Oliver Matuschek
DAS STEFAN ZWEIG ALBUM
EIN LEBEN IN BILDERN
256 Seiten Seiten, Benevento Verlag, 2023
Zu seinen Lebzeiten wurde Stefan Zweig um seinen weltweiten Erfolg beneidet, aber auch leicht schräg angesehen für seine gefälligen Novellen und leicht lesbaren historischen Betrachtungen. Heute hat sich das Blatt gewendet. Kaum einem österreichischen Dichter wurde in letzter Zeit so viel Interesse entgegengebracht, in verschiedenen biographischen Auseinandersetzungen, mehreren Großausstellungen, dazu ein interessanter Film über seine Exiljahre.
Gerade sein Schicksal ist immer wieder als exemplarisch für Glanz und Tragödie genommen worden, als Verkörperung vom Untergang einer „Welt von gestern“, wie er sie in seinen Memoiren so bemerkenswert beschrieben hat.
Nun gibt es einen jener Bildbände, die für die Interessierten die optische Ergänzung dessen bieten, was man über einen Menschen lesen kann – von der Wiege bis zur Bahre sozusagen, die Verlebendigung einer Welt in Fotos und Dokumenten.
So visualisiert sich nun vieles – zuerst die Figur dieses Stefan Zweig, den man zu Beginn artig porträtiert mit seinem älteren Bruder Alfred sieht, ein typischer Großbürgersohn. Die Eltern besaßen eine Textilfabrik in Böhmen, man lebte mehr als wohlhabend in Wien, Zweig wurde nicht nur durch seine Bücher reich, er war es von Anfang an. Und weil der ältere Bruder ausersehen war, den Betrieb zu übernehmen (was er auch gehorsam tat), durfte der jüngere die Profession des schöngeistigen Intellektuellen übernehmen,
Es gibt auffallend viel „Schriftliches“ in dem Buch zu sehen, und das ist kein Zufall. Zweig war ein geradezu besessener Schreiber, der ein absolutes Riesenwerk hinterließ – und hatte das meiste mit der Hand verfasst, die Übertragung in die Schreibmaschine oblag den Sekretärinnen seines späteren Lebens. Von Anfang an notierte er sorglich in Notizbüchern erste Ideen, und Oliver Matuschek, Zweig-Biograph, der in Salzburg den Nachlass betreut, legt Wert darauf, auch die Arbeitsweise des Dichters zu dokumentieren (konkret tut er es dann anhand der Entstehung des Buches „Marie Antoinette“).
Da gab es viele Stadien von den ersten Recherchen (auch ein Bibliotheksausweis von Zweig wird gezeigt) über Notizen, die oft unzusammenhängende Sätze waren, bevor er den Text zusammen fügte, abschreiben ließ, viele Korrekturen in diesen Blättern anbrachte und dann auch noch gnadenlos in den Druckfahnen weiter korrigierte. Das machte das Erscheinen seiner Bücher für einen Verlag schwierig und kostspielig. Andererseits hat man – voran der Insel Verlag, dem er jahrzehntelang verbunden war – auch ungeheuer viel an ihm verdient…
Vielleicht gibt es so viele Fotos von Stefan Zweig, weil er selbst ein passionierter Fotograf war, ein Hobby, das er auch auf seinen vielen Reisen ausübte. Etwa ab 1900 hat er den charakteristischen Look mit dem gepflegten Schnurrbärtchen, den er nicht mehr änderte und in dem er würdevoll alterte. Betrachtet man die Fotos genau, zeigt sich auch, worauf der Autor aufmerksam macht, nämlich dass Zweig sich stets nur auf die feinste Art nach allerneuester Mode kleidete, wobei die kurzen Hosen, mit denen man ihn oft in Salzburg sah, eine Art Markenzeichen waren.
Stefan Zweig war nicht nur ein begnadeter Schriftsteller, er war auch ein – wohl eitler – Vermarkter seiner selbst, der nicht nur jeden Zeitungsausschnitt über sich sammelte, sondern in reichem, gezieltem Briefwechsel mit Prominenten ein Netzwerk schuf, der nicht nur mit seinem Verlag verhandelte, sondern sich auch (was sich kaum ein Kollege antat) um alle fremdsprachigen Ausgaben seiner Werke kümmerte (er war der meist übersetzte Autor seiner Zeit). Drei ärgerliche Telegramme hintereinander an den Verlag zeigen, wie viel Druck er machen konnte, wenn er das Gefühl hatte, dass die Arbeit an einer Neuerscheinung nicht schnell genug voran schritt.
Man erlebt Zweig privat, mit seiner ersten Gattin Friderike von Winternitz, nicht unbedingt die ideale Ehe, gestört auch durch ihre beiden Töchter aus ihrer früheren Verbindung. Immerhin bewohnten sie das luxuriöse Haus am Kapuzinerberg in Salzburg (eine Zeitschrift zeigt Fotos der Innenräume), bis der Nationalsozialismus alles zerstörte, was Zweig sich mit Fleiß und Intelligenz aufgebaut hatte. Abdrucke in Zeitschriften, Theaterzettel, Buchtitel begleiten den Betrachter durch Zweigs mehr als umfangreiches literarisches Werk.
Mit seiner zweiten Gefährtin und späteren Frau Lotte Altmann hetzte Zweig angesichts der Repressalien des Nationalsozialismus gegen Juden schon seit den frühen dreißiger Jahren (immer als gefragter Autor überall willkommen) durch die Welt, zuerst Europa. Er ließ sich in England nieder, floh dann aber vor dem Krieg und den Bomben in die USA und schließlich nach Brasilien, wo er hoch willkommen war und in der Bergstadt Petropolis ein angenehmes Leben führen konnte. Aber bekanntlich glaubte er nicht daran, dass Hitler den Krieg verlieren würde, und nahm sich gemeinsam mit seiner Frau 1942 das Leben.
Der Autor ist geschmackvoll genug, nicht die Bilder der Toten zu veröffentlichen, nur vom Begräbnis eine Besuchermenge, aber ein Bild des schönen Doppelgrabs am Friedhof von Petropolis wäre schon angebracht gewesen.
Im übrigen begleitet der erläuternde Text von Oliver Matuschek sachlich die Bilder, Alles in allem ist es ein Buch, das viel Spezialinteresse an einem Schriftsteller befriedigt, der eine singuläre Erscheinung in seiner Welt war.
Renate Wagner