Hsg. Andreas Goltz, Heinrich Schlange-Schöningen
DAS ZEITALTER DIOKLETIANS UND KONSTANTINS
BILANZ UND PERSPEKTIVEN DER FORSCHUNG
Festschrift für Alexander Demandt
358 Seiten, Verlag Böhlau, 2022
Im Oktober 2017 fand in Mainz eine Internationale Tagung statt, die sich dem Zeitalter Diokletians und Koinstantins widmete und jenem Professor Alexander Demandt gewidmet war, den mancher der Vortragenden seinen Lehrer nennen konnte. Demandt, der Spätantike-Spezialist, arbeitete damals an seiner Biographie über Diokletian, die mittlerweile im C.H.Beck Verlag erschienen ist. Da es traditionsgemäß Jahre dauert, bis die Ergebnisse von Symposien gedruckt vorliegen, erscheint das Buch nun tatsächlich gleichzeit mit der Diokletian-Biographie. Das offeriert interessierten Lesern iallerlei Querverbindungen und ausführliche Betrachtungen von Spezialthemen.
Besonders spannend ist der Beitrag von Udo Hartmann, tätig an der Universität Jena. Ihm geht es um „Der Blitzschlag am Tigris. Überlegungen zum rätselhaften Tod des Carus in Persien“. Dies hängt durchaus mit der Diokletian-Biographie zusammen, denn wäre Carus nicht so plötzlich verstorben, hätte die Geschichte anders ausgesehen. Dieser hatte zwar versucht, die „Erbmonarchie“ mit seinen beiden Söhnen wieder einmal einzuführen. Aber Numerianus starb auf der Rückkehr von Persien, Carinus wurde im Jahr darauf ermordet, wobei immer wieder Diokletian, den das Heer mittlerweile auch zum Kaiser ausgerufen hatte, unter Verdacht steht, das veranlasst zu haben.
Aber es geht um jenen geheimnisvollen Tod des Carus, den antike Quellen zum Großteil auf einen „Blitzschlag“ zurückführen. Nun hat Udo Hartmann die Unzahl von alten Quellen befragt (die Anmerkungen sind länger als der Artikel selbst) und auch noch ein paar andere Versionen gefunden – Erkrankung, Herzinfarkt, Tod durch eine Verletzung. Oder, was immer am spannendsten wäre: Mord.
Denn der Autor will auf jeden Fall festgestellt haben, dass Carus im Hochsommer im heutigen Irak, irgendwo in der Gegend von Bagdad, gestorben ist – und dort gibt es zu dieser Jahreszeit keine Gewitter und folglich keine Blitze… Nachdem Hartmann auch die Sekundärliteratur nach ihren Theorien durchforstet hat, kommt er zu dem Schluß, dass es die Offiiziere selbst waren, die Carus ermordet haben. Sein Wunsch, ohne weiteren Grund, aus bloßer Ruhmgier, weiter in persisches Gebiet einzudringen, hätte große Opfer gefordert und nach ihrer Sicht nichts gebracht. Aber die einzige Möglichkeit, den Kaiser zurück zu halten, bestand offenbar darin, ihn zu töten…
Nebenbei bemerkt: In Alexander Demandts Diokletian-Biogaphie nimmt der Tod des Carus auf Seite 39 gerade einmal eine halbe Seite ein, ohne dass der „Blitzschlag“ groß diskutiert würde. Mit Berechtigung, denn für seine (bzw. Diokletians) Geschichte)ist schließlich nur wichtig, dass Carus tot war, egal wie. Und dennoch, wenn man diesen Beitrag gelesen hat, sage niemand, dass Spezialuntersuchungen zu Detail-Themen nichts bringen…
Zu Diokletian sind etwa auch die Überlegungen von Wolfgang Kuhoff (Emeritus für Alte Geschichte in Augsburg) interessant: „Augustus emeritus. Diokletian als Kaiser im Ruhestand und die Folgen“ befasst sich mit der Frage, ob Diokletian nach seinem Rücktritt wirklich vergessen werden wollte. Tatsächlich zog man ihn, auch als Galerius und Constantius Chlorus neue Kaiser geworden waren, noch zu einigen Beratungen hinzu. Aber nach dem Tod des Chlotus wurde dessen Sohn Konstantin zum Kaiser ausgerufen und begann seinen Feldzug gegen die Vergangenheit. Diokletian geriet in Vergessenheit, besonders nach dem Tod des Galerius, der sein Schwiegersohn gewesen war. Und in dieser Vergessenheit blieb er lange auch, von Konstantins (christlicher) Propaganda überstrahlt. Für fraglich hält der Autor auch, ob die „Vergöttlichung“ des Diokletian (bei Kaisern üblich) nach dessen Tod wirklich stattgefunden hat,wie teilweise überliefert. Tragische Tatsache bleibt, dass dessen Frau und Tochter später als Staatsfeinde behandelt, gejagt und ermordet wurden…
Die weiteren Beiträge des Buches decken ein breites Interessensfeld ab, befassen sich mit Kunst und Politik (was bedeutete Herkules), mit Strukturen (Frage nach den Prätorianern, nach der Rolle des Senats), mit Entwicklungen (Wandlungen des Kaiserbilds).
Speziell zu Konstantin geht es um seine „Apollo-Vision“, die ihn 312 angeblich bei der Schlacht an der Milvischen Brücke in Rom, die ihn zum Alleinherrscher machte, überkam. Dies wurde prompt zur Jesus-Vision umgedeutet – und sprach ihm die christliche Hilfe zum Sieg zu… Es geht auch um die Frage, ob bisherige Heiligtümer schon zu Konstantins Zeiten als „heidnisch“ zerstört wurden (am Beispiel des Asklepios-Kults in Aigeai) und was eine nur noch in Teilen im Museum existierende Konstantin-Statue in Rom ausgesagt haben mag
Wer sich für die Spätantike im Detail interessiert, wird viel unverhofftes Material vorfinden.
Renate Wagner