Dresden/Frauenkirche: BACH, HÄNDEL UND MENDELSSOHN IN DER 193. SONNTAGSMUSIK – 10.2.2013
Die schöne Tradition der Sonntagsmusiken wird auch in diesem Jahr fortgesetzt. In absehbarer wird sie ihre 200. Veranstaltung erreichen.
Am zweiten Februar-Sonntag wurde in diesem Rahmen ein ausgewogenes Programm mit Kompositionen aus Barock und Romantik zu Gehör gebracht. Das bewährte ensemble frauenkirche, vorwiegend aus Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle Dresden, eröffnete das Programm sehr frisch und musizierfreudig und in seinem immer wieder beeindruckenden ausgewogenen Orchesterklang mit G. F. Händels bekanntem und sehr eingängigem „Konzert B Dur für Orgel und Orchester“ (op. 4 Nr. 2, HWV 290). An der, akustisch nicht sehr günstig aufgestellten, Truhenorgel spielte Matthias Grünert den Solopart sehr flüssig und immer konform mit dem, ganz auf die Musik konzentrierten Kammerorchester.
Danach eilte er zur großen Kern-Orgel, um J. S. Bachs Choral „O Lamm Gottes, unschuldig“ für Orgel solo aus der Sammlung „Achtzehn Leipziger Choräle“ (BWV 656) zu spielen. Seine Registrierung betonte die romantische Seite, die auch in der Barockmusik und auch bei Bach schon anklingt, aber sonst weniger den gewohnten Klangcharakter dieser Musik bestimmt.
Das Hauptwerk bildete Bachs Kantate „Du wahrer Gott und Davids Sohn“ (BWV 23). Hier beeindruckten vor allem die beiden, vom Timbre her sehr unterschiedlichen Solistinnen im Duett (von Bach als „Aria“ bezeichnet), Jana Rainer mit ihrem hellen, glockenreinen Sopran und Bettina Ranch mit ihrer sehr dunkel gefärbten, volltönigen Altstimme. Man hätte sich gern von jeder dieser beiden Sängerinnen eine Solo-Arie gewünscht, aber das hatte Bach in dieser Kantate nicht vorgesehen. Der Tenor Eric Stockloßa schien ebenfalls in besonders guter Form zu sein, hatte aber leider auch nur ein „Recitativo“ zu singen, bei dem er durch auffallend klare Diktion und deutliche Artikulation beeindruckte.
Anstelle des bewährten Kammerchores der Frauenkirche sang dieses Mal das collegium vocale, bestehend aus 4 Damen und 5 Herren. Es konnte allerdings die gewohnten Qualitäten des Kammerchores noch nicht ganz erreichen und zu dem, an dieser Stelle gewohnten, ausgeglichen Chorklang finden, auch die Frauenstimmen erreichten nicht ganz die an dieser Stelle gewohnte Klangschönheit.
Den Abschluss bildete F. Mendelssohn-Bartholdys bekannte und an dieser Stelle schon oft zu Gehör gebrachte „Sonate Nr. III A Dur“ (op. 65 Nr. 3, MWV W 58). Grünert hatte sich für eine sehr vibrato-reiche Registrierung an der großen Frauenkirchenorgel entschieden und begann den gewaltigen 1. Satz (con moto maestoso) mit brausendem Orgelklang – nicht uninteressant, aber auch nicht ganz dem Werk in seiner besonderen Schönheit und Ausdruckskraft entsprechend. Seine Art der Interpretation war individuell geprägt, und es fiel schwer, nicht immer an andere Interpretationen dieser Sonate zu denken, die das persönliche Bekenntnis Mendelssohns sehr deutlich werden ließen. Wie jede gute Komposition hat auch diese Sonate ihren eigenen, ganz spezifischen Charakter, der immer wieder stark berührt, hier aber in eine andere Richtung gewiesen wurde.
Die Registrierung des sehr gefühlvollen, lyrischen Satzes (Andante tranquillo) erinnerte sogar etwas an den Klang des Vibrato-Registers einer Hammond-Orgel, die jetzt von Jazz bis Blues ihre Renaissance erlebt und in manchen Ländern, z. B. in Südamerika auch in Kirchen eingesetzt wird, in unseren Breiten aber bei Kirchenmusik eher ungewohnt ist. Grünerts Sicht auf dieses geniale Werk Mendelssohns war hier eine sehr eigene, sehr individuelle.
Ingrid Gerk