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DRESDEN/ Frauenkirche: „GRANER MESSE“ VON FRANZ LISZT ZUM CHORJUBILÄUM

Dresden/Frauenkirche: „GRANER MESSE“ VON FRANZ LISZT ZUM CHORJUBILÄUM – 13.6.2015

 

2005, im Jahr der Einweihung der wiedererstandenen Dresdner Frauenkirche wurde von Frauenkirchenkantor Matthias Grünert auch der Chor der Frauenkirche gegründet, der in diesem Jahr sein 10jähriges Bestehen feiert. Aus diesem Anlass hatte Grünert für die Festaufführung die „Graner Messe“ gewählt, die Franz Liszt seinerzeit als Auftragswerk für die Einweihung der neuen Basilika zu Esztergom (Gran), in Nordungarn an der Donau gelegen und Sitz des Erzbischofs von Ungarn, komponierte und deren Uraufführung er 1856 bei der Weihe dieses monumentalen Kirchenneubaus selbst leitete. Die Basilika war nach besonderen architektonischen Gesichtspunkten auf historisch bedeutsamem Grund anstelle der, in den Jahren 1001 – 1010 von König Stefan errichteten und später zerstörten, Basilika und deren im 12. und 16. Jh. ebenfalls zerstörten Nachfolgebauten errichtet worden und gilt bis heute als „Nationalheiligtum“ der Ungarn. Den riesigen Dimensionen des monumentalen Kuppelbaus, des größten Sakralbaus Ungarns und eines der größten Kirchenbauwerke überhaupt, entsprachen ein extrem großes Orchester und ein ebensolcher Chor.

 Für Liszt als führendem Vertreter der „Neudeutschen Musik“ sollte die neue Kirchenmusik „weihevoll, stark und wirksam“ sein, zugleich aber auch „transparent, heilig, sprachentfaltend und einfach, feierlich und ernst, feurig und ungezügelt, stürmisch und weihevoll, klar und innig“, d. h. voller extremer Gegensätze, die die Menschen aufrütteln und stark beeindrucken sollten. Im Sinne dieser Ideale sollte die „Graner Messe“ mit 80 min. Aufführungsdauer dem besonderen Anlass als ein ebenso außergewöhnliches, nachhaltiges und einzigartiges musikalisches Ereignis entsprechen. Liszt schuf damit keine Messe für den liturgischen Gebrauch, sondern ein „Festkonzert“ im liturgischen Sinne. Dennoch hat er, wie er an Richard Wagner schrieb, diese großangelegte katholische Messe „aus wahrhaft inbrünstigem Herzens-Glauben komponiert“. Eine kritische Stimme warnte damals den Bischof, dass diese Messe „auf Kosten der musica sacra geschriebene Musik der Zukunft“ sei.

 So ganz scheint sie auch jetzt in der Zukunft – zumindest in Deutschland – noch nicht angekommen zu sein. Es ist ein grandioses Werk mit vielen Facetten, dessen Wirkung allerdings wesentlich stärker als bei Messen des 17. und 18. Jh. von der Qualität einer Aufführung abhängt. Schon wegen des großen Orchesters und Chores und entsprechender Solisten wird sie relativ selten aufgeführt. Das Publikum, darunter auch Liebhaber von Kirchenmusik, fühlen sich von den gewaltigen Klangmassen nicht selten überfordert. Deshalb kann es als ein Verdienst Matthias Grünerts gelten, die Dresdner Musikfreunde und zahlreichen Gäste der Stadt mit der „Graner Messe“, diesem besonderen Werk, schon zum 2. Mal (vgl. Aufführung am 29.10.2011 – „Der neue Merker“-online,) bekannt gemacht zu haben.

 Die Dresdner Frauenkirche, ebenfalls ein Kuppelbau, jedoch wesentlich geringer in den Abmessungen und nach den architektonischen Idealen der Barockzeit gebaut, hat andere akustische Bedingungen als die Basilika zu Esztergom und erfordert ein Anpassen dieser Klangdimensionen an die lokalen Gegebenheiten. Nach den ersten innigen Takten des Orchesters orientierte Grünert vorwiegend auf gebändigte Lautstärke der Klangmassen in guter Konformität zwischen dem großen, vor der Chorschranke akustisch günstig platzierten Orchester, der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz, und dem zahlenmäßig nicht ganz so starken Chor der Frauenkirche. Die Aufführung war geprägt von durchgängiger Klarheit und Sachlichkeit. Das feierliche Pathos, von dem „die Messe voll ist“, trat dabei oft zurück, wurde aber in manchen Teilen, wie dem „Benedictus“, zum klangvollen Erlebnis.

 Die Solisten wurden ihren anspruchsvollen Aufgaben sehr gut gerecht. Sie sangen mit großer Gewissenhaftigkeit und schöner Transparenz, auch bei größerer Lautstärke und höchster Expressivität. Trotz sehr unterschiedlicher Timbres – Alt und Bass harmonierten sehr gut mit den anderen Stimmen, Sopran und Tenor mit ihrem individuellen Timbre nur bedingt – gelang aufgrund der Stilsicherheit und Erfahrung aller Solisten immer ein sehr gut abgestimmtes Zusammenwirken, sowohl innerhalb des Solistenquartetts, als auch mit dem Chor und dem trotz seiner Größe sehr gut, harmonisch und ausgeglichen musizierenden Orchester, dessen Bläser stets sauber und zuverlässig, wenn auch mit sachlich-nüchternem Klang, ihre vielfältigen Aufgaben erfüllten und dessen sehr guter Paukist in wunderbarer Abstimmung mit dem übrigen Orchester die Paukenschläge perfekt abgestimmt setzte und in genau richtigem Maß ausdrucksstark die Orchesterpassagen unterstrich.

 Stefanie Krone-Hackhausen übernahm als Sopran die führende Position und setzte sich mit kraftvoller, Vibrato-reicher Stimme und exakter Ausführung ihrer Partie durch. Rahel Haar sang mit weicherer, angenehmer Stimme und guter Artikulation die Altpartie. Eric Stokloßa, Tenor, orientierte auf sehr exakte Ausführung und gute Phrasierung. Der Bariton Andreas Scheibner verfügt über alle Tugenden eines guten Sängers und neben seiner  Operntätigkeit über reiche Erfahrung im Oratorienfach. Mit kraftvoller Stimme und sehr guter Textverständlichkeit kam er mühelos über das große Orchester, da seine Stimme sehr gut trägt und selbst im leisesten Pianissimo noch gut zu verstehen war. Im „Agnus dei“ steigerte er sich zu berührendem Ausdruck.

 Matthias Grünert sorgte für eine ausgeglichene Aufführung, bei der die groß angelegten musikalischen Bögen und Phrasen deutlich wurden. Mit dieser Aufführung wurde das gewaltige Werk in seiner weitgefächerten Klanglichkeit ansprechend wiedergegeben und war durchaus geeignet, dieser Messe neue Freunde zu gewinnen.

 Ingrid Gerk

 

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