Landestheater Detmold 13. Mai. 2012: Der Ring des Nibelungen – Erster Tag – Die Walküre
Fotos: Copyright Landestheater/Hörnschemeyer
Zwei Heldentode starb Johannes Harten bei der Walküre am zweiten Abend der Detmolder Ring-Tetralogie. Der erste kam aber sehr unvermutet, denn als Siegmund zum ersten Wälse-Ruf ansetzte brach die Stimme weg, der Tod eines Heldentenors! Umso erstaunlicher, dass der zweite Wälse-Ruf dann umso triumphaler gelang. Und auch in weiterer Folge hatte Hartens beachtlicher Heldentenor einige Aussetzer, offenbar war seine Stimme zu sehr ausgetrocknet, stand er doch 20 Stunden zuvor noch als Loge auf der Bühne und der Körper forderte einfach seinen Tribut. Aber das tat seiner Darstellung des Siegmunds keinen Abbruch und das Publikum akzeptierte voll, dass Sänger eben keine Maschinen sind, worauf auch die Haus-Dramaturgin Elisabeth Wirtz in der ersten Pause hinwies, als sie ankündigte, dass Harten die Partie trotz dieser Indisposition zu Ende singen wird.
Das alles hatte aber auch sein Gutes, denn es führte einem eindringlich vor Augen, wie spannend Operntheater sein kann. Man zitterte um den Siegmund bis zum ersten Finale mit und erfreute sich zugleich daran wie sehr eine blendend disponierte Brigitte Bauma als Sieglinde sich in ihren Zwillingsbruder verliebte. Intendant/Regisseur Kay Metzger hatte es im Programmheft schon auf den Punkt gebracht, als er auf die Frage antwortete, ob ein „Ring“ in Detmold überhaupt Sinn mache bei der Flut von Einspielungen, die es von diesem Werk gibt: „Es kommt darauf an wie man sich der Aufgabe stellt. Wir müssen da sauber trennen: Natürlich wird ein „Figaro“ mit den Wiener Philharmonikern immer besser sein als bei uns. Sollten wir ihn deshalb in Detmold nicht spielen? Heute sind wir leider durch perfekte CD-Einspielungen verdorben. Aber eine CD ersetzt nicht das leibhaftige Theatererlebnis!“ Besser kann man es nicht ausdrücken.
Und ebenso gut verstand es Metzger nach dem Rheingold im Rokoko auch eine Zeitepoche für diese Walküre zu finden, wo sie perfekt hinpasst, nämlich in die Zeit des ersten Weltkrieges, immerhin ist die Walküre ja die Oper der Schlachten. Mit wenigen Effekten gelang es ihm diese Kriegswirren darzustellen, Siegmund ist da nur einer von vielen Fliehenden, die im Haus Hundings Zuflucht suchen. Dass der erste Weltkrieg auch das Ende der bürgerlichen Epoche war, sah man im zweiten Akt, als der große Dialog zwischen Wotan und seiner Gattin Fricka in einem gutbürgerlichen Hause verläuft – witzig die Anordnung der gefallenen Helden in den Schrankvitrinen. Der Showdown zwischen Hunding und Siegmund spielt schließlich zwischen Stacheldrahtabsperrungen, an denen die Leiche eines gefallenen Soldaten hängt. Und die Krönung gelingt dem Inszenierungsteam mit dem Beginn des dritten Aktes: Der Walkürenritt bietet sich einem als zynische Persiflage über Krieg und Schlachten dar, auf erhöhten Sitzen thronen die Walküren (als Bräute gewandet) und knobeln darum, wer den nächsten Toten aus den (in Zeitlupe choreographierten) Gefechten nach Walhall führen darf. Makaber und beeindruckend zugleich!
Über den Siegmund von Johannes Harten kann trotz seiner Stimmaussetzer nur das Beste gesagt werden, denn er behielt die Nerven und schmetterte beim ersten Finale trotz aller vorheriger Schwierigkeiten mit voller Power: „So blühe denn Wälsungenblut!“ Brigitte Bauma, die dem Haus seit 15 Jahren angehört, fand mit ihrer temperamentvollen Sieglinde rasch zur vollen Leidenschaft und spielte mit vollem körperlichen Einsatz. So ausgelassen wirbelt das Wälsungenpaar nur selten über die Bühne. Als Hunding machte Dirk Aleschus wesentlich mehr Eindruck als am Vorabend als Fasolt, seine imposante Erscheinung korrespondierte ideal mit der profunden und sonoren Bassstimme.
Purer Luxus die Besetzung Wotans und seiner Lieblingswalküre Brünnhilde: Ralf Lukas, der in Bayreuth unter anderem schon als Melot in Tristan und Isolde zu hören war, zeigte alle Nuancen des Göttervaters, die warme und samtene Stimme passte in jeder Sekunde zum äußeren Erscheinungsbild. Absoluter Höhepunkt war aber der Monolog des zweiten Aktes, hier verstand man wirklich in welcher Lage Wotan war, wie sehr alle bisherigen Ereignisse eigentlich keine Lösung mehr gestatteten. Und ihm zur Seite eine Sabine Hogrefe, die nach einer solche Leistung eigentlich Fixstarterin an den ganz großen Häusern sein sollte. Ideal ihre wohltimbrierte Mezzolage aus der sie ohne Ansatz in strahlende Höhen gehen kann, ohne irgendwelche Kompromisse eingehen zu müssen und ohne störendes Vibrato.
Aber auch Monika Waeckerle musste sich im Vergleich zu den Hauptpartien nicht verstecken, ganz im Gegenteil. Ihre Fricka machte Wotan eindringlich klar, wo es lang zu gehen hat: Bissig, ironisch und zynisch kanzelte sie ihren Göttergatten ab, Chapeau! Und eigens erwähnt werden müssen auch die sieben weiteren Walküren (Waeckerle sang auch die Waltraute), denn das war großes Theater, was sie beim Walkürenritt zeigten. Da stimmte jede Geste, jede Nuance, Personenregie wie sie sein sollte, stimmlich einwandfrei: Karen Ferguson, Marianne Kienbaum-Nasrawi, Beate von Hahn, Rita Gmeiner, Gritt Gnauck, Uta Christina Georg und Evelyn Krahe. Das Symphonische Orchester des Landestheaters Detmold hatte mit Ausnahme einiger kleiner Rumpler beim Blech und Horn wieder sehr fein musiziert. Dirigent Erich Wächter verzichtete bewusst auf Show und Effekte und hatte nicht unwesentlichen Anteil am Erfolg. Das Publikum wusste diesen auch gebührig zu honorieren, über 10 Minuten Standing Ovations!
Wird fortgesetzt!
Ernst Kopica