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Dmytrasz / Öhl: WIEN IM BAROCK

Zum Lesen und Nachschlagen

16.05.2024 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Barbara Dmytrasz / Friedrich Öhl:
WIEN IM BAROCK
Aufstieg zur Weltstadt
384 Seiten, Verlag Braumüller. 2023

 

 

 

 

 

Zum Lesen und Nachschlagen

Was die Epoche des Barocks für die österreichischen Länder und Wien im Speziellen bedeutet hat, kann man schlicht und einfach immer noch – sehen. Die Schlösser, die Paläste, die Kirchen, die ab dem späten 17. Jahrhundert eine imperiale Großmacht repräsentierten, existieren noch heute und machen Wien – ungeachtet des Historismus der Ringstraße – zu einer „barocken“ Stadt. Zwischen der Ära von Kaiser Leopold I., seiner Söhne Joseph I. und Karl VI, sowie dessen Tochter Maria Theresia kam es zu spektakulären Bauten in der Stadt und einer Änderung des Zeitgeistes und des  Lebensstils.

Barbara Dmytrasz. Lehrbeauftragte an der Universität Wien, widmet sich vor allem der Stadtgeschichte, Friedrich Öhl hat sich in zahlreichen Publikationen ebenfalls mit diesem Thema auseinander gesetzt. Gemeinsam legen sie ein Buch über „Wien im Barock“ vor, das in erster Linie ein vorzüglich gegliedertes und bebildertes Lesebuch zum Thema darstellt, darüber hinaus aber auch quasi lexikalisch die Fakten zu den einzelnen Themenbereichen zusammen fasst.

Im ersten Abschnitt werden die baulichen Schwerpunkte der Epoche behandelt, von der Hofburg, die auf die einstige Babenberger-Residenz zurück geht und damals den größten Ausbau erfuhr. 18 Trakte um 19 Höfe herum, 240.000 Quadratmeter, der größte Palast Europas – nur die „Neue Burg“ (wo heute die Nationalbibliothek und das Weltmuseum untergebracht sind) und der Michaelertrakt mit dem berühmten Tor kamen dann im 19. Jahrhundert dazu. Auch das daneben gelegene heutige Bundeskanzleramt am Ballhausplatz ist ein Barockbau und das  am längsten genützte Regierungsgebäude der Welt – man lebt in Wien sehr kommod mit der Tradition.

Ähnlich genaue und anschauliche Schilderungen erfahren Karlskirche, Schloß Belvedere und Schloß Schönbrunn, bevor die Autoren in das barocke Lebensgefühl eintauchen, das von dem heutigen nicht so weit entfernt scheint. Schließlich  ging es doch um Essen und Trinken (Wein und Bier, Kaffee und  Schokolade – das Schöne Schokoladenmädchen von Liotard gilt hier als Wahrzeichen, wenn sich das Original auch in Dresden befindet), weiters um Prater, Theater und Oper, alles gibt es noch, ebenso die Universität – nicht mehr die Pest (aber auch unsere Gesellschaft hatte mit einer „Seuche“ zu kämpfen, die die Gesellschaft zerrüttete).

Wo sich die Welt des Barocks, die von Rokoko und Aufklärung gefolgt wurde, der Zukunft öffnete, ist schließlich vielfältig Thema des letzten Teils. Hier finden die Autoren vor allem merkantile Entwicklungen, eine Bildungsoffensive, die von hoher Wichtigkeit für die breite Bevölkerung war, dazu kam das Bemühen um eine verbindliche Schriftsprache.

Und damals schon arbeitete sich die medizinische Forschung auf jene Höhen zu, die Wien später zu einem Zentrum dieser Wissenschaft machte. Auch war damals schon Interesse an Behinderten zu erkennen, (Liest man von Fehden um Impfungen, fragt man sich, ob wir es heute tatsächlich so herrlich weit gebracht haben, wie wir manchmal meinen…)

Und die Verwaltungsreformen legten den Grundstein zu jenem Beamtenstaat, der bis heute funktioniert, wenn man ihn nicht überreizt…Dass die Presse noch immer mit Zensur verbunden war (diese fiel erst definitiv nach dem Ersten Weltkrieg, um dann zum Zweiten Weltkrieg wieder zu kehren). Aber gerade heute, wo sich der Bürger mit Regel-Forderungen konfrontiert sieht, die nicht nur seine Sprache, sondern auch seine weltanschaulichen Ansichten bestimmen wollen, ist das Thema Zensur wieder brisant. Kurz – das Gestern ist von heute gar nicht so weit entfernt.

Kurz gesagt, anschaulicher kann man sich kaum in die Geschichte begeben als hier (und dass es manchmal an ein hochkarätiges Schulbuch erinnert, ist kein Fehler) -, und dabei lernen, dass das, was wir heute besitzen (oder auch woran wir leiden) seine Grundsteine in der Vergangenheit hat. „Lernen Sie Geschichte“, empfahl Bruno Kreisky. Und dazu sind Bücher immer noch am besten geeignet.

Renate Wagner

 

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