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DOROTTYA LÁNG: Octavian ist wie für mich geschrieben

23.02.2014 | INTERVIEWS, Sänger

Lang, Dorottya

DOROTTYA LÁNG

Octavian ist wie für mich geschrieben

Hoch gelobt in der Premiere von „Albert Herring“ und nach zwei höchst erfolgreichen Jahren an der Wiener Volksoper, nimmt die Ungarin Dorottya Láng mit zwei weinenden Augen Abschied, um sich für die nächsten zwei Jahre in Mannheim niederzulassen. Davor steht die 27jährige vor der wichtigsten Herausforderung ihrer jungen Karriere: Sie wird in Malmö ihren ersten Octavian singen. Vor ihrer Abreise nach Schweden hat sie Renate Wagner noch ein Interview gegeben.

Frau Lang, was bedeutet Ihnen, einer Ungarin, die seit nun sechs Jahren in Wien lebt, der Octavian?

Als mir meine Agentin Samantha Farber dieses Vorsingen in Malmö verschafft hat und man mich auf Anhieb für die Rolle engagierte, hatte ich natürlich zuerst sehr große Angst. Aber je mehr ich mich mit dem Octavian befasse, umso mehr weiß ich, dass er so sehr in meine Stimme passt, dass ich regelrecht das Gefühl habe, er sei für mich geschrieben. Ich denke auch, dass man die Rolle kaum richtig verkörpern kann, wenn man nicht längere Zeit in Wien gelebt hat – es ist nicht nur die Sprache, das Wienerische des Mariandl, es ist auch die Mentalität, der Schmäh, der gewisse Humor…

Nun haben Sie ja, wie ich erfahren habe, den denkbar großartigsten „Coach“ für diese Rolle…

Als wir in der Volksoper „Albert Herring“ mit Brigitte Fassbaender geprobt haben, fasste ich mir ein Herz und fragte, ob sie die Rolle vielleicht mit mir arbeiten würde – und sie hat sofort ja gesagt! Wir sind zwar bis zur Premiere des „Herring“ nur mit dem ersten Akt fertig geworden, aber ich hoffe, dass ich ihr noch nach München nachfahren und einiges weiterarbeiten kann. Ich reise ja schon Anfang März nach Malmö, da beginnen die Proben für die Premiere am 26. April, und ich freue mich schon sehr, mit der Figur auf die Bühne zu gehen.

Wie war nun diese besondere Arbeit mit Brigitte Fassbaender?

Sie ist so wunderbar umkompliziert und gibt einfach Ratschläge, wie man dies und jenes am besten macht. Ich hatte mir eine ganze Liste von Fragen zusammengestellt, aber sie meinte nur: „Am besten studiert man die Musik – dann kommt alles von selbst.“ Und das stimmt für mich auch, ich bin ganz weg von der Musik. Vermutlich muss man Strauss im Blut haben, denn ich empfinde das einfach als so selbstverständlich. Auch stamme ich aus der Welt des Internets, also habe ich mir in You Tube angesehen, was an „Rosenkavalier“-Aufführungen geboten wird. Und ich finde, dass Brigitte Fassbaender in ihrer burschikosen Art eine wunderbare Interpretin der Rolle ist. An Ann Sophie Otter bewundere ich, wie supergenau sie musikalisch arbeitet. Sophie Koch scheint mir alle guten Eigenschaften aller Octavian-Interpretinnen in sich zu vereinen. Und Sena Jurinac zu sehen – das ist einfach Operngeschichte!

Und wie war die Arbeit mit Brigitte Fassbaender an „Albert Herring“? Sie hatten in der Rolle der Nancy ja großen Erfolg.

Ehrlich – ich muss sagen, dass meine Kollegen und ich einfach traurig waren, wenn keine Probe war! Ich habe selten eine so entspannte Atmosphäre erlebt. Wir waren glücklich, wir waren kreativ, sie gab uns Anregungen und wir haben unsere Rollen quasi selbst gefunden – und sie saß da und hat uns gelobt. Es war wunderbar.

Und wie war es an der Volksoper, muss man jetzt schon sagen, denn Sie werden nach Malmö ja nur noch kurz bis Saisonende ans Haus zurückkehren?

Ich kann nur ganz, ganz ehrlich sagen, dass es für mich ein unglaubliches Glück war, an dieses Haus engagiert zu werden und hier anfangen zu können. Ich war noch an der Universität, als ich von einem Vorsingen für irgendeine kleine Rolle gehört habe – und danach hat man mir auf der Stelle ein Engagement angeboten. Man hat mich von allen Seiten als „Baby“ behandelt, so liebevoll, alle, die Kollegen, von den Technikern bis zum Direktor, und mir auch noch mehr angeboten, als ich gesungen habe. Aber wenn man fragte, ob ich Operette oder Musical singen wollte, habe ich nein gesagt – ich will Opernsängerin sein. Da gab es viele kleine Rollen und auch schon schöne Aufgaben wie den Cherubin oder den Hänsel. Und als man mich fragte, ob ich weitere zwei Jahre am Haus bleiben will und mich mit der Dorabella „gelockt“ hat, war ich sehr, sehr versucht, einfach noch hier zu bleiben – man kennt das Haus, man kennt die Leute, man hat Freunde hier. Aber das Angebot aus Mannheim hat ja doch bedeutet, dass ich mein Repertoire auch dort singen kann, nur in der Originalsprache, und dass einiges Neue auf mich zukommt, etwa Orlofsky. Wahrscheinlich hat mich am meisten gereizt, dass ich in „La damnation de Faust“ von Berlioz die Marguerite singen darf. Und im zweiten Jahr vielleicht Dorabella und Rosina. Wenn man den Beruf gewählt hat, dann darf man es sich nicht bequem machen und muss neue Herausforderungen annehmen, so gerne ich an der Volksoper geblieben wäre. Sie wird mir sehr fehlen, das weiß ich jetzt schon.

Wollten Sie bereits als Kind Opernsängerin werden?

Gar nicht, der Entschluss kam, als ich schon 20 war! Ich bin in Budapest in wirklich bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, meine Mutter war Englischlehrerin und hat meine Schwester und mich allein aufgezogen. Wir wohnten im Burgviertel, in einer Wohnung mit ganz dicken Wänden, und ich war dort oft allein. Das habe ich mit Musik bekämpft, habe ganz laut Barbra Streisand laufen lassen und mitgesungen, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, Sängerin oder gar Opernsängerin zu werden. Nach der Matura studierte ich Sprachen – und ich weiß nicht, wann ich plötzlich wusste, dass ich nicht mein Leben damit verbringen will, Kindern Englisch beizubringen. Meine Gesanglehrerin habe ich durch einen absoluten Zufall gefunden, das klingt wie eine erfundene Geschichte – ich war mit dem Hund im Park, ich hörte eine Frau singen, wir kamen ins Gespräch, sie erzählte mir von ihrer Gesangslehrerin, ich ging dorthin, die sagte sofort, ich hätte eine Stimme, bereitete mich vor… und zwei Jahre später war ich auf dem Weg nach Wien, sang an der Universität für Musik und darstellende Kunst vor und wurde genommen… Und Claudia Visca war eine wunderbare Lehrerin. Und noch eine Anmerkung: Gerade, weil ich aus Osteuropa komme, finde ich, dass man in Österreich und Europa geradezu fürstlich lebt.

Sie haben aber neben dem Studium auch noch an vielen Wettbewerben teilgenommen. Macht das Sinn?

Natürlich, denn die Aufforderung, in Mannheim vorzusingen, kam beispielsweise, nachdem ich in Deutschland den ersten Platz beim Emmerich Smola Förderpreis gewonnen hatte – sonst hätte mich niemand aus Mannheim wohl je gehört. Das war ein sympathischer Wettbewerb, wo man auch vor einem richtigen Publikum singen konnte. Hingegen habe ich letztes Jahr in Verona an der Operalia teilgenommen, einem Riesenereignis, und das hat mich entsetzlich viel Nerven gekostet, auch weil es so viele Kandidaten und rund um Domingo eine so beängstigende Jury gab… Natürlich, wenn man sich auf so etwas einlässt, weiß man auch, was erwartet wird, aber ehrlich gesagt mache ich es nicht so gerne. Der Stress ist einfach zu groß.

Wenn man beschließt, Opernsängerin zu werden, wie Sie es getan haben – weiß man da eigentlich, wie schwer das ist, was man sich vornimmt?

Absolut nicht, ich hatte keine Ahnung. Heute weiß ich, dass es ein Zigeunerleben sein wird, aber im Moment macht es mich glücklich. Das heißt nicht, dass ich das mein Leben lang tun muss – ich kann mir vorstellen, einmal zu heiraten und Kinder zu haben und den Beruf dafür aufzugeben, weil ich nicht glaube, dass beides wirklich zu vereinbaren ist, und ich große Sehnsucht nach einer Familie habe. Aber bis dahin will ich den Beruf aufüben, weil es mir Freude macht, auf der Bühne zu stehen und wirklich etwas von mir herzugeben.

Aber von der „großen Karriere“ muss man doch eigentlich träumen, wenn man nicht irgendwo stecken bleiben will?

Ich hoffe, dass die Dinge einfach kommen. Ich könnte jetzt nicht sagen, dass ich um jeden Preis hier oder dort singen will, und wenn man mir die übliche Frage nach der Traumrolle stellt, gehöre ich zu jenen, die aus voller Überzeugung sagen: Diejenige, die ich gerade singe. Man muss ja auch abwarten, wie es mit der Stimme weitergeht – und mit der Seele. Ich habe wohl ein ungarisches Gemüt, das ein wenig zur Tragik neigt, zur großen Leidenschaft. Als ich einmal die Dido singen durfte, wusste ich, das will ich! Das hieße auch, dass man so großartige dramatische Rollen wie die Eboli oder die Amneris singen will. Und doch auch einmal, weil Strauss so wunderbar für mich ist, den Komponisten. Das wird man alles sehen.

Wenn Sie nach Malmö nach Wien zurückkommen, haben Sie noch etwas Besonderes vor…

Ja, ich werde im Konzerthaus mit Matthias Lademann am Klavier, der mich schon in der Universität so gefördert hat, am 28. Mai im Zyklus „Mittagsmusik“ ein Programm im Schubert-Saal singen. Man hat das Thema „À la Bohémienne“ vorgegeben, und da dachte ich im ersten Teil an Zigeuner, also Lieder von Brahms, Wolf, Liszt, und dann nachher allerlei Ungewöhnliches von Copland bis Duparc und Poulenc. Das ist natürlich viel Arbeit, aber sehr schön…

Vorigen Sommer haben Sie einen Meisterkurs in Aix-en-Provence gemacht. Was haben Sie heuer vor?

Viel lernen, denn selbst, wenn ich viele von den Partien, die ich in Mannheim singen werde, schon „kann“, ist es doch die Originalsprache, etwa für die Mercedes in „Carmen“. Übersiedeln, was nicht leicht sein wird. Und vielleicht ein bisschen Urlaub?

Als Brigitte Fassbaender ein Interview über ihre Arbeit an der Volksoper gegeben hat, erwähnte sie, dass sämtliche junge Sänger offenbar nicht leben konnten, ohne alle zehn Minuten ihr Handy zu checken. Gehören Sie auch dazu?

Ich muss ehrlich sagen: Ja. Vielleicht bin ich iPhone-krank. Und ich weiß natürlich, dass es Unsinn ist, dauernd etwas zu „liken“ und zu „sharen“. Andererseits ist Facebook gerade für Sänger eine tolle Möglichkeit der Kommunikation, bei mir melden sich solcherart auch Agenten. Und ich muss sagen, dass ich natürlich von zuhause weg bin und dass viele meiner Freunde über die Welt verstreut sind, und das ist die Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Es ist eine so wichtige Plattform geworden, dass man ohne sie nicht mehr auskommt. Man kann die Entwicklung nicht zurückdrehen.

 

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