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DRESDEN: 10. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE

Dresden / Semperoper: 10. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 09. 4. 2013


Foto: Mathias Creutziger

 Ganz im Zeichen der Musik von Johannes Brahms stand das 10. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Es war der 3. und letzte Teil des Brahms-Zyklus unter Christian Thielemann. Mit diesem Konzert beschloss auch Lisa Batiashvili ihre Zeit als Capell-Virtuosin in Dresden, aber – wie sie betonte – (hoffentlich) nicht ihre letzte Begegnung mit Thielemann, der Staatskapelle und dem Dresdner Publikum.

 Jetzt geht sie mit der Kapelle unter Thielemann und dem gleichen Programm auf USA-Tournee nach Chicago (Symphony Center 14.4.), Washington (Strathmore 16.4.) und New York (Carnegie Hall 17.4.). Außerdem finden auf dieser Tournee, der ersten in Thielemanns Tätigkeit als neuer Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle und gleichzeitig 13. Gastspiel in den USA (seit 1979), noch zwei weitere, reine Orchesterkonzerte statt, ein „Auftaktkonzert“ in der Bonner Beethovenhalle (11.4.) und ein Konzert in der New Yorker Carnegie Hall (19.4.) jeweils mit Anton Bruckners „Symphonie Nr. 8“ c Moll, mit der Thielemann seinen grandiosen Einstieg in Dresden gab.

 Den Auftakt des Brahms-Programmes bildet die „Akademische Festouvertüre“ c Moll op. 80, die Brahms 1880 in Bad Ischl komponierte als „Dankeschön“ für die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Breslau (1879), die er im Gegensatz zu der, vorher von der Universität Cambridge angetragenen, nicht abgelehnt hatte. Diese heitere Ouvertüre entstand etwa zeitgleich mit seiner „Tragischen Ouvertüre“. Die beiden Ouvertüren charakterisierte Brahms kurz so: „Die eine lacht, die andere weint“.

 Mit der „lachenden“ schuf Brahms statt einer – wahrscheinlich erwarteten – großen Symphonie, ein unkonventionelles, kleines Werk voller Humor und bearbeiteter Phrasen aus 4 Studentenliedern, dessen Uraufführung erst 2 Jahre nach der Verleihung (1881) unter seiner Leitung in Breslau stattfand.

 Gerade von den, 1967 von Herbert von Karajan gegründeten, Salzburger Osterfestspielen zurückgekehrt, widmeten sich Thielemann und die Staatskapelle dieser heiteren Ouvertüre mit viel Sinn für die witzig genialen Einfälle. Der unerwartete Beginn in Moll wurde von der Kapelle gleichsam geheimnisvoll „zelebriert“ als Vorbereitung auf die danach überraschend einsetzenden geistvollen musikalischen Späße. Das erste Lied „Wir hatten gebaut ein staatliches Haus“ (ein Lied von der Auflösung der Urburschenschaft) wurde „akademisch breit“ und „ernsthaft“ vorgetragen, um dann gravitätisch wie in einer großen Symphonie, mit einigem Augenzwinkern zu kunstvoll bearbeiteten Phrasen aus dem „Landesvaterlied“ und dem „Fuchsenritt“ überzugehen und schließlich in dem allseits bekannten „Gaudeamus igitur“ schwungvoll zu gipfeln.

 Die „Akademische Festouvertüre“ kann man oft hören, aber selten so geistvoll und so klar in all ihren feinen Nuancen. Hier kamen Struktur und Witz dieser liebenswürdigen Komposition in besonderer Weise zur Geltung. Thielemann und die Kapelle loteten sie in frappierender Klarheit als melodienschimmernde Festmusik auf hohem Niveau aus, humorvoll parodierend, zwischen Geschmeidigkeit und triumphaler Lautstärke bis zum jugendlich fröhlichen, fast übermütigen „Kehraus“. Bei so viel Klarheit und „Durchsichtigkeit“ fielen allerdings auch die minimalen Unstimmigkeiten bei den Bläsern auf. Die Kapelle hat sehr hohe Maßstäbe auch und gerade bei diesen Instrumenten gesetzt, so dass man unwillkürlich immer Höchstleistungen erwartet.

 Nach diesem eindrucksvollen „Einstieg“ betrat die weltweit gefragte Ausnahmegeigerin Lisa Batiashvili das Konzertpodium, jung, schön, elegant, charmant und sehr sympathisch. Ihr Debüt gab Sie bereits 2007 bei der Sächsischen Staatskapelle.

 In ihrer natürlichen Art konzentrierte sie sich ganz auf Brahms‘ und sein „Violinkonzert D Dur“ op. 77, das zum Mittel- und Höhepunkt des Konzertabends wurde. Oft mit geschlossenen Augen meisterte sie überlegen alle technischen Schwierigkeiten. Sie brauchte nicht einmal den kurzen Blick zum Dirigenten, auch nicht an besonders heiklen Stellen, denn beide verstanden sich intuitiv – auch ohne Blickkontakt. Selbst bei den „borstigen“ Doppelgriff-Passagen, die sich Brahms selbst von seinem Freund, dem berühmten Geiger Joseph Joachim, nicht hatte ausreden lassen, ließ sie alle Schwierigkeiten vergessen. Übrigens spielt sie seit geraumer Zeit auf dessen Stradivari, der „ex Joachim“ von 1715, die Joachim vermutlich bei der Uraufführung dieses Violinkonzertes gespielt hat.

 Ihre außergewöhnliche Technik ist (nur) die Grundlage für eine außergewöhnlich intensive Gestaltung und eine wunderbare Tongebung. Wie bei einer Symphonie in den Orchesterpart eingebettet, hob sich die Violinstimme, teil gemeinsam mit dem Orchester musizierend, teils souverän solistisch als „Erste unter Gleichen“ in ihrer Melodiösität unüberhörbar aus dem Orchester heraus. Sie ließ die Brahms eigene, herbe Klangschönheit mit all ihren Feinheiten in vielen Facetten aufleuchten, vom feinsten pianissimo bis zum kraftvollen forte und viel Temperament im Schlusssatz mit seinen effektvollen, ungarisch gefärbten Tanzthemen in Rondoart.

 Bei der, von ihr souverän und ganz im Sinne der künstlerischen Handschrift von Brahms gestalteten, großen Kadenz, die dem Solisten alle künstlerischen Freiheiten erlaubt, unterstrichen sehr einfühlsame Paukentöne in allen Abstufungen ihre großartigen Ausflüge in die eigene Umsetzung und Weiterführung des Violinkonzertes.

 Die Kapelle nahm im Wechselspiel mit der Solistin die vom Solopart ausgehenden großen Linien immer wieder auf und setzt sie in gleicher Weise fort. Es war ein in jeder Beziehung einvernehmliches Mit- und Füreinander, ein atemberaubendes Schwelgen in Brahms‘ herb-schöner Musik, der man nur verzaubert lauschen konnte.

 Verständlich, dass es nach dieser Glanzleistung – trotz spontanem Bravo und stürmischem Applaus (auch Thielemann applaudierte der Solistin), keine Zugabe gab. Was hätte auch nach solcher Klangschönheit und großartiger Gestaltung noch kommen können?

 Auf diesen Höhepunkt folgte noch ein weiterer, die fulminante „Symphonie Nr. 4“ c Moll op. 98. Zu Beginn des 1. Satz drängte Thielemann auf Dynamik. Die Kapelle folgte ihm durch die gesamte Symphonie präzise in jeder Phase, auch bei rasantem Tempo, bei dem nichts an Klarheit und Feinsinnigkeit verlorenging. Im 2. Satz bestachen vor allem die „himmlisch“ schön gestalteten lyrischen Passagen, bei denen der unverwechselbare Klang der Streicher und ihre äußerst feinen, mit Hingabe gezupften Pizzicati gefangen nahmen. Ein Sonderlob verdient der Pauker, der stets im Einvernehmen mit der Kapelle, die entsprechenden Akzente setzte. Diese packende, in ihrer Gesamtheit großartig wiedergegebene, Symphonie mit den vielfältigen, liebevoll gestalteten lyrischen Passagen im Kontrast zwischen Temperament und Zartheit, Feingefühl und Kraft, eingeordnet in die Gesamtgestaltung, erreichte die Zuhörenden in beeindruckender Unmittelbarkeit.

 Für all diejenigen, die diese „Sternstunde“ der Musik nicht miterleben konnten, sei erwähnt, dass das Konzert auf CD und DVD (von UNITEL) aufgenommen wurde (2 CDs sind bereits in diesem Brahms-Zyklus erschienen).

 Ingrid Gerk

 

 

 

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