Das monatliche Staatsopernmagazin als Service des MERKEROnline
Wiener Staatsoper & Co.
MONATSRÜCKBLICK
Oktober 2013
Die Neuinszenierung
LA FANCIULLA DEL WEST 5.10., 8.10.,11.10.,14.10. und 17.10.
Der Erfolg dieser Premierenserie und natürlich der höchstwahrscheinlich glänzende Kassensturz lassen alle Fragen nach der Notwendigkeit dieser Erweiterung des Repertoires in den Hintergrund treten. Das Publikum erkennt langsam die Qualität Puccinis gerade in diesem, früher etwas abschätzig behandelten Werk, von welchem Heinrich Mann anmerkte, dass der Komponist hier angefangen habe “herb und ungefällig zu werden”. Puccini verortet sich hier musikalisch als Nachfolger der Großen des 19. Jahrhunderts mit dem gleichzeitigen Verweis auf die beginnende Moderne. Es ist die Mischung aus seiner musikalischen Sprache mit den Farbtupfern der Amerikanismen, mit dem sorgfältig dosierten Gaben an Sentiment aber auch mit der Härte und Wucht der innewohnenden Dramatik, die dieses Werk – hier muss man Heinrich Mann korrigieren – so gefällig machen!
„Sie sei zum Sterben zu stark, aber zum Leben zu schwach“ hat einmal jemand über Puccinis „Western-Oper“ gesagt und irgendwie stimmt das auch“ schreibt Schramm-Schiessl, und weiter: „in Wien hat sich das Werk allerdings lange großer Beliebtheit erfreut. Schon 1913, also drei Jahre nach der New Yorker Uraufführung, gab es die erste Produktion an der Staatsoper mit Maria Jeritza, Alfred Piccaver und Rudolf Hofbauer.“
„Alles ausverkauft, Sitzplätze, Stehplätze – die Fernsehübertragung, die ein großes Geschenk für alle Opernfreunde war, hat niemanden, der Karten ergattern konnte, davon abgehalten, live in die erste Staatsopern-Premiere dieser Saison zu kommen und einen stürmisch umjubelten Abend zu erleben.“ staunt Renate Wagner, „Nina Stemme, die wundervoll durchglühte Isolde, muss hier im ersten Moment gegen die gewählte Optik spielen: die Jeans-Arbeitshose mit Latz, das Holzfällerhemd und vor allem die brennroten Locken, die eine Mischung aus Pumuckl und Pipi Langstrumpf aus ihr machen.“ Und über Jonas Kaufmann: „Mit seiner gaumigen dunklen Mittellage, über die sich die Spitzentöne schön und stark heben, ist er auch ein wahrlich kultivierter Sänger, und da es derer nicht so schrecklich viele gibt, genießt man es besonders…Der Applaus artete zum rauschenden Fest für alle aus.“
Dazu noch Dominig Troger über Nina Stemme: „Ihre Glaubwürdigkeit litt allerdings ein wenig unter der jeansblauen Latzhose und vor allem unter ihren penetrant roten Haaren. (Es wird wahrscheinlich kaum eine Rezension der Aufführung geben, die nicht die Kindergeschichten-Protagonisten Pumuckl und Pippi Langstrumpf zitieren wird.)“ Und „Jonas Kaufmann sang sich bei seiner ersten Staatsopern-Premiere mit seinem kaschmirschmeichelnden, dunklen Baritontenor in die Herzen des Publikums. In den lyrischen Momenten klang die Stimme schon sehr baritonal und nicht sehr durchschlagend, sobald er etwas Kraft hineinlegte, gesellte sich erst der Glanz hinzu, kein Erstrahlen, sondern ein tenoraler Schimmer, wie ein leicht glänzender Farbton, der sich über das satte baritonale Fundament legte. So gelangen Kaufmann schön gerundete, aus einer tieferen Basis herauswachsende Spitzentöne.“ Schwärmt hier Dominik Troger förmlich in allen ihm zur Verfügung stehenden Stimmfarben.
Franz Welser-Möst dirigierte schnörkellos, die Dramatik ebenso voll auskostend wie die herben Sentimentalitäten in der Sängerbegleitung. Keine Frage: Tempo und Lautstärke sorgten mehr als oft für Spannung auch dort, wo die Sänger letztlich im Klangrausch überfordert wurden.
Fazit: Eine Produktion, die das Können des Ensembles bemerkenswert vorführte, eine Produktion die das Publikum vor allem auch der Spitzensänger wegen begeisterte und das nicht mit Konnotationen und Deutungen seitens der Regie überfordert wurde, also auch Kost für den Repertoirealltag.
Das Repertoire im Oktober
SIMON BOCCANEGRA 1.10. und 4.10.
„Opernalltag, aber auf Festspielniveau“, titelte der Kurier über die „absolute Top-Besetzung“ dieser Serie, wobei man tatsächlich gerade bei diesem Werk in den letzten Jahren eine gewisse Beständigkeit an großen Namen feststellen kann. Allerdings traf diesmal den Tenor das Absagewetter: „Anstelle des erkrankten Joseph Calleja übernahm Stefano Secco die Rolle des Gabriele Adorno und erfreute mit schönem Timbre, mit guter Technik und einem nicht sehr großen, aber für den Gabriele durchaus ausreichenden Tenor.“ (Jahnas) Und mit Lukas Link weiter: „Diesmal war Hampson sehr unausgewogen, sein Bariton wirkte besonders zu Beginn erstaunlich blass und kraftlos, und er neigte zum gelegentlichen Forcieren. Erst im Finale konnte er seinen an sich schönen Bariton genau so strömen lassen. Als Figur war er da an diesem Abend viel überzeugender. Ferruccio Furlanetto als Fiesco hatte einen hervorragenden Abend. Der immerhin schon 64-jährige Italiener beeindruckte vom ersten Ton an mit kräftigem Bass, sang nuancenreich und mit großem Ausdruck. Als Figur war er stets glaubhaft und sein Bass kontrastierte hervorragend zum eher hell timbrierten Bariton von Hampson. Gemeinsam mit dem US-Amerikaner sorgte Furlanetto dann auch im Finale für packendes Musiktheater.“
IL BARBIERE DI SIVIGLIA 2.10. und 6.10.
„Das war eine Vorstellung,“ meinte Kurt Vlach, „nach denen man mit einem Lächeln nach Hause geht. Der neue Figaro „Lucas Meachem kann schon auf eine sehr erfolgreiche Karriere, besonders in den USA, zurückblicken und erhielt beim Schlussapplaus begeisterten Zuspruch des Publikums. Sein Figaro ist ein sehr „erdiger“ und körperlicher, der immer die Fäden in der Hand hat.“ Und weiter: „Juan Francisco Gatell ist ein typischer „Tenore di Grazia“ und „Kann man sich den Barbiere in Wien ohne den Bartolo von Alfred Sramek vorstellen?“ Da muss ich allerdings sagen: Ja sicher, das ist vorstellbar, unser System lebt vom Reiz des oftmaligen Wechsels der Protagonisten und macht erst das Interessante unseres gelockerten Repertoiresystems aus, wenn Gäste oder auch andere Ensemblemitglieder zum Zug kommen. Und das schmälert erst recht nicht die komödiantische und gesangliche Leistung Alfred Srameks, für den ein Mithalten gegenüber seinen Kollegen trotz seines Altersvorsprungs kein Problem darstellt.
AIDA 9.10., 12.10., 15.10. und 18.10.
Die Aida-Serie war, ihrer zeitlichen Nähe zum Geburtstag Verdis und des quantitativ mageren Umfangs der eigentlichen Gala wegen, zum tatsächlichen Festakt aufgestiegen. Die Vorstellung hatte immerhin eine Reihe gediegener Verdi-Sänger anzubieten, gefehlt hat lediglich ein Dirigent, der das erforderliche Gefühl für den “banalen” Rhythmus bei Verdi aufgebracht hätte, der einen stringent durchtaktierten musikalischen Ablauf geboten hätte. Es muss ja nicht gleich ein Muti oder, um ein früheres Beispiel zu nennen, ein Toscanini am Pult stehen. Aber so stand sich Dan Ettinger selbst im Weg mit seinen ständigen Tempowechseln, abruptem Vorangehen und Generalpausen.
Im Frühjahr schon debütierte Kristin Lewis, die dunkelhäutige Sängerin aus Arkansas bei uns als Aida, Die Männerriege wurde dominiert von Marcello Giordani, einem Radames mit eloquentem Auftreten und einem durchschlagskräftigen Tenor, der seine lyrische Vergangenheit der guten Phrasierung wegen nicht verleugnen konnte. Olga Borodina gestaltete die ägyptische Königstochter perfekt und mit beherrschendem Alt.
Das Haus war immer ausverkauft, auch auf den Galeriestehplätzen herrschte bis zur Pause großes Gedränge, nach der Pause waren deutlich weniger Steher vorhanden, die Neugierde bei den Touristen schien verflogen und der Hunger dagegen umgekehrt proportional angestiegen.
DON CARLO 13.10., 16.10. und 19.10.
„Die Inszenierung war schon am Premierenabend vor zweieinhalb Jahren kein großer Wurf. Der Bunkerbau schafft ein trübsinniges, leer geräumtes Bühnenambiente, das immerhin von der Seite dann und wann interessant beleuchtet wird. Die Szene mit der Ketzerverbrennung ist ganz schlecht gelöst. Der unbestrittene Vorteil dieses Arrangements: schauspielerisch gewandte Sänger wie Furlanetto können ihre Rollen ohne störende Regieeinfälle auf die Bühne stellen.“ Schreibt Dominik Troger.
„Wenn ein Star eine Hauptpartie absagt und das Haus trotzdem eine hervorragende Aufführung präsentiert, so spricht das sicher für das Haus.“so Wolfgang Habermann. Gemeint ist die bedauerliche Absage von Anja Harteros, aber bei aller Anerkennung der Leistung der Einspringerin, Frau Tamar Iveri, sie konnte den Ausfall einer solch singulären Stimme erwartungsgemäß nicht wettmachen.
Haeald Lacina schildert die Ausstattung „mit durchgängig hässlichen dunklen Bühnenwänden und von den Merker-Sitzen der Galerie Seite aus sichtverdeckenden, halb heruntergelassenen Zwischenvorhängen (insbesondere beim Auftritt von Carlo. V. im Finale) spartanisch ausgestatteten Bühne von Angelo Linzalata nach einem Konzept von Graziano Gregori und einer recht einfallslosen Regie von Daniele Abbado aus dem Jahr 2012.“ Und weiter „Ferruccio Furlanetto beherrschte das Bühnengeschehen bereits von seinem ersten Auftritt an als herrischer und zugleich einsamer König Filippo“.
„Sein Tenor verfügt für diese Rolle über das so idealtypische dunkle und melancholische Timbre, das mit seinen kräftigen Spitzentönen ausgezeichnet harmonierte“ über Ramon Vargas. „Der 1968 in Marseille geborene französische Bariton Ludovic Tézier hat den Rodrigue in Wien bereits erfolgreich in der französischen Fassung gesungen. In der italienischen Fassung gab er als Rodrigo sein überzeugendes Rollendebüt im Haus am Ring. Franz Welser-Möst bevorzugt hörbar einen über weite Passagen lauten und recht flotten Don Carlo. Damit erzielt er mit dem Orchester der Wiener Staatsoper naturgemäß einige reißerische Effekte an den exponierten Stellen der Partitur.“
„Valentina Nafornita ließ ihre Engelsstimme über das szenisch so missglückte Autodafé schweben.“ (W.Habermann) und „Sie ließ ihre sanfte, einschmeichelnde himmlische Stimme zu einem kläglichen Pseudo-Autodafé aus der Höhe vernehmen.“ (Lacina) Das erinnert stark an das Zitat aus dem Capriccio: „Und auf den Trümmern großes Ballett“.
Aber „Alles in allem eine hervorragende Vorstellung, die auf jeden Fall die Bezeichnung „Verdi-Gala“ verdienen würde“, begnügen sich M.&H.Jahnas.
DER ROSENKAVALIER 23.10., 27.10. und 30.10.
Die mittlere Vorstellung der Serie eröffnete den Life-Stream aus der Wiener Staatsoper, ein historischer Moment für alle, die 14 Euro berappen und das technische Equipment dazu in Form eines PC herumstehen haben und überhaupt die ungewohnte Geduld aufbringen können, in den eigenen vier Wänden mit opernhafter Ruhe auszuharren und den Lockungen von Speisen und Getränken zu widerstehen. (siehe auch das Essay von Sir Peter Jonas am Ende der Reflexionen) Eine ganz neue, parallel zu den Opernhäusern ablaufende Konsumation von Kulturereignissen in Higth-Definition wird sich da entwickeln, da wird, wie schon bisher bei den Direktübertragungen im TV, das Ohr und das Auge über ein Filter von zwischengeschalteter Regie und Elektronik bedient. Besonders das Hörerlebnis, das ist zu befürchten, wird zu bloßer Filmmusik mit verstärktem Gesang.
„Denn offensichtlich (und hoffentlich für immer) sind nun die Zeiten „ungeprobter“ Reprisen im Repertoirebetrieb endgültig vorbei und es wird einer sorgfältigen szenischen Gestaltung das nötige Augenmerk gewidmet, zu viel internationale Reputation steht nunmehr auf dem Spiel! Bei der Uralt-Inszenierung Otto Schenks, die unlängst erst neu aufgefrischt worden war, sah man daher wirklich lebendiges Musiktheater in seiner besten Form.“ Und weiter Ernst Kopica: „Was Adam Fischer mit den Philharmonikern diesmal zu Gehör brachte, war wirklich zum Niederknien schön. Dass Renée Fleming in sängerischer Hinsicht eine „primadonna assoluta“ ist, dürfte wohl unbestritten sein. Sophie Koch ist für mich der unterschätzteste Octavian der Gegenwart. Gewaltig wie sie aufdrehen kann.“
Peter Rose war der zwischen Charmieren und Brutalität pendelnde Ochs, Moica Erdmann die erste Sophie und Ileana Tonca ersetzte ab der zweiten Aufführung die verkühlte Vorgängerin.
Nur Adrian Eröd fiel ein wenig aus dem Rahmen: Zu jung, zu ernsthaft sah er aus, eher wie ein Kammerdiener im eigenen Palais. Da fehlte die Karikatur des Emporkömmlings, des nach Adel Hechelnden, sowohl darstellerisch aber auch in stimmlicher Gestaltung!
ANNA BOLENA als Wiederaufnahme 25.10., 28.10 und 31.10.
„Als Anna Bolena wurde diesmal Krassimira Stoyanova aufgeboten – eine Sängerin, die man nicht unbedingt mit Donizetti in Verbindung bringt, Stoyanova gestaltete Annas Leiden vor dem Hofstaat zu einer intimen, von feinsinnigem Wahnsinn umsponnenen Szene – aber die repräsentative Seite der Königin blieb dabei wie ausgeblendet.“ (Dominig Troger)
„Dank ihres schönen Timbres und einer klaren, geraden Stimme ohne Schärfe reiht sich Krassimira Stoyanova auf Augenhöhe mit ihren großen Rollenvorgängerinnen ein.“ (Jahnas)
„Die Anna Bolena ist ein Power-Trip für eine Sängerin – und die Stoyanova, die als so ruhig-elegante Dame auf der Bühne steht, ist dafür nicht wirklich geeignet.“ (Renate Wagner)
„Luca Pisaroni war elegant in der Erscheinung, die Stimme angenehm timbriert, vielleicht zu wenig kantig und „schwarz“ in Ausdruck und Klang? So richtig in den Belcanto-Gefühlsrausch schien nach meiner Einschätzung nur Sonia Ganassi als Giovanna Seymour einzutauchen, manchmal schon etwas Vibratoreich, aber energetisch im Erleben und Darstellen der Rolle. Stephen Costello präsentierte einen gut tragenden, elastischen lyrischen Tenor leicht nasal gefärbt – vom Timbre eine Mischung aus dem jungen Joseph Calleja mit „Schellackhauch“ und von Juan-Diego Florez.“ (Dominik Troger) „Die gewaltige Schlussszene besteht aus zwei Teilen, und den ersten, gewissermaßen „lyrischer Wahnsinn“, sang die Stoyanova bestrickend. Für das letzte Furioso vor ihrem Tod fehlte ihr jedoch Kraft und Überzeugungskraft. Auch scheint es gegen die Intention des Komponisten, etwas, das ja doch als Virtuosenpartie für eine Koloratur-Diva geschrieben wurde, von der Brandfackel auf brav flackerndes Feuer herunterzusingen.
Am Pult stand wieder Evelino Pidò (auch er war schon bei der Premiere dabei), der die Ouvertüre in erschütternd undifferenzierter Fortissimo-Manier herunterklopfte. Später wurde es etwas, aber nicht wirklich viel besser.“ (R.Wagner)
LA FILLE DU RÉGIMENT 26.10. und 29.10.
„Einen großen persönlichen Erfolg feierte Íride Martínez als Einspringerin für die Einspringerin in der Rolle der Marie. Sie hat von den Noten und vom Stimmumfang her die Partie auf jeden Fall drauf, aber es fehlt phasenweise an Ausdruck und auch eine etwas fülligere Tiefe wäre von Vorteil.“ (Kurt Vlach).
Im Forum des Online-Merkers gab es eigenartige Wortmeldungen zu dieser Inszenierung, einem Schreiber ist der als locker und heiter hingeworfene, allgemein als gelungen anerkannte Entwurf des Bühnenbildes für den ersten Akt zu nichts sagend gewesen, in einem weiteren Beitrag schien einem etwas gar zu ernsthaftem Schreiber die Darstellung des Krieges viel zu lustig und unbekümmert. Nun, abgesehen von der schon nicht ganz ernst zu nehmenden Vorlage hätte eine Darstellung der Ereignisse im Stil des Golfkrieges oder gar des Vietnam-Fiaskos bestenfalls den Sängern aus Fernost Freude bereitet. Seien wir doch froh, dass der im zweiten Akt anrollende hölzerne Panzer wahrscheinlich der einzige fahrbereite Panzer in Österreichs ist. Oder doch noch nicht?
Richtige Freuden und Wonnen bereiteten ihr Auftreten des in Hochform befindlichen Juan Diego Flórez und dem wieder aus seiner stimmlichen Fülle austeilenden Carlos Álvarez. Die künstlich aufgesetzte Lustigkeit der Frau von Crakentorp hingegen ist auch bei Kiri de Kanawa nur wenig humorig, aber wenigstens nicht so peinlich, wie Montserrat Caballé sich in der Premierenserie darbot. Aber immerhin zeigte sie sich gegenüber der Rollenvorgängerin noch in überraschend guter stimmlicher Form.
VERDI GALA 10.10.
Natürlich hatte Direktor Meyer mit einer Bemerkung bei seinem letzten Publikumsgespräch recht, wenn er, unter Hinweis auf die ständige Anwesenheit Verdis im Repertoire und überhaupt dessen vermehrte Anzahl der Aufführungen in diesem Monat eigentlich großartige Extra-Events für entbehrlich halte. Und natürlich konnte sich jeder Konsument des Musentempels am Ring, wenn er des Lesens kundig ist, informieren, dass diese Veranstaltung, die unter dem Titel VERDI GALA angeboten wurde, lediglich eine Teilnahme des Chores und des Orchesters der Wiener Staatsoper in Aussicht stellte.
„Das Wort “Gala” war es also, das meiner Ansicht nach für falsche Vorstellungen sorgte. Warum darf der Titel nicht “Chor- und Orchesterkonzert zu Verdis 200. Geburtstag” lauten, warum muss es eine “Gala” sein? Vielleicht wegen der erhöhten Preise?“ so Anton Cupak in unserer Tageskolumne.
„Die etwas lieblose Aneinanderreihung von bekannten und kaum bekannten Orchesterstücken und Chören feuerte keine emotionalen Gebutstagsraketen ab. Immerhin haben nach der Pause die Ohrwürmer aus „Nabucco” und „Aida” für eine bessere Stimmung gesorgt. Denn im Pausenfoyer wurde schon die Meinung geäußert, dass die ganze Veranstaltung ziemlich „sparsam” geraten sei.“ schrieb Dominik Troger
„Keine glanzvolle Gala mit internationalen Top-Solisten und bekannten Arien oder Duetten, sondern ein unaufgeregtes Konzert des Staatsopernorchesters unter Dirigent Daniele Gatti und mit dem Chor des Hauses als vokale Verstärkung.“ meinte der Kurier.
Zu leichtfertig wurde, von wem auch immer, eine “Gala“ angesetzt. Hätte man etwas Gedankenarbeit seitens der dafür Verantwortlichen in der Wiener Staatsoper in die Titelwahl dieser Veranstaltung gelegt und etwas mehr über die praktische Bedeutung dieses Wortes nachgedacht, die „Sticheleien“ darüber wären der Direktion erspart geblieben.
DER ERSTE LIFE STREAM: DER ROSENKAVALIER am 27.10.
Aus Anlass des ersten Life-Streams, der von der Wiener Staatsoper aus in das Opern-Universum ein Zitat aus ZEIT-Online zu diesem Thema, gefunden im „Opernnetz“ vom 20.10.2013:
Sir Peter Jonas vom 16.10.2013, zitiert aus Zeit online:
„Die vorrangige Erinnerung an diese Erfahrung (Anm.: mit so einem Stream) ist die eines künstlerischen Wichsens. Man erlebt einen bescheidenen Kick, aber ohne jedes Vorspiel: kein Aufbau, keine Vorfreude, kein vorfreudiges Beben der Sinne, keine flimmernde Furcht. Und man vermisst die Wallfahrt zum Theater und das Geplauder im Foyer, wenn man ohne Vorbereitung direkt in den ersten Ton der Ouvertüre oder, schlimmer noch, direkt in die Lieblingsarie geworfen wird. „Zack, danke, gnä’ Frau!“ (oder „der Herr“): künstlerischer Orgasmus auf Mausklick. Das Allerschlimmste aber ist: Man hat keinen „Kontakt“, erlebt keine Provokation durch andere Zuschauer, die einen trotz Körpergeruch oder penetranten Parfüms in gemeinsame Wonne oder Ernüchterung hineinziehen und zu Buh- oder Jubelrufen hinreißen – und hinterher auch keine Debatten, gemildert durch postkoitale Verlorenheit oder entzündet durch Empörung und Provokation.
Was bleibt, ist Oper ohne Risiko: eine bakterienfreie Zone, top-hygienisch, absolut harmlos – doch genau das war niemals die Bestimmung dieser edlen und schwierigen Kunstform. Oper sollte von Anfang an riskant sein, das perfekte Vehikel, die Menschen mit aktuellen Tagesthemen zu konfrontieren: Weltpolitik und privates Leid in Don Carlos und Simon Boccanegra; Infektionskrankheiten und die Balance zwischen öffentlicher und privater Moral in La Traviata oder La Bohème; der Kreislauf der Natur im Schlauen Füchslein; Inzest und Kindesmisshandlung in Ariodante und Weltwirtschaft im Ring des Nibelungen. Operninterpretationen setzen uns der ansteckenden Krankheit Provokation aus, und diese kann in vollem Umfang nur erlebt werden, wenn der Akt der Interpretation, zusammen mit der oft dazugehörenden Verletzung unserer Erwartungen, sich vor unseren Augen abspielt. Nur dann wird der Bazillus künstlerischer und intellektueller Freiheit freigegeben, der uns fesselt, erregt, bewegt und erschreckt mit einer Macht, über die diese Kunstform grundsätzlich verfügt, auch wenn sie sie viel zu selten zeigt.
Wenn zukünftig bald jede Woche Oper im Internet und im Kino serviert wird, ist die digitale Oper bald so bekannt wie das berühmte Wiener Schnitzel mit Pommes. Das bekommt man aber bekanntlich auch in fast jeder billigen Imbiss- Bude. Hauptsache ist, dass die eigentlichen Restaurants dann nicht leer bleiben.“
Nun, unser Restaurant am Ring wird deshalb nicht leer bleiben, diese Sorgen muss sich Sir Jonas um unser Haubenlokal nicht machen.
Peter SKOREPA
MERKEROnline
Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Pöhn,
Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer
Anregungen an skorepa@hotmail.de
Wien, 18. November 2013