Die Berliner Mauer wird wieder präsent, 03. Oktober 2012
Von Ursula Wiegand
Ja, genau so war es. Oder fast so. Die Mauer, die von 1961 – 1989 Berlin geteilt hat, ist wieder präsent. In einer Stahlrotunde in Kreuzberg, wenige Schritte vom Checkpoint Charlie entfernt. In seinem neuesten Panorama führt sie uns der Künstler Yadegar Asisi nochmals vor Augen.
Asisi-Panometer, Mauer-Panorama. Foto: Ursula Wiegand
Wie es dort zuging, weiß er aus eigener Anschauung. „Ich habe in den 80er Jahren in Kreuzberg an und mit der Mauer gelebt. Das Panorama bündelt meine Erfahrungen und erzählt dem Betrachter detailreich Geschichten, die so nicht zeitgleich geschehen wären,“ äußert Asisi, in Wien als Sohn persischer Emigranten geboren und nun deutscher Staatsbürger.
Doch „alle im Panorama dargestellten Einzelheiten lassen sich historisch tatsächlich an diesem Stück Mauer verorten,“ betont der 57-Jährige. An Ort und Stelle lässt sich das zwar heutzutage so nicht mehr vorfinden, doch für die Westberliner, die diese Zeiten miterlebt haben, wirkt das Gezeigte sehr authentisch.
Mauer-Panorama, Todesstreifen und Haus mit vermauerten Fenstern. Foto: Ursula Wiegand
Vorne springen die Graffitis auf der Mauer ins Auge, dahinter der grell ausgeleuchtete Todesstreifen mit einem der speziell abgerichteten Hunde. Neben dem Grenzstreifen ein Haus, eines mit teils zugemauerten Fenstern, damit keiner – wie mehrmals geschehen – von dort in die Freiheit springen konnte.
Mauer-Panorama, Wachtturm, DDR-Soldaten mit Fernrohr und Kamera. Foto: Ursula Wiegand
Bald wurden die Anlagen perfektioniert und hohe Wachttürme errichtet. Aus Fensterschlitzen beobachten und fotografieren zwei DDR-Grenzsoldaten.
Das Rundbild lässt sich zu ebener Erde umrunden und von oben betrachten. Wie die imaginären Touristen, die unten von einem Podest über die Mauerkrone blicken, so schauen die Panorama-Besucher auf einem 4 m hohen Gestell quasi von der Sebastianstraße in Kreuzberg nach Berlin-Mitte, damals Ostberlin.
Mauer-Panorama, imaginäre Touristen auf dem Podest. Foto: Ursula Wiegand
Mit ernster Miene tun das die Älteren, interessiert flüstern Engländer und Franzosen. Neugierig und fast ungläubig gucken die Jüngeren. Die unter 25 kennen solche Bilder nur vom Fernsehen, hier aber werden sie damit konfrontiert. Diese böse Realität so nah – einige schauen sehr nachdenklich.
Mauer-Panorama, junge Besucher betrachten den Todesstreifen. Foto: Ursula Wiegand
In ständigem Wechsel sind auch die entscheidenden Sätze jener Jahre zu hören. So Walter Ulbrichts „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“. Dann klingt der dramatische Appell Ernst Reuters, Regierender Bürgermeister von Westberlin, durch den hohen, mal nachtdunklen, mal taghellen Raum: „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“.
Danach John F. Kennedys: „Ich bin ein Berliner“ und schließlich Erich Honeckers Prophezeiung, die Mauer werde noch in 50 und 100 Jahren stehen.
Mauer-Panorama, Grenzschild am Checkpoint Charlie. Foto: Ursula Wiegand
Wer all’ das gesagt hat, wissen die jungen Besucher vermutlich nicht. Sie wissen nur eines. 1889 war endlich Schluss mit dieser Mauer und greifen zum Handy, um sich gegenseitig vor ihr abzulichten.
Von den zahlreichen Mauer-Toten ist bei dieser Zeitreise nicht die Rede, so auch nicht von dem 18 jährigen Maurerlehrling Peter Fechter, der 1962 beim Fluchtversuch abgeknallt wurde. Eine halbe Stunde lang verblutete er schreiend, doch niemand kam ihm zu Hilfe, weder von östlicher noch von westlicher Seite. „Sie haben für jeden eine Kugel“, steht auf der hier wieder erstandenen Mauer.
Mauer-Panorama, Westberlin, skurriles Grenz-Idyll. Foto: Ursula Wiegand
Asisi will jedoch keine alten Wunden aufreißen. Er präsentiert vielmehr den dortigen Alltag Jahre später und speziell auf Westberliner Seite. Die Anwohner haben sich mit der Situation arrangiert. Autoschrauber und Wohnwagen sind zu sehen. „Gemütliche Ecke“ heißt eine Kneipe direkt an der Mauer.
All’ das holt Asisis Panorama aus dem schnellen Vergessen, das Verwerfliche und das Skurrile. Diese Mauerjahre müssen in Erinnerung bleiben, darüber hinaus aber auch die mutigen Proteste von Tausenden, die sie friedlich zum Einsturz brachten.
Infos: asisi Panometer, Checkpoint Charlie, Friedrichstraße 205, Eingang Zimmerstraße, 10117 Berlin. Geöffnet täglich 10-20 Uhr, Eintritt 10 Euro, erm. 8,50 Euro, Laufzeit ca. 18 Monate.