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DER FOTOGRAF DES KAISERHAUSES

13.06.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Michaela Pfundner:
DER FOTOGRAF DES KAISERHAUSES
Ludwig Angerer (1827–1879)
152 Seiten, Edition Winkler-Hermaden. 2022 

Man kommt nicht darum herum, den stolzen ersten Satz der Rückseite des Buches zu zitieren: „Den Umschlag dieses Buches ziert eines der bekanntesten Fotos von Ludwig Angerer aus dem Jahr 1862. Es zeigt Kaiser Franz Joseph I. mit seinen Brüdern Karl Ludwig, Ludwig Viktor und Ferdinand Maximilian“. Tatsächlich ist es eines der ganz wenigen gemeinsamen Bilder dieser Brüder (noch bevor Maximilian zu seinem Mexiko-Abenteuer aufbrach und Ludwig Viktor wegen seines skandalösen Lebens nach Salzburg verbannt wurde). Der Mann, der dieses Foto machte, war dem Kaiserhaus wahrlich sehr nahe – Ludwig Angerer (1827–1879), vom Kaiser selbst zum „Hofphotograph“ ernannt.

Obwohl in den letzten Jahrzehnten das Interesse für Fotografie sprunghaft gestiegen ist, war es lange das Schicksal der Fotografen, dass ihre „Objekte“ berühmter waren als sie. Durchblättert man den großartigen Band, den Autorin Michaela Pfundner zusammen gestellt hat, wird klar, dass viele der berühmtesten Fotos etwa von Kaiserin Elisabeth von Angerer stammen. Desgleichen das immer wieder reproduzierte, legendäre Familienfoto der Habsburger von 1860. in der Mitte sitzend Elisabeth mit ihren beiden Kindern, daneben Erzherzogin Sophie und ihr greiser Gatte, dahinter die vier Brüder (zuzüglich Maximilians Gattin Charlotte).

Dieser Ludwig Angerer, geboren 1827 in der Slowakei, seine Mutter war Ungarin, vom erlernten Beruf her Apotheker, war nebenbei Hobbyfotograf. Als solcher brachte er aus dem Krimkrieg sensationelle Aufnahmen mit, die viel Beachtung fanden. In Wien wurde er mit seinem eigenen Foto-Atelier schnell berühmt, seinerseits eine erste Adresse für Prominenz aller Art. Man sieht dies, wenn man das Buch – mit ausgesprochener Lust an der Historie Wiens – durchblättert. Von ihm stammt das berühmte Altersbildnis des greisen Franz Grillparzer, für ihn posierte der alte Johann Nestroy im pelzbesetzten Mantel (auch ein legendäres Foto), für ihn blickte Adalbert Stifter grimmig in die Kamera. Ludwig Angerer war eine erste Adresse nicht nur für das Kaiserhaus, sondern auch für Kunst und Kultur, er bewahrte für die Nachwelt Rollenfotos der großen Burgtheater-Stars wie etwa Charlotte Wolter. Und fremde Potentaten, die Wien besuchten, kamen in sein Atelier, um sich fotografieren zu lassen.

Aber Michaela Pfundner, die als stellvertretende Direktorin von Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek und Leiterin der Abteilung Bilddokumentation aus dem Vollen schöpfen konnte und dazu  noch neben der Theatersammlung viele Archive und Sammlungen befragte, spannt das Feld von Angerers Können und Interessen sehr weit.

Er, der sich selbst mit Gattin und zwei Kindern in den Armen in männlich-bürgerlicher Heldenpose konterfeite und die Habsburger auf und ab fotografieren durfte, hatte natürlich auch den Adel als Kunden. Und wie alle guten Fotos erzählen die seinen ein bisschen mehr als nur das Dargestellte – das Ambiente, die Haltung, ja, die Weltanschauung. Und wohl auch Humor, wenn adelige Damen und Herren ihre Rückseite fotografieren ließen…

Die Hocharistokratie verkleidete sich auch gern („zu guten Zwecken“ natürlich, es gibt auch Bilder von Damen, die einen Wohltätigkeitsbasar hüteten), und man genoß es, in historischen Kostümen für die Ewigkeit festgehalten zu werden. Uns mag das gelegentlich ein wenig lächerlich erscheinen, damals fühlte man sich wahrscheinlich großartig dabei – auch eine Demonstration damaligen Zeitgeistes.

Aber Angerer hat sich nicht nur für seine lukrativen Kunden interessiert – er ging auch hinaus, ins Freie, und fotografierte seine Umwelt, Wiener Architektur, Veranstaltungen (wobei er von hoch gelegener Position auf den Heldenplatz „hinunter“ schaute),  Baustellen der Ringstraße, Landschaft außerhalb Wiens.

Man kann sich kaum vorstellen, wie viele Tausende Menschen Angerer im Lauf seiner nur kurzen Karriere (er starb 1879 in Wien, 51 Jahre alt) vor seiner Kamera aufgestellt hat. Er hat in knapp zwei Jahrzehnten ein Panorama seiner damaligen Welt geliefert.

Renate Wagner

 

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