Dresden / Gläserne Manufaktur: DONALD RUNNICLES UND RADU LUPU BEI DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 6. 12. 2013
Radu Lupu
Zwischen der Sächsischen Staatskapelle Dresden und der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen, wo seit 2001 der „Phaeton“ in Handarbeit gefertigt wird, besteht seit der gleichen Zeit ein „perfektes Zusammenspiel“, das seinen Anfang nahm, als Musiker der Staatskapelle die feierliche Eröffnung der Manufaktur begleiteten. Seitdem locken nicht nur die bei der Dresdner Bevölkerung überaus beliebten Open-Air-Konzerte „Klassik picknickt“ die Musikfreunde im Sommer auf die Wiesen vor der Manufaktur, sondern auch Konzerte im Winter in die sehr modernen Räumlichkeiten im Inneren.
Mit W. A. Mozart und B. Britten (1913-1976), einem weiteren Jubilar des Jahre 2013 neben R. Wagner und R. Strauss, bescherten beide Partner dem Publikum ein echtes „Geschenk“ am Nikolaustag. Am Pult stand Donald Runnicles, der die, vom ersten Ton an exquisit und vor allem sehr klangvoll spielende, Staatskapelle, das „Orchester des Jahres“ (einer Kritikerumfrage in der „Opernwelt“ zufolge) mit Umsicht und Inspiration leitete.
Zwischen zwei Klavierkonzerten von Mozart stand die fünfsätzige „Suite on English Tunes ‘A time there was …’ für Orchester” (op. 90) von Britten in der Mitte des Programmes, die er als Suite auf englische Volksweisen als zweite Komposition nach seiner Herzoperation mit Schlaganfall 1973 und daraus resultierenden Depressionen komponierte. Durch die Freude am Komponieren stellte sich eine Verbesserung seines Zustandes ein, die aber doch nicht zu einer angemessenen Wiederherstellung seiner Gesundheit führte.
In dieser Suite, wo jeder Satz nach einem bestimmten Song benannt ist, orchestrierte Britten die oft nur teilweise angegebenen Songs und entwickelte sie – sehr unterschiedlich in der Stimmung – weiter. Während oft auch schroffe oder bittere Töne angeschlagen werden, wirkt der letzte Satz strahlend ruhig und resigniert, möglicherweise schon als Vorahnung auf seinen eigenen Tod. Die Suite wurde 1975 beim Aldeburgh Festival uraufgeführt. Ein Jahr später starb Britten.
Runnicles und die Kapelle loteten das Werk in seiner eigenen, ganz persönlichen Romantik mit Widerstreit zwischen freudiger Hoffnung und unabdingbarem Schicksal, symbolisch durch harte Paukenschläge wiedergegeben, optimal in all seinen Tiefen aus.
„Umrahmt“ wurde dieses, mit Brittens persönlichem Schicksal so eng verbundene, in seiner Art erschütternde, kleine Werk von zwei Klavierkonzerten Mozarts mit Radu Lupu, dem Capell-Virtuosen dieser Spielzeit, als Solist.
Er gastierte schon zweimal bei der Sächsischen Staatskapelle: 1997 mit R. Schumanns Klavierkonzert (Dirigent: Ulf Schirmer) und 2008 mit B. Bartóks 3. Klavierkonzert (Dirigent: Chr. Eschenbach).
Sehr gelassen, mit innerer Seelenruhe, aber starker Ausstrahlung seines Spieles widmete sich Radu Lupu Mozarts „Konzerten für Klavier und Orchester A‑Dur (KV 488)“ und B‑Dur (KV 595). Sein klangvoller (manchmal leicht „nuschelnder“) Anschlag und seine nicht vordergründige, sondern immer in einhelliger Harmonie mit dem Orchester ganz dem Werk hingegebene Art, begeistern immer wieder. Sein Auftritt ist unspektakulär. Er fühlt sich ganz dem Werk verpflichtet und lässt die Zuhörer in entspannter Atmosphäre teilhaben. Sein Solopart wirkt nie vordergründig, sondern immer in den Orchesterklang harmonisch eingebunden und dennoch großartig. Er mag an das „Genieverständnis“ früherer Zeiten erinnern, ist aber so wohltuend in unserer heutigen, hektischen Zeit. Bei ihm und der Kapelle stand vor allem ein dem Wesen der Musik Mozarts entsprechender Ausdruck im Vordergrund – und das auf sehr hohem Niveau.
Ingrid Gerk