DESSAU: SIEGFRIED – Premiere – am 30.3.2013
Peter Svensson (Siegfried), Albrecht Kludszuweit (Mime). Foto: Theater Dessau
Der „Siegfried“ in diesem sog. Dessauer ‚Bauhaus-Ring‘ ist im Gegensatz zum „Ersten Tag“, der Götterdämmerung (in Dessau wird im ‚Krebsgang‘ gespielt), nicht so kubistisch durchstrukturiert, sondern vereint heterogene Momente von Science-fiction, virtueller Welt und Magie. Im ersten Akt sehen wir Mime (mit tollem durchschlagendem Tenor Albrecht Kludszuweit) und Siegfried in einer Wohngemeinschaft wie zwei Nerds, die nur mit Computerspielen beschäftigt sind und den Boden mit Fast-Konsum einmüllen. Siegfried „schmiedet“ das Schwert dann virtuell mittels einer in Brusthöhe umgeschnallten Tastatur, deren Klopfen auch die Hammerschläge ersetzt, und auf Großbildleinwand werden die Ergebnisse der Schwerterzeugung übertragen. Wie einen „Ausdruck“ erhält Siegfried dann ein wirkliches Schwert. Die gesungenen Dialoge mit Mime sind so rasant wie noch selten gesungen und gespielt, da wurde auch im Anhaltischen Orchester unter der Leitung Anthony Hermus große Wagner-Arbeit geleistet. Einen schön getragenen spannenden Ruhepunkt stellt die Wettszene mit dem Wanderer dar. Ulf Paulsen in einer meergrünen Science Fiction-Kutte mit vorderer Applikation und einem ‚Fernrohr‘-Auge (Kostüme Suse Tobisch) singt diese Szene mit Applomb und höhensicherem Bariton-Strom. Rechts und links über den Proszeniumslogen werden wie in einem Computerspiel die Gewinnstände der Kontrahenten angezeigt. Der Drache im 2.Akt (mit fein deklamiertem durchschlagskräftigem Baß Dirk Aleschus) erscheint aus der Tiefenbühne mit großprojizierten Augen wie ein Stangenmensch, während der Waldvogel (der sich fast überschlagende süße Zwitschersopran von Angelina Ruzzafante) wie ein futuristisch blauer Vogel Greif choreographische Bahnen zieht. Ganz magisch und von Kleinstplaneten umwölkt fährt Erda (Rita Kapfhammer mit schönstimmig dramatischem Mezzo) in rotem Faltenrock, der unten zu einer Rotunde ausufert, herauf. Der Alberich ist ein Exote oder Indianer und wird von Stefan Adam mit warmem Baß ausgesungen, den er auch markant in dem fulminanten Schlagabtausch mit Bruder Mime einbringt. Vor dem letzten Akt zumindest hätte sich „Siegfried“ Peter Svensson „ansagen“ lassen sollen. Erst kurz zuvor von einer starken Erkältung genesen, machte er bis dato seine Sache gut, wobei auch sein gewitztes Spiel ganz prima herüber kam. Leider bricht er dann bei der Erweckung Brünnhildes stimmlich ein. Er ist aber sonst ein diskret charmanter Tenor mit weichem wohlklingendem Kern, mit dem er alle Rollen seines Faches bewältigen kann. Bei dieser Szene kommt wieder der große Ebenholzblock hereingekreist. Brünnhilde liegt drin mit weißem phantasievollen Dress. Iordanka Derilova singt sie wieder ohne stimmliche Probleme mit ihrem kräftig durchgestilten Sopran. Das Orchester spielt hier, abgesehen von wenigen Problemen bei den Blechbläsern, wunderschön aus.
Die Inzenierung André Bückers tut sich mit der Verklammerung der heterogenen Elemente etwas schwer, aber die Ideen sind wirklich nicht schlecht und man ist gespannt auf dei Fortsetzung in ‚Walküre‘.
Friedeon Rosén