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DRESDEN/ Frauenkirche: JUNGE KLASSIK: ALEXANDER KRICHEL UND DAS KAMMERORCHESTER DER STAATSKAPELLE BERLIN

Dresden/Frauenkirche: JUNGE KLASSIK: ALEXANDER KRICHEL UND DAS KAMMERORCHESTER DER STAATSKAPELLE BERLIN – 21. 06. 2014

 In der Reihe „Junge Klassik: Stars der neuen Generation“ erhalten junge Solisten in diesem Sommer in 5 Konzerten die Möglichkeit, sich, zusammen mit exponierten Orchestern, wie den Kammerorchestern der Staatskapelle Berlin und der Mailänder Scala, den Musici di Roma und dem Ensemble des Moritzburg Festivals, an einem, bei Musikliebhabern und Touristen beliebten Ort, der Frauenkirche, einem musikliebenden Publikum vorzustellen. Das Publikum hat wiederum die Möglichkeit, die angehenden Meister auf ihrem Weg zur Spitze zu erleben.

 Junge Musiker haben oft einen unverstellten Blick, der zu neuen Hörerlebnissen führt und manches verständlicher werden lässt, Zusammenhänge neu erschließt, die vielleicht noch nie so deutlich zutage getreten sind, und schließlich die „Klassik-Szene“ neu belebt, um sie weiterhin lebendig zu erhalten.

 Den „Reigen“ eröffnete Alexander Krichel, Gewinner des ECHO Klassik 2013, begleitet vom Kammerorchester der Staatskapelle Berlin, das seinerseits auf der Suche nach neuen Wegen mit der Aufführung von W. A. Mozarts Bearbeitungen Bachscher Fugen für eine Erweiterung des Konzertprogrammes sorgte.

 Das Orchester spielt auf modernen Instrumenten, aber mit dem Reiz und Wohlklang der Barockzeit und Klassik. Sein Geheimnis liegt offenbar darin, dass es sich an der historischen Aufführungspraxis orientiert, ohne darin akribisch zu erstarren. Es erfasst unverstellt den Sinn der Kompositionen, denen es sich widmet, und musiziert „mit dem Herzen“. Die Musiker legen viel Wert auf Klarheit der Strukturen und feinen, edlen Klang, widmen sich ganz der Musik und einem wohltuenden Musizieren ohne Äußerlichkeiten, einfach „nur“ als Dienst an der Musik in Hochachtung vor dem kompositorischen Schaffen der Meister vergangener Jahrhunderte. Die Musiker hören aufeinander, stimmen sich untereinander ab, so dass trotz des relativ großen Kammerorchesters kein Dirigent vonnöten ist.

 Zum Thema „Preußens Hofmusik“ spielten sie ohne Stabführung eines Dirigenten, „nur“ unter der „Geigenbogen“-Führung ihres agilen 1. Konzertmeisters, Stephan Mai, der auch locker und bis in den letzten Winkel des Kirchenraumes verständlich plaudern konnte, um einen Fehler im Programm richtigzustellen und eine unplanmäßige Pause geschickt zu überbrücken, „Ouvertüre und Allegro D‑Dur“ (WV AI:2) von Johann Gottlieb Graun (1703‑1771). Graun war ein „echter“ Vertreter des preußischen Hofes unter Friedrich II. Er war dort Konzertmeister – nicht zu verwechseln mit seinem Bruder Carl Heinrich Graun, der an diesem Hof als Kapellmeister wirkte.

 Nach kurzem „Zusammenraufen“ (vielleicht wegen der ungewohnten Umgebung) entfaltete das Orchester einen ungewöhnlich schönen Streicherklang bei W A. Mozarts Bearbeitungen von J. S. Bachs Fugen aus dem „Wohltemperierten Klavier“ Bd. II (KV 405/4) und aus Bd. I (ohne KV), denen er eigene Adagio-Einleitungen im alten Stil voranstellte.

 Bei J. Haydns leidenschaftlicher „Sinfonie Nr. 49 f‑Moll“, „La Passione“ (Hob. 1:49) gesellten sich zu dem wunderbaren Streicherklang sauber spielende Bläser, die sich harmonisch in den Gesamtklang einfügten und deren Klang mit dem der Violinen im kongenialen Zusammenklang verschmolz. Sehr liebevoll widmeten sich die Musiker dem „Adagio“, um es in seiner gedanklichen Tiefe zu erfassen und entwickelten viel Temperament beim Finale: „Presto“, ohne die gedankliche Tiefe des Satzes zu vernachlässigen, wie es jetzt leider bei manchen Orchestern (Un-)Sitte ist. Fernab vom gegenwärtigen Mainstream – immer schneller, lauter (und flüchtiger), fanden sie das genau richtige Tempo, um auszumusizieren und trotzdem die Spannung zu halten. Es gab keine „Längen“, nur einen auffallend schönen, hellen Streicherklang, feinstes Pianissimo und eine spürbare Liebe zur Musik. Sogar die Pauke hielt sich in Grenzen.

Dezent und klangschön, einfühlsam und gut untereinander abgestimmt, widmeten sich danach 5 Bläser Mozarts „Adagio und Fuge a‑Moll (o. KV) nach Bachs „Fuge in d‑Moll“ aus Bd. I des „Wohltemperierten Klaviers“. Diese Fuge mit Präludium, „original“ von J. S. Bach spielte Alexander Krichel dann auf einem modernen Konzertflügel. Es muss nicht immer Cembalo sein. Krichel spielte unter sehr geschickter Verwendung des Pedals so klangschön und ließ die musikalischen Linien so klar erstehen, dass man fast geneigt war, dem Konzertflügel den Vorrang zu geben.

 Bei Mozarts „Konzert für Klavier und Orchester D‑Dur (KV 537), dem „Krönungskonzert“ spielte er den Klavierpart in kongenialer Übereinstimmung mit dem Orchester. Mit der Kadenz von Friedrich Gulda und besonders schönen Trillern und eigenen, leicht überhöhenden, einfühlsam weiterführenden, aber sehr wirkungsvollen Verzierungen, ganz im Sinne dieses Konzertes „bekrönte“ er das „Krönungskonzert“ im wahrsten Sinne des Wortes. Fernab allen Mainstreams, nur dem Werk zugetan, ganz natürlich empfunden, war es eine Rückbesinnung auf die Werte der Klassik. Vielleicht liegt die Zukunft der Musik gerade darin, dass in zunehmendem Maße junge Musiker auf äußerliche Effekte verzichten und sich intensiv mit dem Werk, das sie interpretieren, auseinandersetzen.

 Als Zugabe verblüffte Krichel das Publikum mit „El Diavolo suelto“ („Der Teufel ist los“ – und das in einer Kirche!) von Heraclio Fernández, einem der wichtigsten venezolanischen Songs, mit dem er atemberaubende virtuose „Hexenkünste“ präsentierte, die er ebenso beherrscht wie ein gedankentiefes Musizieren auf der Grundlage solider Technik – alles zu seiner Zeit bzw. entsprechend der Komposition.

 Ingrid Gerk

 

 

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