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DORTMUND: IL TROVATORE. Premiere

03.02.2013 | KRITIKEN, Oper

DORTMUND: IL TROVATORE.  Premiere am 2.Februar 2013

  „So wie Rossini jeden Unsinn vertonte, so achtet Verdi auf die Situation und breitet einen Schleier über den Rest“, so Arrigo Boito mit sicher etwas unbotmäßiger Schärfe. Für die Partner-Werke „Otello“ und „Falstaff“  trifft dies ohnehin nicht zu. Auch „Aida“, „Don Carlo“ oder – noch-weiter zurückgehend – „Traviata“, „Rigoletto“ und „Ballo in maschera“ lassen sich szenisch schlüssig aufführen, aus den meisten anderen Werken ist u.U. etwas herausholen. Am „Trovatore“ jedoch haben sich schon Generationen von Regisseuren die Zähne ausgebissen.

Gemäß der Überzeugung, mit vier ersten Sängern eine Aufführung in jedem Falle angemessen „schmeißen“ zu können, böten sich konzertante Darbietungen geradezu an. Angedeutetes Agieren auf dem Konzertpodium zeigt oft mehr Wirkung als eine mühevoll gestemmte Bühnenproduktion.

 KATHARINA THOMA, Oberspielleiterin in Dortmund, versucht’s immerhin und scheitert letztendlich, ohne dass ihr dies vom Publikum
besonders angekreidet wird. In JULIA MÜERs grausteiniger, symmetrischer Neutralarchitektur, bei der hochgezogene Wände etwas stereotyp immer wieder neue Hintergrundsräume schaffen, beginnt sie mit einem solide gestalteten 1.Bild. Die modernen Kostüme von IRINA BARTELS weisen Geisterglauben und Hexenspuk allerdings von sich. Ferrandos Erzählung begleiten filmische Impressionen. So wird der Hintergrund des Operngeschehens (auf leicht akademische Weise) geklärt. Beim bewusst statisch gehaltenen Soldatenchor im 1.Bild des 3. Aktes werden Sequenzen von fernen Kriegsschauplätzen eingeblendet, ein gut gemeinter Versuch, Verbindungen zum Heute herzustellen. Doch allein Verdis romantisch malerische Musik stellt sich solchen assoziativen Erweiterungen entgegen.

 Im Grunde löst in Katarina Thomas‘ Inszenierung nur „D’amor sull’ all rosee“ eine gewisse Betroffenheit aus: Leonora auf einem Feld übereinander liegender Verwundeter: Weibliche Mitleidsfähigkeit wächst über persönliche Befindlichkeit ins Allgemeine. Dieser Szene geht der hinzu erfundene Auftritt eines Trompeters voraus, welcher die Bühne überquert und nochmals die Melodie des Soldatenchores zitiert. Das Manko der Regie wird nun gerade in solch wirkungsgünstigen Momenten evident, weil sie Möglichkeiten interpretatorischer Vertiefung andeuten, die dann aber (weitgehend) nicht umgesetzt werden.

 Defizite gibt es auch beim Dirigenten. LANZELOT FUHRY hat etliche überzeugende Abende in Dortmund geleitet, seinem „Trovatore“ fehlt es jedoch über weite Strecken an dramatischer Stringenz, und. Verdis Dreivierteltakt klingt bei ihm eher nach Wiener Walzer. Eine ähnliche Verharmlosung prägt die Azucena-Interpretation von HERMINE MAY, die kurzfristig für Renée Morloc eingesprungen ist. Obwohl die Rumänin inzwischen auch dramatisches Hochkaliber wie Ortrud im Repertoire hat, wirkt die Figur der rachedurstigen Zigeunerin bei ihr einigermaßen leichtgewichtig, obwohl Töne in exponierter Lage eindrucksvoll „sitzen“. SUSANNE BRAUNSTEFFER wartet bei der Leonora mit sicherer, hier und etwas scharfen, auch kurzatmigen Höhe auf, singt aber schöne Kantilenen und engagiert sich darstellerisch. STEFANO
LA COLLAs
Manrico besitzt enormes tenorales Feuer, aber auch ausreichend sängerische Kultur. Der machtvolle Bass von WEN WIE ZHANG (Ferrando) beeindruckt wie eigentlich immer, über die imposanteste und ausladendste Verdi-Stimme verfügt indes der Koreaner SANGMIN LEE. Die Comprimaro-Interpreten neben VERA FISCHER (Ines) müssen nicht unbedingt genannt sein.

 Christoph Zimmermann

 

 

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