I have a dream oder Ich beschloss, prophetischer Politiker zu werden – Felix Mendelssohn-Bartholdy: Elias – szenisches Oratorium; Premiere 3.3.2012, besuchte Vorstellung 6.4.2012
Foto: Bettina Stöß
Zugegeben, ein barfüßiger Prophet in Wallegewänden überzeugt heute wohl kaum noch und entlockte allenfalls ein Lächeln, mit dem man heute Hollywood-Schinken a la „Die Zehn Gebote“ begegnet. Elias als einen Realpolitiker zu zeichnen, der nicht unbedingt von seinen Idealen überzeugt ist, sondern an sich und seinen „Fans“ zweifelt, ist vom Ansatz her zwar interessant, stellt aber auch eine ungeheure Gratwanderung dar. Jens Daniel Herzog kann mit diesem Ansatz am ehesten im dramaturgisch dichteren zweiten Teil überzeugen, im ersten häufen sich fatal oberflächliche klischeehafte Plattitüden die gerade eben an Peinlichkeiten vorbeischrammen. Herzog macht es sich zu einfach, wenn er den israelischen „Wutbürger“ als Teil unserer Gesellschaft zeichnet, der sich eher über erhöhte Benzinpreise echauffiert, denn über ausbleibenden Regen.
Dürreperioden haben unsere Breitengrade recht selten und eher peripher betroffen, da hätte man die Szenerie schon konsequenterweise in
Katastrophengebiete wie die Sahelzone verlegen müssen. Die Showeffekte, vor allem das missglückte erste Finale, rückt doch fatal in die Nähe
von Trashproduktionen a la Bibel-TV oder „Day Star“ und der Politikerprophet erscheint hier doch sehr als männlicher Joyce-Meyer-Verschnitt: „Halleluja, preiset den Herrn! O Herr, lass es regnen und schenke uns Beach-Parties!“
Klangschön mit stupenden Piani dabei aufwühlend in den expressiven Stellen, solche Perfektion hört man selten – ein großes Lob. Doch nicht genug,
die komplexen Solostellen der Engel-Ensembles ertönen in Dortmund in berückender, ja fast verklärter Schönheit, dass man meint, wirklich „englische“ Musik zu vernehmen.Im schlichten Kammerton, als handle es sich um romantische Liederspiele verströmte das Engelssextett Anke Briegel, Katharina Breetz, Diane Blasis, Martin Müller-Görgner, Hyun Seung Oh und Karl Heinz Lehnerihre Weisen.Zum ergreifenden Höhepunkt geriet auch Julia Amos Klage der Witwe „Höre Israel“ zu Beginn des zweiten Teils. Als des Propheten Pressesprecher Obadja ließ John Zuckerman mit leichtem Tenor aufhorchen, den göttlichen Wetterbericht gab ein Knabensopran der Chorakademie Dortmund in bewegender Weise.Ob das szenische Experiment gelungen ist, sollte jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden, manch angebotene szenische Lösung konterkarikiert,ja erdrückt die kontemplative Bildgewalt der Textvorlage – musikalisch allerdings ist die Aufführung in Dortmund mehr als lohnenswert, wie die dankbare Aufnahme des fast ausverkauften Saals an diesem Karfreitag unter Beweis stellte.