ auch in größeren Abständen die „Johannespassion“, meist alternierend mit der „h‑Moll-Messe“. Obwohl die „Johannespassion“ als die dramatischere der beiden Passionen gilt, betonte Kreuzkantor Roderich Kreile in dieser Aufführung mehr die beschauliche Seite.

 Der von Peter Kopp sehr gut vorbereitete und am Cembalo begleitete Chor verfügt zurzeit über sehr schöne klangvolle Knabensoprane und gute, sichere Männerstimmen. Er sang die Choräle mit der bei Bach erforderlichen Durchsichtigkeit, und ließ das Ineinanderwirken der polyphonen Linien deutlich hörbar werden. Mit erstaunlicher Sicherheit steigerte er sich in den aufgeregten Volkschören (turbae) bis zu der, mit entsprechendem Nachdruck gesungenen Forderung „Weg, weg, mit dem, kreuzige ihn!“. Der spezifische Knabenchorklang mit seinen jungen, frischen Stimmen verleiht Bachs Musik immer einen gewissen Ausdruck der Unschuld und Aufrichtigkeit.

 Die für ihre Qualität, Stilsicherheit und Vielseitigkeit bekannte Kammerakademie Potsdam, das junge Spitzenorchester des Landes Brandenburg, bildete mit seinem Instrumentarium für die historische Aufführungspraxis das klangvolle Fundament und ließ gewisse Assoziationen an die Aufführungen des 18. Jh. zu. Bachs Musik verfehlt auch mit modernen Instrumenten ihre Wirkung nicht. Diese stilgerechte, instrumentale Begleitung betonte jedoch die Innigkeit und auch lyrische Seite der oft sehr dramatisch gebotenen Passion. Durch ein besonders langes, bei alten Instrumenten leider unerlässliches Nachstimmen der Instrumente zwischen
den beiden Teilen des Werkes entstand allerdings eine gewisse Zäsur, die den Gesamteindruck etwas beeinträchtigte. An der Orgel wirkte Kreuzorganist Holger Gehring mit.

 Unter den Solisten bestach vor allem die in Opern-, Oratorien- und Liedgesang gleichermaßen erfahrene Altistin Annette Markert, die sich mit besonderer Hingabe der Barockmusik widmet. Sie gestaltete mit großer Innigkeit und Ausdruckskraft, sehr ergreifend und bewegend, die Alt-Arien auf höchstem Niveau und ließ sie damit zum Kernpunkt der Aufführung werden. Sie hat nicht nur die stimmlichen Voraussetzungen, sehr langen Atem, eine wunderbar warme, klangschöne Stimme, in der vieles mitschwingt, und sehr viel Einfühlungsvermögen in Bachs Musik, sie lässt sich diese Aufgabe auch sehr angelegen sein, deutet innerhalb der großen musikalischen Linien alle Details liebevoll aus und lässt sich von der Musik inspirieren. Allein der „nahtlose“ Übergang vom innig trauernden „Es ist vollbracht“ zur Dynamik in „Der Held aus Juda siegt mit Macht“ war bewundernswert.

 Mit sehr viel innerer Anteilnahme und heller, klarer, gut klingender und auch tragfähiger, man möchte fast sagen, „engelhafter“ Stimme sang die blinde Sopranistin Gerlinde Sämann die beiden Sopranarien. Die Arie „Ich folge dir gleichfalls“ mit ihren chromatischen Läufen beherrschte sie sehr sicher und ließ die Arie „Zerfließe mein Herze“ zu einem berührenden Moment werden.

 Mit fundierter Technik, fest sitzender Stimme mit angenehmem Klang und der nötigen, wenn auch etwas zurückhaltenden, Würde gestalte Henryk Böhm die Christuspartie und machte sie zur zentralen Gestalt.

 Ein Sänger der Evangelisten-Partie hat es an dieser Stelle nicht leicht. Hatte doch gerade hier Peter Schreier mit dieser Partie seinen „Durchbruch“, auf den die
weltweiten Gastspiele folgten, bei denen er mit seinem stimmlichen und gestalterischen Können unnachahmliche Maßstäbe für die Interpretation setzte.

 Der amerikanische Tenor Thomas Cooley, der schon oft an dieser Stelle die Evangelisten-Partien übernommen hat, bemühte sich mit viel Engagement um eine lebendige, interessante Darstellung, sehr kontrastreich, sehr lebhaft, oft aber auch übertrieben opernhaft deklamierend und mit wechselhafter, nicht selten ziemlich flackernder Stimme (die manchmal sogar fast ihren Dienst zu versagen drohte), in der Mittellage durchaus ansprechend, in der Höhe aber sehr vorsichtig und leise. Die Tenor-Arie war Geschmackssache. In seiner etwas übertrieben hektischen Art nahm er der Passion etwas von der Beschaulichkeit, die bei dieser Aufführung besonders im Vordergrund stand.

 Die Bassarien und kleineren Nebenrollen lagen in den Händen von Julian Orlishausen, einem jungen, aufstrebenden Sänger mit wohlklingender Stimme und guter Gesangstechnik. Aus seiner Zeit beim Windsbacher Knabenchor ist er bestens mit Oratorienaufführungen und insbesondere der Musik Bachs vertraut. Bei dieser Aufführung konzentrierte er sich vor allem auf die Arien, die durch das ausgeglichene Zusammenwirken von Singstimme und den beiden, klang- und gefühlvoll begleitenden Violen d’amore mit ihrem betörenden Klang zu einem berührenden Hörerlebnis wurden. In der, in schöner Weise vom Kreuzchor „untermalten“ Bass-Arie „Mein teurer Heiland lass dich fragen“ verschmolzen die Stimmen von Solist und Chor in idealer Weise.

 Ingrid Gerk

 

 

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