Dresden/Dreikönigskirche: „… UND WENN DIE WELT VOLL TEUFEL WÄR“ – TOURNEE-ABSCHLUSS-KONZERT DES ENSEMBLE VOCALIS DRESDEN – 2.8.2015
„… und wenn die Welt voll Teufel wär“– das ist ein Motto für eine Tournee und das Abschlusskonzert, das neugierig macht. Es ist wie geschaffen, um in der gegenwärtigen Kulturszene, bei der es mit Satanskult und Krimilust schon etwas reißerisch zugehen muss, um auch bei nicht Insidern Interesse zu wecken und, obwohl es schon einige Jahrhunderte alt ist und das Konzertprogramm vorwiegend Alte Musik enthielt, noch so zu „zünden“.
Vier junge sangesfreudige Damen und ebenso viele Herren fanden sich 2007 an der Dresdner Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ zum ensemble vocalis dresden, einem sehr leistungsfähigen Gesangsensemble zusammen, mit dem Ziel, Werke der Chorliteratur solistisch zu erschließen. Die Besetzung mit acht Sängern ermöglicht ein großes Spektrum an geistlicher und weltlicher Chormusik des 15. bis 19. Jahrhunderts und zeitgenössischer Kompositionen. Das Ensemble fühlt sich auch weiterhin der Nachwuchsförderung verpflichtet und „erneuert“ sich regelmäßig durch die Aufnahme neuer Studierender.
Mit ihrer Jugendlichkeit und Frische bringen die 8 versierten Sängerinnen und Sänger auf ihren Reisen insbesondere die Alte Musik einem breiten Publikum näher. Sehr gute musikalische und stilistische Voraussetzungen sind durch die Ausbildung an der Dresdner Musikhochschule und die „Vorbildung“ der gegenwärtig im Ensemble singenden Herren im traditionsreichen Dresdner Kreuzchor gegeben.
Im Ensemble vocalis wird die gute sächsische Kirchenmusik- und Chortradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde und deren Wert nicht nur in gesangstechnischer Perfektion, sondern auch in der Auslotung der geistigen und geistlichen Relevanz der Werke liegt, weiter gepflegt, mit Leben erfüllt und weitergegeben. Man spürt, dass die Ausführenden bei jedem der von ihnen interpretierten Werke mit Herz und Seele dabei sind.
Seit Januar dieses Jahres ist der in Minsk (Weißrussland) geborene Vitali Aleshkevich der künstlerische Leiter des Ensembles. Er wurde von H.-C. Rademann (u. a. Gründer und Leiter des Dresdner Kammerchores, Chefdirigent des RIAS Kammerchores, Internationale Bachakademie Stuttgart usw.) geprägt und leitet nun in diesem Sinne das Ensemble.
Nach der jüngsten Tournee, die durch Mitteldeutschland, vom Spreewald bis nach Torgau, wo derzeit die viel beachtete Auftakt-Ausstellung zum 500. Reformationsjubiläum „Luther und die Fürsten“ zu sehen ist, führte, wurde beim Abschlusskonzert in der Heimatstadt des Ensembles diese Qualität in schönster Weise sicht- und vor allem hörbar.
Als prominenter Mitgestalter an der Orgel wirkte der in allen Stilrichtungen versierte Interpret und Meister der Improvisation, Matthias Eisenberg mit. Bei den Klängen, die er der Schuke-Orgel (der Nachfolge-Orgel der im Krieg zerstörten Orgel von Zacharias Hildebrand, einem Schüler und Gesellen Gottfried Silbermanns) entlockte, zog das Ensemble mit den Worten des Chorals, die Konzert und Tournee den Titel gaben (Auszug) aus der Bach-Kantate „Ein feste Burg ist unser Gott“ (BWV 80), singend mit sehr sicherer Intonation und gut klingenden Stimmen ein.
In sehr unterschiedlichen, abwechslungsreichen, der jeweiligen Komposition besonders gut entsprechenden, Aufstellungen folgten, mit deutlicher Aussprache, sehr guten, kräftigen Stimmen und homogenem, ausgeglichenem Chorklang A-capella-Chorsätze von Ludwig Senfl (1490-1543): „Geläut zu Speyer“, Heinrich Schütz: „Singet dem Herrn eine neues Lied“ (Psalm 98), „Ein feste Burg“ nach M. Luther, das das gesamte Programm durchzog, und „Jauchzet dem Herren“ (aus Psalm 100), dem Thüringer Kirchenkomponisten Melchior Vulpius (um 1570-1615): “Die beste Zeit im Jahr ist mein“ und von Thomaskantor Johann Hermann Schein (1536-1630): „Ich bin die Wurzel“.
Mit einer seiner genialen Improvisationen durch die Stilrichtungen aller Jahrhunderte leitete Matthias Eisenberg vom 16. und 17. Jh. zu einem Vertreter des 19. Jh., Hugo Distler (1908-1942) und seiner Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“ (Psalm 98) über. Kernstück des Konzertes aber war die, mit Transparenz und Farbigkeit gesungene Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“ von J. S. Bach, bei der das innig gesungene „Gute Nacht“ besonders eindrucksvoll gelang. Von Bach war auch der Abschluss-Choral „Das Wort sie sollen lassen stahn“ aus der eingangs zitierten Kantate (BWV 80), der das vielseitige, abwechslungsreich und in sich stimmig konzipierte und in schöner A-capella-Kultur gebotene Programm und damit den Kreis schloss.
Die trotz verlockendem Sommerwetter sehr zahlreich erschienenen Besucher entließen das Ensemble erst nach zwei Zugaben. Mit dem durch eine sehr weitläufige Aufstellung der Sänger mit wunderbare Klangfülle und leise verschwebendem Schluss dargebotenen „Abendlied“ von J. G. Rheinberger (1839-1901) und vier, sehr andächtig und feinsinnig interpretierten Strophen des in seiner erhabenen Schlichtheit fast zum Volkslied gewordenen Liedes „Der Mond ist aufgegangen“ von J. A. P. Schulz, der u. a. auch Opern und Singspiele schrieb, klang ein Konzert mit vorwiegend Alter Musik in qualitätsvoller Wiedergabe und jugendlichem Enthusiasmus aus.
Ingrid Gerk